III. Empirischer Teil - E-Beratungsjournal
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einen ruhigen, ungestörten Platz in der Wohnung für die Therapiestunde zu suchen, und auch einige Minuten zur Vor- und Nachbereitung einzuplanen. Die Länge der Therapiestunde mit Videotelefon wird von der Präsenztherapie übernommen. Anscheinend haben sich die Dauer und der Verlauf einer Life-Sitzung so eingeprägt, dass die befragten Therapeuten keine Änderung für nötig halten. Die Bedeutung der äußeren Praxissituation, die ein kleiner Baustein für eine erfolgreiche Psychotherapie ist, wird in der virtuellen Begegnung nicht vernachlässigt. Wie bei jeder therapeutischen Tätigkeit, ob im realen Gespräch oder über das Videotelefon, muss eine Entscheidung bezüglich der Indikation getroffen werden. Grundsätzlich geht es dabei um die optimale Zuordnung von Patienten und Behandlung. Welche Therapieziele möchte man mit einem Patienten erreichen? Mit welchen Patienten kann man am besten arbeiten? Das bestätigt auch ein befragter Psychotherapeut, der nie mit Menschen mit Psychosen arbeitet, und deshalb auch nicht über Videotelefon. Er zieht den Rückschluss daraus, wenn er 20 Jahre erfolgreich mit diesen Patienten schon gearbeitet hätte, würde er auch über Videotelefon arbeiten. Das eigene Fachwissen wird geprüft: „Bin ich der geeignete Fachmann für den Hilfesuchenden?“ Daraus ergibt sich auch für den Patienten leichter die Möglichkeit, sich einen für seine Erkrankung spezialisierten Psychotherapeuten auszuwählen. Bei der Entscheidung in der Wahl des Fachmannes steht nicht mehr die Erreichbarkeit im Vordergrund, sondern sein Fachwissen. Eine wesentliche Frage in der Therapieforschung formuliert Gordon L. Paul (1967, S. 111) wie folgt: „What kind of therapy, or elements there of, benefits what kind of client?“ Alle Interviewten setzen sich mit der Indikationsentscheidung sehr bewusst auseinander. Sie beurteilen genau jeden Fall, ob eine Psychotherapie mit Videotelefon angezeigt ist, wenn ja, welche psychotherapeutischen Maßnahmen können über dieses Medium durchgeführt werden und wie können diese Methoden dem Verlauf der Behandlung angepasst werden. Alle befragten Experten zeichnen sich durch Verantwortungsbewusstsein und Vorsicht im Umgang mit dieser wenig erforschten Therapiemöglichkeit aus. Sie berichten über gute Erfahrungen mit Psychotherapie mit Videotelefon bei leichten und mittelgradigen depressiven Phasen, Anpassungsstörungen, Agoraphobie, Panikstörung und generalisierter Angststörung. 64
Die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung zählt für fünf der zwölf Interviewpartner als Ausschlusskriterium, obwohl in der Studie über Posttraumatische Belastungsstörungen von Germain, Marchand, Bouchard, Paquin & Guay 2009 kein signifikanter Unterschied zwischen einer Face-to-Face-Behandlung und einer Screen-to- Screen-Behandlung festgestellt wird. Neun der Fachleute nennen schwere Persönlichkeitsstörung, Suizidalität und Suchterkrankungen als Kontraindikation. Schwere Depressionen werden von sieben, Psychosen von sechs Gesprächspartnern als Anlass gesehen, die Patienten andere Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Medikamentöse Behandlung, Autismus und Wahn werden jeweils von einem Psychotherapeuten als Grund genannt, den Patienten zu einer Face-to-Face-Therapie zu verweisen. Es hat den Anschein, dass sich die befragten Psychotherapeuten mit der Indikation intensiv beschäftigen, und aufgrund ihrer langjährigen psychotherapeutischen Erfahrung, eine überlegte Entscheidung treffen. Mit den Patienten, die Fachleute für eine Psychotherapie mit Videotelefon nicht geeignet finden, einerseits aufgrund der Schwere der Diagnose oder aber auch wegen der eigenen Spezialisierung, erarbeiten sie eine Lösung. Die