Mitteilungen Nr. 48 - Hans Henny Jahnn
Mitteilungen Nr. 48 - Hans Henny Jahnn
Mitteilungen Nr. 48 - Hans Henny Jahnn
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KREIS DER FREUNDE UM H A N S K AY S E R BERN<br />
MITTEILUNGEN <strong>Nr</strong>. <strong>48</strong> Auflage 850 Ex. Mai 2002<br />
Walter Ammann Biderstrasse 31 CH-3006 BERN Telefon 031 931 12 78 PC Bern 30-12710-8<br />
Postgiroamt Frankfurt/M. 300 453 605, Bankleitzahl 50’010’060 • Postkonto International 91-13879-4<br />
DIE HARFE aus Bronze, 1977, auf der Wiese des Burgerheimes Bern<br />
von Elsa Stauffer, *1905, Bildhauerin
Inhalt Seite<br />
Elsa Stauffer: Er-innern in Zeitenwende 3<br />
Prof. Alfons Köster: Ein Besuch bei <strong>Hans</strong> Kayser 6<br />
Prof. Dr. Werner Schulze: Internationale Ausstrahlung der Harmonik 10<br />
Ernst Waldemar Weber: Symposion 3. November 2001 11<br />
Mitteilung 13<br />
Bücherbesprechungen:<br />
György Doczi: Die Kraft der Grenzen 14<br />
<strong>Hans</strong> Kayser: Manuale di Armonica 15<br />
Lauterwasser: Klänge – Gestalten 16<br />
Peter Klein: Der Bilderstern 16<br />
Eugen Banauch: Stifter und Doderer 17<br />
Katharina Burgstaller: Symmetrien und Tonzahlen 18<br />
Bestellung<br />
2<br />
Die Verantwortung für die einzelnen Beiträge tragen jeweils die Verfasser<br />
Liebe Freunde der Harmonik<br />
Entsprechend der Auswahl der Themen und Redner, die Sie beim letztjährigen Symposion<br />
getroffen haben, werden am 2. November a.c. die folgenden Referenten zu uns sprechen:<br />
PROF. DR. JOHANNES GRUNTZ-STOLL, Verfasser des Buches<br />
«Harmonik – Sprache des Universums»:<br />
Weltbild und Klangwelt – Der harmonikale Kosmos im Werk des Johann Amos Comenius<br />
DR. SONJA KLUG, Schriftstellerin, D-Bad Honnef:<br />
Zahlensymbolik und Heilige Geometrie der Kathedrale von Chartres<br />
MARGRET LÖWENSPRUNG, München:<br />
Das «Tonoskop» – Darstellung von Klangfiguren mit der menschlichen Stimme in<br />
Forschung und Therapie<br />
Wir hoffen, auch dieses Jahr wieder eine grosse Zahl von Ihnen begrüssen zu dürfen.<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
Die MITTEILUNGEN erscheinen jährlich zweimal.<br />
Richtpreis im Jahr Fr. 15.– / Euro 10.–. Bitte möglichst mit Giro überweisen.<br />
Freunde in Deutschland zahlen auf Postbank NL Frankfurt, 300’453’605, Bankleitzahl<br />
50’010’060, in andern Ländern auf das Gelbe Konto international <strong>Nr</strong>. 91-13879-4 KREIS<br />
DER FREUNDE UM HANS KAYSER BERN.<br />
Wenn Sie die MITTEILUNGEN nicht mehr zu erhalten wünschen, möchten Sie diese bitte im<br />
gleichen Umschlag, damit der Absender ersichtlich ist, frankiert an uns zurückgehen lassen,<br />
wofür wir Ihnen bestens danken.
ER-INNERN IN ZEITENWENDE<br />
Elsa Stauffer, geboren 1905, Bildhauerin<br />
Golddurchsonnte Frühlingswiesen – jauchzende Kinderstimmen. Erwachter Gestaltungsdrang<br />
und geschickte Hände haben das elementarste erste Blasinstrument erfunden!<br />
Löwenzahn-Stengel, kräftig-hohle, in verschiedene Längen zerschnittene Röhrchen, Tonleiternähe<br />
suchende, willige Werkzeuge zum Befriedigen unseres Bedürfnisses nach Wohlklang,<br />
Sprechen, Singen ... Denn unser innerstes Leben ist Musik, und alles, was über und<br />
unter uns ist. Sie hält den Mechanismus unserer Existenz intakt.<br />
Musik ist der Rhythmus und der Sinn für Proportionen in den Künsten, in der Natur: im<br />
Schwingen der Blätter und Zweige, in der Wunderwelt der Kristalle, im Kommen und<br />
Gehen der Wellen, in den Bewegungen der Sterne und Planeten, und, grösstes Wunder:<br />
unseres Menschwerdens, somit Instrument unseres ureigenen musikalischen Aufbaues!<br />
Unbestreitbar bereits im Wunder unseres Mundbogens. Ein Tonraum ganz besonderer Art,<br />
ermöglichend unser Sprechen in verschiedenartigsten Sprachen, zart oder lautstark, feinst<br />
formuliert oder grob. Und – o Wunder! – im Gesang: in Eigenfreude oder im Chor.<br />
Tönende Kraft durchdringt unseren Planeten. Wieso können grosse Musiker nach einem<br />
Konzert nicht schlafen gehen? Bleiben noch lange Zeit hellwach bewegt. Auf Nervensträngen,<br />
einer Art Saiten, wird der seelisch-geistige Mensch gespielt. Er ist somit Instrument<br />
seines ureigenen Aufbaues! Wir alle haben etwas von dieser kostbaren Nervensubstanz in<br />
uns. Sie lässt uns mitschwingen, tänzeln, stampfen, miterleiden, mittun, mitfreuen ...<br />
Dazu C.G. Jung: «Des Menschen Schwierigkeiten kommen daher, dass wir den richtigen<br />
Kontakt zu unseren edleren Instinkten und Sinnen verloren haben, die in jedem von uns<br />
gespeichert sind.»<br />
Überschattet wurden diese Fähigkeiten mehr und mehr durch den einseitig hochgezüchteten<br />
Intellekt. Erstaunliches vollbrachte er seinerseits, jedoch auf Kosten von Geisteswerten.<br />
Immer sichtbarer wird diese Begrenztheit und ruft dringlich nach Neubesinnung und<br />
entsprechender Weitung. Wir leben in einer Scheinwelt. Immer schwieriger wird es, die<br />
Mitte zu halten zwischen Wirtschafts- und Kulturleben. Im Staatsbereich lähmt die auf Parteienkampf<br />
aufgebaute Mehrheitsdemokratie und erschwert wichtiges Ergreifen von<br />
Selbstverantwortung für sich und die Mitwelt. Grundlegend neue und weitausholende Entwicklungen<br />
laufen uns davon. Es zerbrechen die gesund-spontanen Instinkte, Wahrnehmungen<br />
und Kräfte, oder bilden einseitig gepflegte «Zusammenschlüsse».<br />
Im Gegensatz dazu sind wahrhaft schöpferische Menschen – eingeschlossen Künstler –<br />
dazu berufen, Vorläufer zu sein für zukünftige Entwicklungen. Das zerstörte Gleichgewicht<br />
sollen sie wieder herstellen, und bleiben so oft von ihren Zeitgenossen missverstanden<br />
oder unerkannt.<br />
Das Universum, seine geistige Substanz, ist in ständiger Entwicklung, ein für uns unfassbares<br />
Kunstwerk! Offenbarung eines Existierend-Göttlichen.<br />
Der Mensch, begrenzter Teilhaber, hat Möglichkeiten und Kräfte in sich, die er entwickeln<br />
und fruchtbringend einsetzen kann, je nach seiner Lage. Wie beeindruckte mich in jungen<br />
Jahren ein Strassenwischer, der über den Zaun hinweg besorgte Gartenbesitzer beriet,<br />
Kinder zu sachgerechter Strassenbenutzung anleitete oder suchenden Menschen vielfältig<br />
half.<br />
3
Die Harfe, Entwurf 1942<br />
4<br />
Und heute? Wie lautete neulich eine Bemerkung<br />
anlässlich einer Strassenbegegnung<br />
und nach der Frage über momentaner Arbeit:<br />
«Was? Sie wählten eine Harfe, dieses grässliche,<br />
veraltete Musikinstrument für eine bildhauerische<br />
