Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 354 (4) Zur Rolle der Informiertheit und Beratung über das gemeinsame Sorgerecht Vor allem Väter scheinen nur unzureichend über die rechtlichen Optionen informiert zu sein bzw. überlassen die Behördenarbeit eher den Frauen. Dies wird zumindest als Grund gegen die Abgabe der Sorgeerklärungen angeführt. Auch hinsichtlich des Wissens über die Ausgestaltung des gemeinsamen Sorgerechts bestehen Unklarheiten. Vor allem wird der Bereich unterschätzt, der weiterhin der eigenen Entscheidungsbefugnis unterliegt. Insofern erscheint es sinnvoll, den Informations- stand der Eltern erstens zum Sorgerecht selbst und zweitens zum Zusammenhang zwischen Sorgerecht und Sozialleistungen zu verbessern, um nicht intendierte Gegeneffekte zu vermeiden (z. B. Aufrechterhaltung separater Haushalte nach Geburt des Kindes aus Angst vor finanziellen Nachteilen). Hochrelevant ist der Zeitpunkt der Sorgeerklärung. Vor der Geburt eines Kindes sind formale Akte noch ein relevanter Deutungsrahmen, nach der Geburt des Kindes sind die Eltern teilweise überrollt von der konkreten Lebensrealität. So geben die Eltern, die überhaupt Sorgeerklärungen abgeben, diese auch vielfach vor Geburt des Kindes bzw. bis maximal zwei Monate nach Geburt des Kindes ab. Ein Beratungsangebot über das Sorgerecht sollte daher möglichst vor der Geburt erfolgen und verstärkt Väter ansprechen. Die Befunde zum Kontakt mit den Urkundspersonen lassen eine unüberbrückbare Lücke zwischen dem romantischen Empfinden junger Eltern und der Deutung der Sorgeerklärung als gemeinsame Familiengründung einerseits und dem teilweise recht informellen, nüchternen oder unfeierlichen Rahmen andererseits erkennen. Eine Ritualisierung des Procederes bei Abgabe der Sorgeerklärung könnte der Selbstwahrnehmung der Paare näher kommen. Der Fokus der Sorgeerklärung läge mithin auf der Familiengründung statt der nüchternen Abgabe einer Willenserklärung in einer Behörde. Im Belehrungsprozess wird teilweise massiv auf die Konsequenzen des Scheiterns einer Verbindung eingegangen. Eine positive Ausrichtung – auch in einer vorangehenden Beratung – auf die geteilte elterliche Verantwortung, die Entlastung bei gemeinsamem Sorgerecht und auf eine Absicherung für den „Streitfall“ könnte hier zu einer höheren Bereitschaft für die Sorgeerklärung führen. Beides (die Beschreibung des unfeierlichen Rahmens und die Fokussierung auf negative Konsequenzen des Sorgerechts) deckt sich mit den Ergebnissen der Experteninterviews. Die hohe Arbeitsbelastung und die vielfältigen Aufgaben der Urkundspersonen, die in der Berufsrealität vorwiegend Mütter beraten und unterstützen und dabei vielfach mit Vätern konfrontiert sind, die sich z. B. Unterhalts- pflichten entziehen, und daher ein möglicherweise verzerrt negatives Bild von Vätern

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 355 haben, können diesen Effekt verursachen oder begünstigen. Dem wäre durch geeignete Schulungen entgegen zu wirken. (5) Gesamtbewertung Insgesamt wird deutlich, dass die Entscheidung nicht miteinander verheirateter Eltern für das gemeinsame Sorgerecht an verschiedenen Bedingungen geknüpft ist bzw. durch mehrere Faktoren erleichtert oder behindert wird, die aus Perspektive des Gesetzes nicht alle als gleichermaßen relevant gelten. Aus Sicht der Eltern stehen alltagspraktische Erwägungen der Verantwortungs- und Pflichtenübernahme im Vordergrund. Hierbei kommt der Tragfähigkeit der Partnerschaft eine zentrale Bedeutung als Garant einer verlässlichen Kooperationsbasis zu. Die Entkoppelung von Ehe und Elternschaft, die sich in den berichteten Befunden abzeichnen, scheint also nicht auch eine durchgängige Entkoppelung von Partnerschaft und Elternschaft zu implizieren. Vor allem – aber nicht nur – für getrennt lebende Eltern können sich manifeste Gründe ergeben, nicht mit dem anderen Elternteil die gemeinsame Sorge auszuüben. Dabei lässt sich aus den berichteten Befunden nicht übergreifend bestätigen, dass nur das Kindeswohl ausschlaggebender Faktor für die Entscheidungen zum Sorgerecht ist. Familien sind, so bestätigen es die vorliegenden Ergebnisse, komplexe Bedingungsgeflechte, Herstellungsleistungen und ein Zusammentreffen unterschiedlicher Interessenlagen, in denen das Sorgerecht ein Merkmal von vielen darstellt. Mithin ist auch die Reduktion der rechtlichen Konstruktion der Sorge, beispielsweise auf das Kindeswohl, womöglich nicht der einzig relevante Anknüpfungspunkt.

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 355<br />

haben, können diesen Effekt verursachen oder begünstigen. Dem wäre durch<br />

geeignete Schulungen entgegen zu wirken.<br />

(5) Gesamtbewertung<br />

Insgesamt wird deutlich, dass die Entscheidung <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern<br />

für das gemeinsame <strong>Sorgerecht</strong> an verschiedenen Bedingungen geknüpft ist bzw.<br />

durch mehrere Faktoren erleichtert oder behindert wird, die aus Perspektive des<br />

Gesetzes <strong>nicht</strong> alle als gleichermaßen relevant gelten. Aus Sicht der Eltern stehen<br />

alltagspraktische Erwägungen der Verantwortungs- und Pflichtenübernahme im<br />

Vordergrund. Hierbei kommt der Tragfähigkeit der Partnerschaft eine zentrale<br />

Bedeutung als Garant einer verlässlichen Kooperationsbasis zu. Die Entkoppelung<br />

von Ehe und Elternschaft, die sich in den berichteten Befunden abzeichnen, scheint<br />

also <strong>nicht</strong> auch eine durchgängige Entkoppelung von Partnerschaft und Elternschaft<br />

zu implizieren.<br />

Vor allem – aber <strong>nicht</strong> nur – für getrennt lebende Eltern können sich manifeste<br />

Gründe ergeben, <strong>nicht</strong> mit dem anderen Elternteil die gemeinsame Sorge<br />

auszuüben. Dabei lässt sich aus den berichteten Befunden <strong>nicht</strong> übergreifend<br />

bestätigen, dass nur das Kindeswohl ausschlaggebender Faktor für die<br />

Entscheidungen zum <strong>Sorgerecht</strong> ist. Familien sind, so bestätigen es die vorliegenden<br />

Ergebnisse, komplexe Bedingungsgeflechte, Herstellungsleistungen und ein<br />

Zusammentreffen unterschiedlicher Interessenlagen, in denen das <strong>Sorgerecht</strong> ein<br />

Merkmal von vielen darstellt. Mithin ist auch die Reduktion der rechtlichen<br />

Konstruktion der Sorge, beispielsweise auf das Kindeswohl, womöglich <strong>nicht</strong> der<br />

einzig relevante Anknüpfungspunkt.

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