im Österreichischen Psychotherapiegesetz von 1990 verankerte Eigenverantwortlichkeit der Psychotherapeuten wird nicht nur vom österreichischen Interviewpartner sehr bewusst ausgeübt, sondern ist ein bedeutender Grundsatz für alle befragten Psychotherapeuten. Am Beginn einer Therapie wird auch auf gesetzliche Einschränkungen aufmerksam gemacht. Deutsche Experten weisen darauf hin, dass es sich um eine psychotherapeutische Beratung handelt und nicht um eine intensive Psychotherapie. Patienten aus den USA, die in Kanada oder Großbritannien Hilfe suchen, werden aufgrund der gesetzlichen Restriktionen, keine psychotherapeutische Hilfe in einem anderen Staat zu suchen, andere Möglichkeiten empfohlen. Konfrontative Strategien oder aufdeckendes Arbeiten bei instabilen Patienten werden von zwei interviewten Fachleuten als Grenze bei der Screen-to-Screen-Therapie angesehen. Diese Einstellung deckt sich nicht mit den Ergebnissen der bereits oben genannten Studien von Germain (2009) zur Posttraumatischen Belastungsstörung. Auch die praktische Erfahrung einer befragten Therapeutin zeigt ein anderes Bild. Sie 65
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Die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung zählt für fünf der zwölf<br />
Interviewpartner als Ausschlusskriterium, obwohl in der Studie über Posttraumatische<br />
Belastungsstörungen von Germain, Marchand, Bouchard, Paquin & Guay 2009 kein<br />
signifikanter Unterschied zwischen einer Face-to-Face-Behandlung und einer Screen-to-<br />
Screen-Behandlung festgestellt wird. Neun der Fachleute nennen schwere<br />
Persönlichkeitsstörung, Suizidalität und Suchterkrankungen als Kontraindikation.<br />
Schwere Depressionen werden von sieben, Psychosen von sechs Gesprächspartnern als<br />
Anlass gesehen, die Patienten andere Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.<br />
Medikamentöse Behandlung, Autismus und Wahn werden jeweils von einem<br />
Psychotherapeuten als Grund genannt, den Patienten zu einer Face-to-Face-Therapie zu<br />
verweisen.<br />
Es hat den Anschein, dass sich die befragten Psychotherapeuten mit der Indikation<br />
intensiv beschäftigen, und aufgrund ihrer langjährigen psychotherapeutischen<br />
Erfahrung, eine überlegte Entscheidung treffen. Mit den Patienten, die Fachleute für<br />
eine Psychotherapie mit Videotelefon nicht geeignet finden, einerseits aufgrund der<br />
Schwere der Diagnose oder aber auch wegen der eigenen Spezialisierung, erarbeiten sie<br />
eine Lösung. Die im Österreichischen Psychotherapiegesetz von 1990 verankerte<br />
Eigenverantwortlichkeit der Psychotherapeuten wird nicht nur vom österreichischen<br />
Interviewpartner sehr bewusst ausgeübt, sondern ist ein bedeutender Grundsatz für alle<br />
befragten Psychotherapeuten.<br />
Am Beginn einer Therapie wird auch auf gesetzliche Einschränkungen aufmerksam<br />
gemacht. Deutsche Experten weisen darauf hin, dass es sich um eine<br />
psychotherapeutische Beratung handelt und nicht um eine intensive Psychotherapie.<br />
Patienten aus den USA, die in Kanada oder Großbritannien Hilfe suchen, werden<br />
aufgrund der gesetzlichen Restriktionen, keine psychotherapeutische Hilfe in einem<br />
anderen Staat zu suchen, andere Möglichkeiten empfohlen.<br />
Konfrontative Strategien oder aufdeckendes Arbeiten bei instabilen Patienten werden<br />
von zwei interviewten Fachleuten als Grenze bei der Screen-to-Screen-Therapie<br />
angesehen. Diese Einstellung deckt sich nicht mit den Ergebnissen der bereits oben<br />
genannten Studien von Germain (2009) zur Posttraumatischen Belastungsstörung. Auch<br />
die praktische Erfahrung einer befragten Therapeutin zeigt ein anderes Bild. Sie<br />
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