Grossfigur?» Und in mir tönte es:<br />
«Bild»-hauer, bildlich schaffender Mensch.<br />
Die Harfe<br />
So ganz elementar entstanden und verwoben<br />
mit den Menschen! Bis heute einziges<br />
Musikinstrument mit freischwingenden Saiten.<br />
Nachweisbar 3000 Jahre v.Chr. in Uganda,<br />
Ostafrika. Geworden unter anderen Versuchen<br />
mit Hilfe von langen Rossschwanzhaaren<br />
(Saiten), bespannt und befestigt an<br />
zwei Haltepunkten.<br />
Und das Erlauschen von tiefen Tönen unten<br />
am Boden, ein Tierfell, gespannt über ein<br />
Bodenloch.<br />
Das daraus gewachsene Musikinstrument<br />
«Harfe» in Dreieckform blieb lange Zeit nur<br />
Begleiterin menschlichen Singens. In steter<br />
Vervollkommnung bald bekannt in Mesopotamien,<br />
in Ägypten, in den germanisch-keltischen<br />
Gebieten Europas und dann auch in<br />
ganz Asien. Berlioz (1803–1869), kühner<br />
Neuerer auf dem Gebiet der Musik, war es,<br />
welcher der heutigen Doppelpedal-Harfe im<br />
Orchester einen festen Platz gab.<br />
«Meine Harfe» ist der Mensch selbst. Bild<br />
hauerisches, d.h. bildlich geschaffenes Sinnbild<br />
seines tiefsten Wesens – und dazu sogar<br />
«modern»: Die Dreieckform ist heute wissenschaftliches<br />
Zeichen für den Lichtäther und<br />
Symbol des Lichthaften – wie schon vor alter<br />
Zeit.<br />
Wertvollstes Wissen aus dem Gebiet «Musik»<br />
schenkten mir ein Buch von Friedrich<br />
Oberkogler und ganz besonders das persönliche<br />
Kennenlernen und Gestaltendürfen des<br />
Kopfes des genialen Musikforschers <strong>Hans</strong><br />
Kayser, seinerzeit emigriert in die Schweiz.<br />
Seinen Kopf versuchte ich nachher in freier<br />
Gestaltung wiederzugeben:
In der Akróasis von <strong>Hans</strong> Kayser fand ich auf S. 66f. das folgende, für meine künstlerischen<br />
Bemühungen mir aus dem Herzen gesprochene Zitat: «Dürer hat sich ganz<br />
unmissverständlich darüber ausgesprochen, wie er ‘Gesetz und Regel’ angewandt wissen<br />
wollte: ‘Wenn du messen gelernt hast und den Verstand mitsamt dem Brauch überkommen,<br />
also dass du ein Ding aus freier Gewissheit machen kannst, und weisst einem jeglichen<br />
Ding recht zu tun, alsdann ist es nicht mehr not, ein jedes Ding zu messen, denn<br />
deine überkommene Kunst macht dir ein gutes Augenmass, alsdann ist die geübte Hand<br />
gehorsam.’ – ‘Freie Gewissheit’ – schöner und einfacher kann man die durch Normenstudium<br />
erworbene Sicherheit im Schaffen nicht definieren!»<br />
Als Freundin der Harmonik und langjähriger Bezügerin der MITTEILUNGEN des KREISES<br />
DER FREUNDE UM HANS KAYSER BERN verabschiede ich mich mit ganz besonderem<br />
Dank an dessen Betreuer Walter Ammann, der mir völlig unerwartet das wie ein Tüpfelchen<br />
auf das i passende folgende Gedicht überreicht hat:<br />
ES SCHENKT DER HERR<br />
auch im Versagen,<br />
Und gibt, indem er nimmt.<br />
Am Himmelsgitter rütteln unsre Klagen,<br />
Indes Er lächelt und mit Liebe stimmt<br />
Die Seelenharfen, alle, nach der Reihe,<br />
Die ihren Missklang tragen vor sein Ohr,<br />
Dass sie, empfangend eine neue Weihe,<br />
Den Klang gewinnen, der sich längst verlor.<br />
Gestimmt zu werden von des Meisters Hand<br />
Ist Schmerz.<br />
Und keine Harfe, die ihn nicht empfand,<br />
Oh Herz! –<br />
Und hat auch Dich erfasst und hat Dir weh getan<br />
Sein grosser Wille,<br />
Dann denk: Jetzt zieht der Herr die Saiten an,<br />
Und halte stille.<br />
«Nach der getreuen Wiedergabe<br />
des Kopfes von <strong>Hans</strong> Kayser<br />
versuchte ich in freier Gestaltung<br />
den typischen Musiker herauszubilden.»<br />
1953<br />
Aus: EPHIDES von Hella Zahrada, Turm-Verlag, Bietigheim 1978, S. 12<br />
5
Ein Besuch bei <strong>Hans</strong> Kayser<br />
von Prof. Alfons Köster, Köln<br />
überreicht von Helmut Reis, Erfstadt-Liblar, Juli 1997<br />
Bern/Schweiz 11. Sept, 1950<br />
Heute morgen Fahrt von Thun nach Ostermundigen bei Bern, Pappelweg 15, zu<br />
Dr. <strong>Hans</strong> Kayser.<br />
Lange schon war mein innigster Wunsch, mit dem Magister Ludi (Glasperlenspiel)<br />
der Neuzeit bekannt zu werden. Kurz nach zehn Uhr traf ich in dem Dorfe ein, 20<br />
Min. Fussweg bis zu seiner Wohnung (Telefonanruf vorher von Thun aus). In<br />
einem einfachen Doppelhaus bewohnte (damals) Kayser die rechte Hälfte. Die<br />
Umgebung ist nicht gerade romantisch zu nennen, unweit aber Wälder und in der<br />
Ferne die Alpenkette.<br />
Kayser hat sich aufs Land zurückgezogen, um ungestört arbeiten zu können. Für<br />
mich bedeutete sein Name etwas Beachtenswertes. Einfach, ohne Titel, stand<br />
der Name an der Haustüre.<br />
Ich schellte, eine schmale Treppe herab steigend, öffnete er selbst die Türe, ein<br />
grosser, gesetzter, doch nicht übergrosser Mann, nicht zu schmal und nicht zu<br />
dick, eine äusserlich durchaus harmonische Erscheinung.<br />
Grauer, schon sparsamer Haarwuchs, eine gesunde etwas gebräunte Hautfarbe,<br />
im ganzen eine gute Figur, wenn auch nicht ganz Goethe’scher Prägung, doch<br />
etwas an ihn gemahnend.<br />
Ein ruhiges, nicht übersprudelndes Wesen, was sich zwar ereifern konnte, im<br />
Grunde aber herzlich, freundlich war.<br />
Seine Arbeitsstube, in die er mich führte: ein Flügel, ringsum an den Wänden lauter<br />
Bücherregale voller Bücher, einige Gemälde seiner Tochter (sehr farbig und voll<br />
jugendlichen Pathos war eines, das andere: eine Art Stilleben, komponiert in farbigen<br />
Flächen, nicht besonders formstark). In einer Ecke: Grünewald’s Stuppacher-Madonna<br />
im farbigen Grossdruck. Kleine Stiche, wie Paracelsus u.a. und<br />
einige Aquarelle und Ölskizzen, sicherlich Arbeiten der Tochter (mittelstarke Farbigkeit).<br />
Ein alter, altmodischer Sessel, das Schreibpult, nach beiden Seiten wie ein Notenpult<br />
leicht abgeschrägt, ein altes Mobiliar, angehäuft mit Zeichenmaterialien aller<br />
Art, die kundgaben, dass Kayser viele harmonikale Zeichnungen anfertigt. Er<br />
selbst war sauber gekleidet, nicht zu salopp, hellgraue Hose, ein hellgrauer, ein<br />
wenig karierter Rock. Soweit das Äusserliche.<br />
Die Unterredung berührte zunächst mein Verweilen in der Schweiz und meine allgemeinen<br />
Eindrücke. Bald wendete sich das Gespräch auf die Neuerscheinungen,<br />
auf seine Werke, die in Deutschland schwer zu erreichen sind.<br />
Kayser legte mir das Buch «Grundriss eines Systems der harmonikalen Wertformen»<br />
vor, ebenso «Ein harmonikaler Teilungskanon». Zuletzt das «Lehrbuch der<br />
Harmonik», ein umfangreiches Werk, in dem wohl seine bedeutende, langjährige<br />
Arbeit gesammelt vor mir lag. Ein Werk, dessen Studium die nächsten Monate<br />
und Jahre füllen dürfte. (Ich liess es später anschaffen durch die Kölner Universität,<br />
Musikwissenschaftliches Institut, erschienen 1950).<br />
6
Er dedizierte mir dazu eine in Grossformat gedruckte, zusammengefasste Einführung<br />
zu diesem Werke, die ich noch besitze.<br />
Wir sprachen über vielerlei Dinge: die wissenschaftliche Grundlage der heutigen<br />
Zeit, über das Verhängnis einer einseitigen gnoseologischen Analyse (Heidegger<br />
etc.), Prof. André (Walberberg) wurde erwähnt, sein «Urbild und Ursache» und<br />
seine damalige Haltung (scholastischer Art). Kayser zeigte sich sehr versöhnend.<br />
Hermann Hesse, dessen Gedichte er lobte, (mir nicht ganz verständlich).<br />
Ich fragte wegen des «Joculator Basiliensis» (Glasperlenspiel). Er selbst habe, im<br />
Auftrage anderer, angefragt, weil seine Ideen dort konzipiert seien. Hesse habe<br />
merkwürdigerweise auf diese Andeutung nicht geantwortet. Er finde (wie ich<br />
auch) dieses Originalitätsgeheimnis kleinlich. Er habe sich im Gegenteil gefreut,<br />
dass jemand diese Gedanken aufgreife.<br />
Doch halte er im Allgemeinen nicht allzuviel von diesen sachlich nicht begründeten<br />
Erfindungen. Hesse hat nicht ein einziges Paradigma aufgeführt.<br />
Klar wurde mir, dass das harmonikale Denken und Forschen ein Lebenswerk<br />
bedeutet: man kann es nicht von jedem verlangen.<br />
C.G. Jung, der öfter mit ihm korrespondiert: Unbewusste Anlagen etc., all das<br />
anerkennt Kayser, doch hält er diese Verfahren als gleichsam von aussen, da und<br />
dort ansetzende, eindringende Analyse, während er ein Grundgefüge harmonikaler<br />
Ordnung aufbaue auf Zahlenwerten, die dann als symbolische Inhalte und Formen<br />
im Menschen entsprechende Wertigkeiten erhalten. Alte Grundwahrheiten,<br />
die an Goethes morphologische Studien erinnern, dessen Freund er ebenso ist<br />
wie ich.<br />
Das Trinitätsproblem wurde berührt (Symbolik der Geister, C.G. Jung): ich deutete<br />
Jungs Gedanken der Dreiheit und Vierheit an.<br />
Mir wurde aber klar, dass alle diese mehr spekulativen Forschungen, z.B. bei<br />
Guardini («der Gegensatz»), bei Nicolai Hartmann («Aufbau der realen Welt»), bei<br />
Jaspers («Philosophie der Wahrheit») – dass sie alle immer wieder von der dialektischen<br />
Seite herkommen und quasi eine andere Pragmatik erschaffen, während<br />
Kayser die harmonikale Ordnung des Seins als «existente Dogmatik» vorfindet<br />
und nur ihr Strukturgefüge, ihr variantes Spiel um die «Mitte» resp. die Zeugertonlinien<br />
beobachtet.<br />
Dabei entdeckte er alles das, was das Lehrbuch der Harmonik umfasst. Ein<br />
Gebiet, das nahezu unerschöpflich ist. Er hat aber immer eine absolute feste, bleibende<br />
Grundlage, das Seinsgefüge, das in gleichnishafter, phänomenaler Ordnung<br />
sich uns darstellt.<br />
Ich nannte ihm meine «Unruhe der Welt» (∞), die er interessant fand und bejahte.<br />
Das Buch «Gleichnis der Harmonie» (Max Burchartz, Essen) finde er für künstlerische<br />
Gestaltideen interessant, für ihn sei es aber zu «billig», weil es der sachlich<br />
fundierten Zahlenordnung entbehre.<br />
Diese Einstellung Kaysers ist verständlich, da er nicht nur die künstlerische<br />
Gestaltung im Auge hat, sondern eben die gesamte Seinsstruktur.<br />
Das «Ganze», die Fülle – das ist sein Aspekt – sein Glaube gegenüber dem<br />
Nichts, dem letzten Gipfel der Gnoseologie (Erkenntnislehre), Analyse, Synthese<br />
wird nicht verworfen, aber bei ihm anders angewendet.<br />
7
Das Letzte bleibe immer ein Geheimnis; aber aus der «Mitte» offenbare es sich<br />
nach allein Seiten im raumzeitlich, sphärischen Geschehen.<br />
Meine ∞ (Unruhe) erschien mir (auf dem Wege zum Bahnhofe) wie ein Kinderspielzeug,<br />
das sich um die Zeugertonlinie herum kreiselt und bald näher, bald ferner<br />
sich ausschwingt und so all die vielfältigen Figurationen hervorruft.<br />
Geist – als «Kraft der ewigen Figuration» – gefiel ihm gut; es ist eben das Urphänomen<br />
Goethes.<br />
Meine Einladung zu Vorträgen lehnte er höflich ab, da er ein schlechter Redner<br />
sei, da er pädagogisch schlecht abstrahieren könne und fürchte zu verwässern.<br />
Er wolle alles in gründlicher Arbeit niederlegen. Meine Bemerkung, dass er an<br />
eine Universität gehöre, tat er ebenfalls höflich ab; er brauche die nächsten zehn<br />
Jahre noch für zwei Werke, die er schreiben wolle. Alle apostolische Tätigkeit<br />
würde ihn ablenken.<br />
Kayser ist überhaupt eine beschauliche, kontemplative Natur. Wahrscheinlich<br />
haben ihn die Arbeiten an der Dom-Bücherei (Paracelsus, G. Böhme) in diese<br />
Nähe des Mystischen gebracht. Jedenfalls kam er von dorther zur Harmonik.<br />
Man könnte ihn deshalb einseitig nennen, wie das sicherlich von manchen empfunden<br />
werden mag. Das ist aber nicht richtig, im Grunde auch gleichgültig.<br />
Mir wurde klar, dass ein Harmoniker wie er, vor allem Ruhe, Stille benötigt wie ein<br />
Komponist.<br />
Ein Lebensopfer ist damit verbunden, das aber dafür das hohe Glück der<br />
Erkenntnis und der Ehrfurcht, das Wundern im Hören und Anschauen beschert.<br />
Etwas Harmonisches hat sich diesem Menschen mitgeteilt, der es nicht leicht<br />
hatte als geborener Deutscher, in Sigmaringen aufgewachsen, in Berlin studierte<br />
und veröffentlichte, in jener Nazizeit Leid genug zu ertragen hatte; im letzten<br />
Augenblick kam er mit seiner Frau, die eine Jüdin ist, über die Grenze.<br />
Auch die Schweiz habe zwei Gesichter! Er habe es nicht leicht gehabt, aber es<br />
sei nun überwunden.<br />
Er sei eine schwäbische Natur (von der Mutter her) und ein norddeutscher Typ<br />
(vom Vater her) – das habe eine glückliche Mischung ergeben in seinem Wesen.<br />
Jedenfalls (davon sprach er nicht) hat er grossartige Gönner in der Schweiz gefunden,<br />
die ihm sein Privatgelehrtenstudium finanzierten.<br />
Die Jüngeren müssten sein begonnenes Werk weitertragen und vollenden. Leider<br />
fehlen seine meisten Werke an den deutschen Universitäten.<br />
Die Zeit ist auch noch nicht reif für sein Werk!<br />
Kayser hat nichts Überhebliches, obschon sehr Bestimmtes und Festes in seinen<br />
Ansichten, ist von grosser Bescheidung und Bescheidenheit. Seine Grundlagen<br />
basieren auf kosmischer Ordnung wie schon bei den alten Pythagoräern.<br />
Ich freue mich auf das Studium der Lehrbücher. Leider musste Kayser mittags<br />
fort, sodass die Unterhaltung nur eine gute Stunde währte. Doch ergab sie für<br />
mich Tiefe und Weite in grundsätzlichen Aspekten.<br />
Ein wesentlicher Punkt war:<br />
In der Trinität, der Grundformel des Seins bildet 1/2 1/1 2/1 die Einheit, die sich<br />
nach beiden Seiten hin (vergleiche Lambdoma) ins Kleine und Grosse erweitert<br />
8
(als Urmassstab), doch sei daraus keineswegs die Polarität z.B. Licht und Finsternis<br />
herauszulesen (der Ansatz sei der der Reziprozität im Sinne der Kontraktion<br />
und Expansion) – und es sei billig, eine solche Polarität einfach anzusetzen!<br />
Dieses ausgreifende harmonikale System der Gestaltung sei nicht so zu werten;<br />
es müsse vielmehr eine «Katastrophe» angenommen werden, die diesen Faktor in<br />
das harmonikale Gefüge bringe. Das leuchtet ein. Alle billigen Deutungen der<br />
Polarität («der Gegensatz») genügen nicht, weil sie im Fundament keine Resonanz<br />
finden. Sicherlich wirken sie in ihm, aber das Grundschema baut sich nicht von<br />
ihr aus auf. Hier liegt ein tiefes, wohl das tiefste Urproblem der sittlich ethischen<br />
Ordnung verborgen. Über den Einbruch dieser Katastrophe, diese Tragik haben<br />
wir nicht weiter gesprochen.<br />
Alles in allem fand ich gefühlsmässig viele meiner Ahnungen und Erkenntnisse bei<br />
Kayser bestätigt, wenngleich meine Aussichten in die Harmonik noch recht laienhaft<br />
sind gegenüber seinen gründlichen Studien.<br />
Mit Paul Klee hat er oft musiziert.<br />
Klee habe die moderne Musik (Schönberg) abgelehnt; denn seine (Kaysers)<br />
Kompositionen seien «harmonikaler Ordnung».<br />
Es ist bemerkenswert, dass hier zwei Menschen von verschiedener Absicht her<br />
denselben Problemen sich nahten.<br />
Über die Farbordnung befragt, sagte Kayser, dass hier sehr schwierige Ordnungen<br />
anzulegen seien, da die Messbarkeit nicht die Genauigkeit besitze wie bei<br />
den Tönen, die jeweilige Beleuchtung erschwere das Messen. Er zeigte mir aber<br />
im Lehrbuche eine interessante Ordnung (auf Goethe und Schopenhauer beruhend);<br />
dort sind die Farben im Sinne der tabula harmonicalis geordnet, nach<br />
Obertonreihen (im Sinne der Helligkeitsstufen) nach Oktaven und gemäss der<br />
Zeugertonlinie die Grau-Tonreihe (mittlere); dort kann man rechts und links dasselbe<br />
Spiel anwenden wie bei Tönen, Atomen etc.<br />
Die «Harmonia Plantarum» habe ich noch nicht studiert.<br />
Gibt es im Leben Augenblicke der inneren Bestätigung? Ich glaube es, so auch<br />
im Denken und Erkennen. Irgendwo begegnen wir Stellen, wo wir das Eigene<br />
bekräftigt fühlen. Das Schicksal – hier wie ein Zufall – führt mich oft unvermittelt<br />
an solche Punkte. Waren die Keimpunkte auch in mir selber gewachsen (über<br />
Goethe u.a.), so fungieren sie nun doch an all das, was uns weiterbringt im Erfassen<br />
und Erahnen überirdischer Ordnung.<br />
Solche äusserlich unbedeutenden Stunden sind dennoch wie Gnadentage für uns<br />
selbst. Der Besuch der Stadt Bern mit all den Sehenswürdigkeiten waren dazu<br />
nur eine schöne Begleitmusik. Hier waren die lebendigen Figurationen menschlichen<br />
Tuns, deren Anblick uns im Vorübergehen beglückt und erstaunen macht.<br />
Die Bedeutung des goldenen Schnitts sei nicht so gross, meinte Kayser, wie man<br />
glaube, es sei nur ein Proportionsgesetz, etwa 2 /3, und entspräche dem<br />
Quartsextakkord.<br />
9
Bummel durch Bern<br />
«Berchtoldus dux Bernam 1191 condidit»<br />
Berchtold von Zähringen – Gründer der Stadt.<br />
Eine entzückende Stadt, die ihren alten Charakter bewahrt. Die Strassenbilder<br />
(Kram- und Marktgasse etc.) mit den Laubengängen ergeben ein prachtvolles<br />
Bild. Brunnen in rhythmischer Abfolge angelegt, mit köstlichem Figurenwerk, auf<br />
tragenden Säulen und Konsolen, z.B. ein schwarzer Bär in Ritterrüstung u.a.,<br />
meist polychromiert.<br />
Auch am Münsterportale (Jüngstes Gericht) ist alles farbig gestaltet.<br />
Das gute Formgefühl der Schweizer, auffallend im Hausbau, bekundet sich auch<br />
an den Formen der Möbel. Exakte, saubere Arbeit überall.<br />
Gute Plakatkunst und in Bern gute Kleidung. Eine sicherlich ererbte Gabe, von<br />
gutem Handwerk bestimmt.<br />
In einem Café: Rauchverbot, bei uns unmöglich.<br />
Gutgekleidete Frauen und Mädchen in Fülle. Der Tiefstand im Geldbeutel ist zwar<br />
ein bedeutender, aber nicht der letzte Gradmesser an den Geschmack.<br />
Bern hat trotzdem ein grossstädtisches Gepräge, überall eine historisch solide<br />
Prägung. Hier zu leben, mag recht angenehm sein.<br />
Internationale Ausstrahlung der Harmonik<br />
Aus dem Jahresbericht des Studienjahres 2000/2001 der Universität für Musik und darstellende<br />
Kunst Wien:<br />
Prof. Dr. Werner Schulze hatte beim Aufbau eines Harmonik-Zentrums in Limnionas/Samos<br />
(Griechenland) beratende Funktion. Der Zentralbau, ein Mehrzwecksaal für<br />
Theater, Tanz, Musik und Vorträge soll im September 2002 fertiggestellt sein.<br />
Ebenfalls ist in Velur/Kerala (Indien) ein Studienzentrum für Harmonik entstanden, das mit<br />
Wien zusammenarbeitet.<br />
10<br />
LOTTI SANDT<br />
<strong>Hans</strong> <strong>Henny</strong> <strong>Jahnn</strong>, 1894–1959.<br />
Zur Literatur, Harmonik und Weltanschauung<br />
des Schriftstellers und Orgelbauers<br />
(Mtlg. 1997)<br />
<strong>Hans</strong> <strong>Henny</strong> <strong>Jahnn</strong> gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller<br />
unseres Jahrhunderts, der allerdings immer noch zu wenig<br />
bekannt ist. Lotti Sandt stellt das vielschichtige und labyrinthische<br />
Leben und Denken dar und zeigt insbesondere die Beziehungen auf,<br />
die zwischen dem Schicksal des Schriftstellers (er hat einen grossen<br />
Teil seines Lebens in freiwilligem Exil in Dänemark verbracht) und seinem<br />
stark autobiographisch gefärbten grossen Hauptwerk «Fluss ohne<br />
Ufer» bestehen.<br />
Für den an Harmonik interessierten Leser ist natürlich <strong>Jahnn</strong>s Verhältnis<br />
zu harmonikaler Forschung und Weltanschauung besonders<br />
wissenswert. <strong>Jahnn</strong> hat sich eingehend mit den Schriften des Frh. von<br />
Thimus und <strong>Hans</strong> Kaysers auseinandergesetzt. Bemerkenswert ist bei <strong>Hans</strong> <strong>Henny</strong> <strong>Jahnn</strong> die praktische<br />
Anwendung der Harmonik im Orgelbau. Für ihn ist die «riesenhafte Panflöte der Orgel» ein Abbild<br />
der Schöpfung.
Dank einer grosszügigen Spende eines Freundes unseres Kreises können wir<br />
einige vergriffene Werke <strong>Hans</strong> Kaysers und Rudolf Haases zum LESEN bzw.<br />
KOPIEREN kurzfristig zur Verfügung stellen:<br />
<strong>Hans</strong> Kayser: Akróasis<br />
Der harmonikale Teilungskanon<br />
Die Form der Geige<br />
Bevor die Engel sangen (Anthologie)<br />
Rudolf Haase: Biographie <strong>Hans</strong> Kaysers<br />
Wir können Ihnen auch die vergriffenen Schriften unserer Reihe kurzfristig zur Verfügung<br />
stellen:<br />
<strong>Nr</strong>. 15: HANS KAYSER, wissenschaft und Philosophie und 10 weitere Aufsätze<br />
<strong>Nr</strong>. 16: WERNER SCHULZE, Temporelationen im symphonischen Werk von Beethoven,<br />
Schubert und Brahms<br />
<strong>Nr</strong>. 13: RUDOLF STÖSSEL, Harmonikale Modelle der Ober- und Untertonreihe<br />
Um rasche Rücksendung an den<br />
wird freundlich gebeten.<br />
M I T T E I L U N G<br />
KREIS DER FREUNDE UM HANS KAYSER<br />
Walter Ammann, Biderstrasse 31, CH-3006 Bern<br />
13
György Doczi:<br />
Die Kraft der Grenzen<br />
1981 Amerikanische Originalausgabe: The Power of Limits<br />
Deutsch von Uta und Stefan Szyszkowitz, 4. Auflage, Engel & Co., Stuttgart 1996, Fr. 68.–<br />
In einer Zeit, in der so viele Grenzen überschritten werden oder fallen, mag ein Buch mit<br />
dem Titel «Die Kraft der Grenzen» als unzeitgemäss oder gar ketzerisch erscheinen. Wer<br />
sich jedoch damit beschäftigt, wird das Gegenteil bestätigt finden: Gerade weil so viele<br />
Grenzen nicht mehr beachtet werden, kann es heilsam sein, sich auf ihre Kraft neu zu<br />
besinnen.<br />
Und es sind ja nicht willkürlich gesetzte Grenzen, denen Doczi nachspürt, sondern er sucht<br />
sie zuerst in der Natur auf, wo sie das Werden und Wachsen unserer Mitgeschöpfe bestimmen<br />
und führt uns dann in die Welt der Kunst und des Kunsthandwerks, wo sich dieselben<br />
Gesetzmässigkeiten wiederfinden lassen.<br />
Es ist eine faszinierende Entdeckungsreise, zu der uns Doczi einlädt: Von Blütenböden und<br />
Blattformen führt er uns zu antiken, ja sogar prähistorischen Kunstgegenständen, zeigt die<br />
Entstehung verschiedener Schriftformen auf, misst die Steinkreise in Stonehenge und<br />
Tempelbauten rund um die Welt aus und untersucht die mathematisch-harmonikalen Proportionen<br />
an Schneckenhäusern, Fischen, am menschlichen Körper und anderem mehr.<br />
Dabei gelingt es ihm, grundlegende einfache Zahlenverhältnisse und vor allem den Goldenen<br />
Schnitt als schöpferische Prinzipien in Natur und Kultur überzeugend nachzuweisen.<br />
Er zeigt auf, dass es immer zweier polarer Kräfte bedarf, um ein Neues, Drittes hervorzubringen<br />
und findet für diesen schöpferischen Prozess ein neues Wort: Dinergie. Denn<br />
weder «Polarität» noch «Dualität oder Dichotomie» noch «Synergie» scheinen ihm<br />
adäquate Begriffe für den musterbildenden Prozess in Natur und Kunst zu sein.<br />
Mich hat diese Begriffsbildung, die sich wie ein roter Faden durchs Buch zieht, gepackt.<br />
Doczi belegt in grosser Fülle, in Bild, Zahl und Wort, was er im Vorwort ankündigt, dass<br />
sich nämlich in den Grenzen das Grenzenlose offenbare.<br />
Das Buch hat einige Mängel, die mir angesichts der Tatsache, dass es 1996 seine 4. Auflage<br />
erlebte, nicht ohne weiteres verständlich sind:<br />
So z.B. die Aussage, der Goldene Schnitt entspreche in der Musik der Quint: Teilt man eine<br />
Saite im Verhältnis des Goldenen Schnittes, ertönt eine zwischen der Dur- und der Mollsext<br />
liegende Sext, die man beim besten Willen nicht als eine Annäherung an die Quint<br />
hören kann. Auch wird im 5. Kapitel von Muscheln gesprochen, wo es sich durchwegs um<br />
Schnecken handelt.<br />
Ich kann mich auch des Eindrucks nicht ganz erwehren, der Verfasser habe sich etwas einseitig<br />
vom Wunsch leiten lassen, überall möglichst harmonische Verhältnisse aufzudecken.<br />
Der Gesichtspunkt, dass die Formen der Natur wie der Kunst stets im Spannungsfeld von<br />
Ordnung und Chaos entstehen (durch Dinergie!), kommt meines Erachtens zu kurz. Zwar<br />
wird im 6. Kapitel eingeräumt, dass die Natur «in ihrer Grosszügigkeit auch Unordnung<br />
gedeihen» lasse, aber im Einzelnen fehlen mir oft die Hinweise auf das chaotische Element.<br />
Ein Mangel besteht darin, dass nirgends auf das Werk <strong>Hans</strong> Kaysers hingewiesen wird. Bei<br />
Doczis sehr breit gefächerter Literatur-Umschau ist mir dies nicht verständlich.<br />
(Wir haben Herrn Doczi 1985 nach Erscheinen seines Buches «Die Kraft der Grenzen» auf<br />
die Harmonik aufmerksam gemacht, die ihm einen grösseren Spielraum und oft überzeugendere<br />
Lösungen für seine Proportionsforschungen geboten hätte. Seine Stellungnahme<br />
vom 29. Oktober 1985 lautete: «Es tut mir Leid, dass ich gar nichts über <strong>Hans</strong> Kayser<br />
14<br />
BÜCHERBESPRECHUNGEN
wusste, bevor ich das Buch «Die Kraft der Grenzen» schrieb; sonst hätte ich mich natürlich<br />
umgehend mit ihm beschäftigt. Immerhin ist vielleicht etwas Gutes in dieser bedauernswerten<br />
Unvollkommenheit meines Buches: Ich hätte mich wahrscheinlich weniger<br />
an die Grundidee gehalten – d.h. dass Grenzen das Grenzenlose schaffen (Pythagoras) –,<br />
was mir doch das Wichtigste zu sein scheint. Deshalb habe ich mich mit den ersten drei<br />
Oberton-Grundharmonien begnügt, um diesen Grundgedanken zu betonen, was mir in<br />
Anbetracht des vorherrschenden Materialismus am Wichtigsten scheint.» D.R.)<br />
Nun aber genug der Kritik! Es lohnt sich eben trotz alledem, in dieses durch und durch harmonikale<br />
Werk einzutauchen. Es erweist sich als wahre Fundgrube und weckt im Leser<br />
und Betrachter erneut Staunen und Ehrfurcht ob der Genialität des Schöpferischen in<br />
Natur und Kunst. Und Doczi verschweigt nicht sein tieferes soziales Anliegen: «Wir müssen<br />
wieder lernen, Mass zu halten und die richtigen Proportionen zu finden. Der Anschauungsunterricht<br />
in Natur, Kunst und Architektur kann uns da wertvolle Hilfe leisten…» So<br />
schreibt er im Vorwort und berichtet dort über sich selbst:<br />
«Der Architekt, der dieses Buch geschrieben hat, ist ein alter Architekt. Er musste alt<br />
werden, um die Antworten auf die Fragen zu finden, die er als Kind gestellt hat. Diese Antworten<br />
mögen die Fachleute nicht befriedigen, vielleicht auch nicht das neugierige Kind;<br />
aber sie führen möglicherweise zu neuen und fruchtbareren Fragen über die Rätsel und<br />
Schönheiten, die sich in den Mustern der Natur und Kunst verstecken.»<br />
Herzlichen Dank, Herr Doczi, für dieses wundervolle Buch!<br />
Gottfried Bergmann<br />
<strong>Hans</strong> Kayser<br />
Manuale di Armonica V (§§ 52–55)<br />
Herausgegeben von Maria Franca Frola; italienische Übersetzung von Patrizia Zaprioli.<br />
Fonte Editore, Milano 2001<br />
Mit diesem 5. «Quaderno» liegt die von Maria Franca Frola betreute italienische Übersetzung<br />
von Kaysers «Lehrbuch der Harmonik» nunmehr vollständig vor. Maria Franca Frola<br />
wie auch dem Verleger gebührt für ihren Einsatz für das Werk <strong>Hans</strong> Kaysers aufrichter<br />
Dank.<br />
Wie schon bei den früheren Bänden hat Maria Franca Frola auch hier zur Übersetzung ein<br />
ausführliches Vorwort beigesteuert. Sie führt darin ihre Darstellung des Lebenswerkes zu<br />
Ende, indem sie dieses Buch über «Paestum», die Schrift «Die Harmonie der Welt», die siebente<br />
Broschüre in der Reihe «Beiträge zur harmonikalen Grundlagenforschung» und<br />
schliesslich das gewichtige posthume Werk «Orphikon» vorstellt. Nimmt man die fünf Einleitungstexte<br />
zusammen, erhält man eine vorzügliche Gesamtschau über das Lebenswerk<br />
<strong>Hans</strong> Kaysers. Es würde sich wohl lohnen, eine Zusammenstellung der wichtigsten<br />
Abschnitte dieser Texte dem deutschsprachigen Leser zugänglich zu machen.<br />
Am Schluss ihrer Einleitung zum vorliegenden «Quaderno» erwähnt die Herausgeberin das<br />
sehr befremdende Schicksal des «<strong>Hans</strong> Kayser-Instituts für harmonikale Grundlagenforschung<br />
in Wien», das nach der Pensionierung Rudolf Haases unter der neuen Leitung Dr.<br />
Werner Schulzes in «Institut für harmonikale Forschung» – also ohne Erwähnung Kaysers<br />
– umgetauft wurde.<br />
Erfreulicherweise erwähnt Maria Franca Frola in ihrem Text den grossen Einsatz Walter<br />
Ammanns für die Verbreitung harmonikalen Gedankengutes. Interessant ist ferner ihr Hinweis,<br />
dass an der Universität Siena seit 1998 harmonikale Studien betrieben werden. In<br />
diesem Zusammenhang würde man gerne noch mehr über den Stand harmonikaler For-<br />
15
schung in Italien sowie über die Auswirkung der italienischen Übersetzung des «Lehrbuchs»<br />
erfahren.<br />
Dr. Charles Hummel<br />
Alexander Lauterwasser:<br />
Klänge – Gestalten<br />
40 S., reich bebildert, Selbstverlag d.V.<br />
Bringt man dünne, mit feinem Sand bestreute Metallplatten mittels eines Violinbogens zum<br />
Klingen, entstehen mehr oder weniger komplexe symmetrische Zeichnungen: die sogenannten<br />
«chladnischen Klangfiguren». Diese zeigen Strukturen wie sie in Gesteinen,<br />
Kristallen, Sanddünen, Panzern von Schildkröten und ungezählten anderen Naturformen<br />
erscheinen. Seit vielen Jahren erforscht Alexander Lauterwasser diese faszinierenden<br />
Wechselbeziehungen zwischen Klängen und geometrischen oder organischen Formen. Er<br />
hat die Experimente mit Metallplatten auf Untersuchungen der Wirkung von Schallwellen<br />
auf Wassertropfen erweitert. Dabei haben sich ebenfalls höchst überraschende Gestaltungsprozesse<br />
gezeigt. Durch die «in das Wasser einwirkende Musik wird ein ständig<br />
wechselndes, sich verwandelndes Muster von Oberflächenwellen erzeugt».<br />
Alexander Lauterwasser hat mehrere Ausstellungen zu den Themen «Klänge – Gestalten»,<br />
«Welt im Tropfen», «Wasser-Klang-Bilder» organisiert. Die vorliegende Publikation ist als<br />
Beiheft zu einer dieser Ausstellungen entstanden. Das reich, zum Teil farbig illustrierte Heft<br />
vermittelt dank eines sehr klar formulierten Textes ein vielseitiges Bild des faszinierenden<br />
Phänomens der chladnischen Klangfiguren. Es erschliesst ganz neue Perspektiven zu<br />
einem der Grundthemen der Harmonik: die Wechselbeziehungen zwischen Klangphänomenen<br />
und natürlichen Strukturen.<br />
Dr. Charles Hummel<br />
Peter Klein:<br />
Der Bilderstern<br />
Spiel der Lebensmöglichkeiten.<br />
Ernen, Verlag Peter Klein, 2000, 277 S., 120 Bildkarten, Fr. 98.–<br />
Mit dem Bilderstern knüpft der Künstler Peter Klein an die Tradition der Kartenlosbücher<br />
an, die sich seit Anfang des sechzehnten Jahrhunderts nachweisen lassen: Im Mainzer<br />
Kartenlosbuch etwa, das um 1505 erschienen ist, sind den gebräuchlichen Spielkarten<br />
Sprüche zugeordnet, so dass Buch und Spiel sowohl der Belehrung und Unterhaltung<br />
dienen als auch als Orakelkarten und Schicksalsbuch benutzt werden können. Auch der<br />
Bilderstern umfasst als «Spiel der Lebensmöglichkeiten» einerseits 120 Bildkarten und<br />
anderseits ein Buch, welches die Bedeutung und Verwendung der Karten erläutert, eine<br />
Spielanleitung enthält und insgesamt über Tausend Sprichwörter und Aphorismen,<br />
Spruchtexte, Gedichtverse und weitere Zitate aus der Weltliteratur und dem Weisheitsschatz<br />
vieler Jahrhunderte in umsichtiger Anordnung und versehen mit Quellenangaben<br />
versammelt. Ist schon diese Zusammenstellung beeindruckend, spiegelt sie doch den weit<br />
gespannten Denkhorizont des Autors, und sind jene Karten faszinierend, weil sie wichtige<br />
Welt- und Lebensthemen aufgreifen und gestalten, so stellt die Verbindung von Bildern<br />
und Texten, wie sie das Spiel der Lebensmöglichkeiten vorsieht und ermöglicht, ein eigentliches<br />
Glasperlenspiel und damit einen interessanten Beitrag zur Harmonik dar.<br />
Die Idee des Glasperlenspiels besteht ja aus der Sicht Hermann Hesses darin, für alle<br />
Künste und Wissenschaften eine vermittelnde Zeichensprache zu verwenden, welche das<br />
Universum als Ganzes dem menschlichen Erleben und Verstehen erschliesst – in einer<br />
eigentlichen universitas litterarum. Mit der «Sprache» der Tonzahlen und der Verknüpfung<br />
von Zahlenproportionen und Tonintervallen hat die pythagoräische Harmonik eine solche<br />
16
universelle Zeichensprache entwickelt, sie aber vorrangig im angestammten Bereich von<br />
Mathematik und Musik wissenschaftlich zu sichern und nur am Rande auch spielerisch<br />
und künstlerisch – etwa in Gebiete von Literatur oder Tanz – zu erweitern versucht. Um so<br />
erfreulicher ist es, wenn nun ein Kunstwerk geschaffen wird, welches genau diese Erweiterung<br />
beinhaltet und sowohl als faszinierendes Glasperlenspiel verstanden als auch im<br />
Kontext der Harmonik gedeutet werden kann: Peter Klein nimmt zwar an keiner Stelle seines<br />
Werkes explizit auf die Harmonik oder das Glasperlenspiel Bezug, aber seine Gestaltung<br />
und Beschreibung des Bildersterns als Kosmo- und Psychogramm, als Panoptikum<br />
menschlicher Lebensschicksale wie auch als Universum des Welt- und Lebensganzen<br />
spricht in Verbindung mit den Hinweisen zur Verwendung der Bildkarten und Textdokumente<br />
und der Auswahl und Anordnung dieser reichhaltigen Sammlung eine deutliche<br />
Sprache. Hier geht es um Entsprechungen und Resonanzen, um die Verbindung von<br />
Unverbundenem und scheinbar Zusammenhanglosem, um den Versuch, die Zusammenhänge<br />
im Einzelnen hör- und sichtbar zu machen, zum Klingen zu bringen. In der Tat stellt<br />
die Welt des Bildersterns eine Art Resonanzraum dar, in welchem Bildanalogien und<br />
Textassoziationen spielerisch aufeinander bezogen und miteinander verknüpft werden<br />
können.<br />
All dies sind faszinierende Dimensionen eines einzigartigen «Spiels der Lebensmöglichkeiten»,<br />
welches sich durchaus in eine Reihe mit Tarot- und Orakelkarten, mit dem I Ging<br />
und anderen Weisheitsbüchern stellen lässt. Dabei haftet dem harmonikalen Kunstwerk –<br />
Textbuch und Bildkarten sind in einer Schachtel vereint und ergeben zusammen ein kunstvolles<br />
Ganzes – weder etwas Esoterisches an noch finden sich darin irgendwelche<br />
Dissonanzen oder Ungereimtheiten; vielmehr hat hier ein Künstler in aller Stille eine<br />
Gesamtschau vielfältiger Lebensthemen und -formen geschaffen, wie sie sonst nur aus<br />
vieljähriger Überlieferung und unter Beteiligung zahlreicher Autorinnen hervorgeht: Eine<br />
faszinierende Schau, ein grosses Werk und in der Tat ein Spiel der Lebensmöglichkeiten –<br />
der Bilderstern.<br />
Prof. Dr. Johannes Gruntz-Stoll<br />
Eugen Banauch:<br />
Stifter und Doderer<br />
Harmonik in erzählender Prosa. Harmonikales Denken, Bd. 2<br />
Wien, Wilhelm Braumüller Verlag, 2001, 102 S., Fr. 36.–/DM 36.–<br />
Bisherige Versuche harmonikaler Deutung von literarischen Werken haben sich in der<br />
Regel auf das Ab- und Auszählen von Laut- oder Silbenhäufigkeiten, von metrischen und<br />
sprachrhythmischen Aspekten oder gar von Wort- oder Satzquantitäten beschränkt – mit<br />
entsprechend eingeschränktem Erfolg; denn obschon sich literarische Texte immer auch<br />
durch ein kompositorisches Element und formale Qualitäten auszeichnen und darum auch<br />
in diesen Hinsichten deuten lassen, so besteht die Quintessenz eines literarischen Kunstwerks<br />
ja gerade in der Verbindung von Form und Inhalt zu einem Ganzen, welches bei der<br />
Leserin oder beim Hörer jene Begeisterung und Faszintation auszulösen vermögen, welche<br />
das Hier und Jetzt in den Hintergrund treten lassen – zugunsten des Überzeitlichen<br />
und Ortsgebundenen des literarischen Werks. Auf dem Wege harmonikaler Textinterpretation<br />
habe ich mit meiner kleinen Arbeit über «Harmonik – Sprache des Universums» ein<br />
paar tastende Schritte unternommen, welche Motive und Figuren ebenso in den Deutungshorizont<br />
rücken wie etwa Anfangs-, Kern- und Schlüsselsätze oder andere ausgezeichnete<br />
Textstellen, in und aus denen das jeweilige Textganze sich wieder entdecken<br />
und erschliessen lässt; meine Interessen galten dabei unter anderem den Spielformen,<br />
welche harmonikale Resonanzen erfahrbar machen.<br />
In eine andere, nicht weniger lohnende Richtung dringt Eugen Banauch vor, wenn er sich<br />
im ersten kürzeren Teil seiner Studie mit «Stifters ‘Nachsommer’ in harmonikaler Perspek-<br />
17
tive» befasst und damit eine in den sechziger Jahren geschriebene Arbeit aufgreift und in<br />
den Grundlinien nachzeichnet. Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Arbeit setzt sich<br />
einerseits mit den ‘Proportionen im Gesamtaufbau’ von Stifters ‘Nachsommer’ auseinander,<br />
geht auf ‘Symbolik und Analogiedenken in den inhaltlichen Bereichen’ ein und erörtert<br />
«Stifters ‘Mitte’ als harmonikal deutbares Phänomen»; während die Ausführungen zur<br />
‘Mitte’ über numerische Deutungen und Berechnungen hinausgehen, bleiben die Überlegungen<br />
zum Gesamtaufbau meines Erachtens allzu sehr im Bereiche der Zahlen und Proportionen<br />
stecken, wenn etwa Seitenzahlen verschiedener Stifterausgaben verglichen und<br />
Kapitellängen ausgemessen werden. Solchen Interpretationen liegt ein einengendes Verständnis<br />
dessen zu Grunde, was Harmonik als Kunst und Wissenschaft umfasst; bedauerlich<br />
ist darum auch der vergleichsweise schmale Bestand an harmonikaler Literatur, welche<br />
der Autor für seine Studie beigezogen hat.<br />
Während also der erste kürzere Teil nur teilweise überzeugt, kommen in den beiden anderen<br />
Teilen «Doderers Romantheorie» und «Doderers Praxis in harmonikaler Perspektive»<br />
zur Sprache: Hier zeigt sich nicht nur der Autor als fundierter Kenner der Werke Heimito<br />
von Doderers, sondern das literarische Gesamtwerk des österreichischen Autors erweist<br />
sich als geradezu prädestiniert für eine harmonikale Deutung, denn offenbar ist es von<br />
Doderer selbst, der die Gestaltung der literarischen Formen in Entsprechung zu musikalischen<br />
Kompositionen deutet und damit seine Werke dem Geist der Musik und der Macht<br />
der Töne, der Welt des Melos und der Harmonie zu- und unterordnet. Soviel musikalisches<br />
Gestalten und literarisches Komponieren lassen eine Interpretation im Horizont einer weiter<br />
gefassten Harmonik zu und führen zu faszinierenden Einsichten und Ausblicken – ins<br />
literarische Kunstschaffen, auf Sonaten- und Rondoformen, auf harmonikale Metaphern<br />
und auf eine musikalische Poetik.<br />
Obwohl Eugen Banauch in bescheidener Zurückhaltung feststellt: «Freilich – ich habe nicht<br />
mehr zu bieten als Aspekte», so erschliesst seine ebenso geistreiche wie umsichtige Studie<br />
ungewohnte Zugänge zu literarischen Texten und erlaubt zugleich weitere Schritte auf<br />
dem Weg zu einer Harmonik, welche literarische Werke nicht nur vermisst und berechnet<br />
oder auf Zahlen und Proportionen reduziert, sondern Form und Inhalt gleichermassen und<br />
als Ganzes betrachtet und harmonikal deutet. Dabei geht es weniger um die Verbindung<br />
von Musik und Sprache als vielmehr um einen weitgespannten Deutungshorizont, in welchem<br />
sich Harmonik und Literatur begegnen – zu eigentlichen Kunst-Werken.<br />
Prof. Dr. Johannes Gruntz-Stoll<br />
Katharina Burgstaller:<br />
Symmetrien und Tonzahlen<br />
Harmonikale Betrachtungen zu Platonischen, Archimedischen und Rhombenkörpern.<br />
München, Wien 1991, 2001<br />
«Und die Welt hebt an zu singen, findest du nur das Zauberwort.»<br />
Katharina Burgstaller hat sich von klingenden Namen und deren Trägern (Haase, Schulze,<br />
Glas, Neubäcker) inspirieren lassen, platonische Körper und nahe Verwandte zu verzaubern<br />
und in einen Singkurs zu schicken. Wir dürfen als Betrachter und Hörer dieser Singszene<br />
mitlernen und uns schliesslich nach einigen Seiten Lektüre an den entstandenen<br />
Klängen freuen.<br />
Allerdings, dies sei nicht verschwiegen, dürften diese Körper wohl auch noch einen Fortgeschrittenenkurs<br />
absolvieren und versuchen, auch ihre Symmetriegruppen und deren<br />
Untergruppen ins Singspiel mitzunehmen.<br />
Der Kurs beginnt mit der Vorstellung der Teilnehmer, es sind deren 24 Körper. Einige haben<br />
Namen, die schwierig auszusprechen sind, so etwa der oder das Thombenikosidodekaeder,<br />
dem man wenig Singbegabung zutraut.<br />
18
Allesamt werden sie aus der Kugel herausgenommen. Einzelne Teilnehmer verwandeln<br />
sich aber bald in andere Teilnehmer, indem ihnen kunstgerecht Ecken oder auch Kanten<br />
abgeschnitten werden. Das tut nicht weh. Ein Stammbaum am Schluss des Heftes zeigt<br />
die ganze Gesellschaft in ihren Verwandtschaftsverhältnissen.<br />
Im Vorstellungsgespräch kommen Eigenschaften zur Sprache, die eine musikalische<br />
Begabung verraten: Anzahl Ecken, Anzahl Flächen, Anzahl Kanten, Anzahl Symmetrieebenen,<br />
Anzahl Ecken pro Fläche, Anzahl Kanten pro Ecke.<br />
Dadurch verwandelt sich Geometrie in Zahlenlehre, und dadurch beginnt Geometrie zu<br />
klingen.<br />
Wie klingt beispielsweise die Zahl 6? Sie, die arithmetische Haupteigenschaft des Würfels,<br />
sucht sich ein Monochord zwecks Naturton-Verkörperung. Die in Frage kommende<br />
Geburtshelferin Katharina Burgstaller teilt eine ganze Monochord-Saite von 120 cm Länge<br />
in 6 Teile. Nun erklingt, vom Grundton C ausgehend, der Oberton g mit der Nummer 6, auf<br />
einer Länge von 20 cm.<br />
Allgemein gesagt: Jede Zahl n erwartet, dass man ihr eine Wiege bereitstellt, die so lang<br />
ist wie der n-te Teil der Saite. Auf diese Weise beginnen die sechs Zahlen in der oben angegebenen<br />
Reihenfolge ihr musikalisches Leben.<br />
Das heisst aber, dass sich jeder Körper mit sechs Natur-Tönen zum Ausdruck bringt, so<br />
seine Naturbegabung verratend. Von etwaigem Geschrei, wie man es sich bei Menschen<br />
gewohnt ist, kann keine Rede sein, da die Neugeborenen gemäss einer vierseitigen Partitur<br />
sehr leise und langsam singen, sozusagen nachhal(l)tig.<br />
Legt man Wert auf einen Gesamtauftritt unseres platonisch-archimedischen Chores, wären<br />
tatsächlich 144 Einzeltöne zu hören. Rechne 24 mal 6! Ich denke, mit einem solchen Resultat<br />
darf unsere Autorin zufrieden sein und uns heute mit grosser Freude an Körper-Musikalitäten<br />
zurücklassen. Morgen aber holen wir uns ein Monochord!<br />
<strong>Hans</strong>jürg Lengacher<br />
WEGE ZUR HARMONIK<br />
Rudolf Stössel<br />
Schriften über Harmonik <strong>Nr</strong>. 15, Bern 1987, Format 17x23,5 cm, 86 S.,<br />
über 100 Abbildungen, broschiert, Fr. 27.–<br />
Die Harmonik ist eine Wissenschaft, die die Dinge mit dem Herzen versteht und mit<br />
dem Verstand empfindet. Alle harmonikalen Grössen können nicht nur gemessen<br />
und gezählt, nicht nur angeschaut, sondern auch angehört werden.<br />
HANS KAYSER – Aus meinem Leben<br />
Schriften über Harmonik <strong>Nr</strong>. 26<br />
200 S., 28 Abb., br., Bern 2000, Fr. 24.–<br />
Die rückhaltlose Offenheit in den beiden autobiographischen Fragmenten, die Ergänzungen<br />
durch seine Frau und verschiedene Briefwechsel mit Mäzenen und Freunden machen<br />
das Buch zu einer Fundgrube über den Menschen <strong>Hans</strong> Kayser. Im Gesuch an den Nationalfonds<br />
und auch andernorts wird sodann seine Harmonik auf engstem Raum zusammengefasst.<br />
Gottfried Bergmann<br />
19
KREIS DER FREUNDE UM HANS KAYSER BERN W. AMMANN, Biderstr. 31, CH-3006 Bern Tel. 031-931 12 78<br />
Postkonten: Bern 30-12710-8 / Postkonto internat.: <strong>Nr</strong>. 91-13879-4 / D-60288 Frankfurt/M. 300453605 – BLZ 500 100 60<br />
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Ex. SCHRIFTEN ÜBER HARMONIK Fr. Euro<br />
… <strong>Nr</strong>. 17: RUDOLF STÖSSEL: Harmonikale Faszination, 166 S., über 100 Fig., br., 2. Aufl. 1986 26.– 17.–<br />
… <strong>Nr</strong>. 10: ANDRE M. STUDER: Kriterien einer integralen Architektur. Werk und Transzendenz.<br />
Anhang: Von der Idee zur Gestalt, 64 S., 44 Abb., br., 1984 118.– 11.80<br />
… <strong>Nr</strong>. 11: RUDOLF HAASE: Zur Gesch. der Harmonik (Platon, Bahr, Hauer, Hesse), 76 S., br., 1984 16.– 10.40<br />
… <strong>Nr</strong>. 12: JULIUS SCHWABE: Die Harmonik als schöpferische Synthese, 90 S., 25 Abb., br., 1985 17.– 11.10<br />
… <strong>Nr</strong>. 14: DIETER KOLK: Harmonik und Psychologie, 68 S., 12 Abb., br., 1985 112.– 7.80<br />
… RUDOLF STÖSSEL: Kleine Einführung in die Harmonik, 20 S., 5 Abb., br., 1984 2 115.– 3.30<br />
… <strong>Nr</strong>. 15: RUDOLF STÖSSEL: Wege zur Harmonik, 86 S., über 100 Abb., br., 1987 127.– 17.70<br />
… <strong>Nr</strong>. 17: RUDOLF HAASE: 20 Jahre H. Kayser-Inst. für harm. Grundlagenforschung, 68 S., br., 1988 113.– 8.50<br />
… <strong>Nr</strong>. 18: ANDRE M. STUDER: Vernimm das Lied des Alls in Dir! Einführung in die Harmonik, 144 S.,<br />
147 Abb., br., 1990 133.– 21.60<br />
… ANDRE M. STUDER: Manu (Zukunftsroman), 750 S., geb., Stäfa 1996 169.– 45.20<br />
… ANDRE M. STUDER: Das inwendige Tagebuch, 146 S., br., Stäfa 2000 25.– 16.60<br />
... <strong>Nr</strong>. 18: ANDRE M. STUDER: Inwendiges Tagebuch, br., Stäfa 2001 25.–<br />
… <strong>Nr</strong>. 19: DIETER KOLK: Zahl und Qualität, Abhandl. zur Harmonik <strong>Hans</strong> Kaysers, 456 S., br., 1995 166.– 43.–<br />
… <strong>Nr</strong>. 20: KAYSER, LÜTHI, STÖSSEL: Hesses Glasperlenspiel und die Harmonik, 38 S., 1990 115.– 3.30<br />
… <strong>Nr</strong>. 21: WALTER AMMANN: <strong>Hans</strong> Kayser, Biogr. Fragmente, 72 S., 27 Abb., br., 1991 115.– 9.80<br />
… <strong>Nr</strong>. 22: LOTTI SANDT: H.H. <strong>Jahnn</strong>, Zur Literatur, Harmonik u. Weltanschauung, 92 S., geb., 1997 18.– 11.80<br />
… <strong>Nr</strong>. 22: LOTTI SANDT: Mythos u. Symbolik im Zauberberg von Th. Mann, 365 S., 40 Abb., br.,<br />
Haupt Bern 1979 statt 45.– 25.– 16.60<br />
… <strong>Nr</strong>. 23: GERTRUD HOFER: Die Bedeutung der Musik in Mythen und Märchen, 44 S., br., 1998 15.– 9.80<br />
… <strong>Nr</strong>. 24: CHARLES HUMMEL: Pythagoras und die Schule von Chartres, 66 S., 13 Abb., br., 1998 18.– 11.80<br />
… <strong>Nr</strong>. 25: JOH. GRUNTZ-STOLL: Harmonik – Sprache des Universums, 152 S., 27 Abb., br., 2000 28.– 18.30<br />
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erscheinen jährlich zweimal 15.– 10.–<br />
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Fotokopie, sorgfältig geb. 450.– 295.–<br />
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… HANS KAYSER: Der hörende Mensch, 368 S., 79 z.T. aufklappbare Tafeln, Repr., Stuttgart 1993 1<strong>48</strong>.– 97.–<br />
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… RUDOLF HAASE: Harmonikale Synthese, 96 S., 22 Abb., br., Wien 1980 132.– 21.30<br />
… URSULA HAASE: Der Briefwechsel <strong>Hans</strong> Kaysers, 72 S., br., Wien 1973 123.50 15.40<br />
… PAUL von NAREDI-RAINER: Architektur u. Harmonie, 312 S., 139 Abb., br., Köln 1999 6 40.– 26.–<br />
… HELMUT REIS: Harmonie und Komplementarität, 272 S., reich bebildert, Ln., Bonn 1983 161.– 40.–<br />
… HELMUT REIS: 100 Jahre Balmerformel, 74 S., 34 Abb., br., Bonn 1985 123.30 15.30<br />
… HELMUT REIS: Der Goldene Schnitt, 190 S., Ln., Bonn 1990 1<strong>48</strong>.– 31.50<br />
… HELMUT REIS: Natur und Harmonik, 492 S., 200 Abb., Ln., Bonn 1993 110.– 72.–<br />
… OTTO SCHÄRLI: Werkstatt des Lebens, Durch die Sinne zum Sinn, 168 S., geb., Aarau 1995 2 142.– 27.50<br />
… WALTER AMMANN: Baustilkunde von den Griechen bis zum Barock, 90 S., 180 Abb., Bern 2001 11 118.50 12.10<br />
… WALTER AMMANN: Baustilkunde vom Klassizismus bis heute, 120 S., 160 Abb., 10 Tfn, Bern 1998 4 118.50 12.10<br />
… PAUL ADAM + ARNOLD WYSS: Platonische u. archimedische Körper, 136 S., 550 Abb., 15 Vorlagen<br />
für Modelle einschl.: Die Sonderlinge, Bern u. Stuttgart, geb., 1984 2 165.– 42.60<br />
… KARL LEDERGERBER: Mit den Augen des Herzens, 128 S., Herder-Tb., 1988 118.90 5.90<br />
… KARL LEDERGERBER: Christoffels Auferstehung, 116 S., 26 Abb., geb., statt Fr. 22.50 NUR 115.– 9.80<br />
… KARL LEDERGERBER: Altes Leben – Neues Ziel, 112 S., br., Freiburg 1994 121.– 13.80<br />
… GOTTFRIED BERGMANN: Pflanzenstudien Heft 1, 78 S., über 100 Abb., geb., print edition 1997 40.– 26.20<br />
… GOTTFRIED BERGMANN: Pflanzenstudien Heft 2, 50 S., 57 Abb., print ed. 1998 20.– 13.10<br />
… GOTTFRIED BERGMANN: Evolution des Menschlichen, 90 S., 200 Abb., br., Freier päd. Arbeitskreis<br />
2001 28.– 18.30<br />
… TONIUS TIMMERMANN: Musen u. Menschen, Musik in Selbsterfahrung+Therapie. 172 S., br., 1998 26.60 17.40<br />
... FRANZ NÄF: Das Monochord, 178 S., über 70 Tab. u. Abb., br., Bern 1999 46.– 30.10<br />
… PETER M. HAMEL: Durch Musik zum Selbst, 250 S., br., 5. Aufl., Kassel 1989 17.– 11.10<br />
… ERNST WALDEMAR WEBER: Die vergessene Intelligenz, die Musik im Kreis der menschlichen<br />
Anlagen, 135 S., br., PAN-Verlag Zürich, 1999 38.– 25.–<br />
… GYÖRGY DOCZI: Die Kraft der Grenzen, Harmonische Proportionen in Natur, Kunst und Architektur,<br />
167 S., unzählige Abb., Engel, Stuttgart 1996 60.–<br />
... ALEXANDER LAUTERWASSER: 40 S., reich illustriert, Selbstverlag<br />
... Sonja Ulrike Klug: Kathedrale des Kosmos (Chartres), 224 S., reich bebildert, Atlantis, München 2001 42.20<br />
... EUGEN BANAUCH: Stifter und Doderer, Harmonik in erzählender Prosa, 102 S., Wien 2001 36.–<br />
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