Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 340 9.4 Vergleich ASD und Beurkundungsstelle Erkenntnisgewinn zur Beratungspraxis bezüglich des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern verspricht der Vergleich der Mitarbeiter/innen des ASD und der Urkundspersonen. Die Arbeitsbereiche dieser beiden Akteursgruppen gestalten sich gänzlich unterschiedlich, was bereits für ihre Ausbildungen zutrifft. Die Urkundspersonen sind zumeist Verwaltungswissenschaftler/innen, wohingegen die ASD-Berater eine sozialpädagogische Ausbildung absolviert haben. Eine eingehende Beratung bezüglich des gemeinsamen Sorgerechts bei nicht miteinander verheirateten Eltern findet weder an der einen noch an der anderen Stelle routinemäßig und alltäglich statt, sondern bleibt die Ausnahme. Die Urkundspersonen befinden sich in einem (meist nicht wahrgenommenen) Dilemma, weil es ihre Aufgabe ist, die Elternpaare über die gemeinsame Sorge zu belehren und nicht zu beraten. Die Belehrung soll neutral gehalten werden. In der geschilderten Praxis lässt sich diese Neutralität aber nicht gewährleisten, da die faktischen Inhalte der Belehrung, aufgrund des Fokus auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wie eine Warnung vor der geS wirken. Es wird drauf hingewiesen, dass die Mütter, wenn sie mit dem Vater die geS erklären, nicht mehr frei über ihren Wohnort und den des Kindes bestimmen dürfen. Der Fokus der gemeinsamen Sorge liegt mithin nicht auf dem Lebensalltag junger Familien sondern der Entscheidungsverantwortung, insbesondere in Konfliktfällen. Außerdem ist es Aufgabe der Urkundsperson, den Willen der Mutter zu erforschen. Dies lässt sich nicht ohne Gespräch mit beratendem Charakter durchführen. Die Beamten/Beamtinnen finden sich also in Situationen wieder, auf die sie nicht vorbereitet sind, und müssen sich auf ihre persönliche Erfahrung und Menschenkenntnis verlassen. Eine im Wortsinn neutrale Belehrung ist vor diesem Hintergrund schwer möglich. Eine andererseits professionelle Beratungshaltung wird ebenfalls erschwert. Im Vergleich dazu beraten die Sozialpädagogen beim ASD nach professionellen Richtlinien hauptsächlich in den Bereichen Erziehung, Trennung und Scheidung, Kinder- und Jugendschutz. Ihre Beratungen sind eingehend und zielen auf Aktivierung bzw. Hilfe zur Selbsthilfe ab. Das Thema Sorgerecht wird nur am Rande tangiert, da es vor allem um die Gestaltung von Umgang, den Ablauf der Trennung und die Weitervermittlung zu anderen Hilfeakteuren geht. Im Vergleich beider Akteursgruppen zeigt sich ein ausgeprägt unterschiedliches Verständnis des gemeinsamen Sorgerechts:

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 341 Die Urkundspersonen stehen der geS eher skeptisch gegenüber und sehen überwiegend die Nachteile, die es für die alleinerziehende Mutter hat. Sie sehen diese als in der Praxis Hauptzuständige für die Kinder und sind eher dem Bild verhaftet, dass das Sorgerecht Recht der Mutter sei, das sie durch die Erklärung der geS aufgibt. Sie haben verstärkt im Blick, dass die Hauptarbeit und –verantwortung nach ihrer Erfahrung bei der Mutter liegt, als bei dem Elternteil, bei dem das Kind überwiegend lebt. Daher geben sie den Müttern auch oft den Rat, erstmal abzuwarten und zu prüfen, ob der Vater seine Vaterrolle auch ausfüllt. Wenn er dies nicht tue, so brächte die geS viele Nachteile für die Mutter mit sich, vor allem was die alltägliche Handlungsfähigkeit betrifft. Verstärkt wird diese Haltung auch durch ihre beruflichen Erfahrungen als Beistände und Vormünder. Hier haben sie mit Vätern zu tun, die die Vaterschaft abstreiten, den Unterhalt nicht bezahlen und den Müttern den Alltag erschweren. Nur zu häufig erleben sie, wie glücklich wirkende Paare die geS erklären und kurze Zeit später erfolgt die Trennung und die Mutter „steht heulend im Gang“ und bedauert diesen Schritt zutiefst. Die Sozialpädagoginnen und der Sozialpädagoge hingegen streben eine engagierte Elternschaft an und möchten mit ihren Maßnahmen die Väter – wenn möglich – stärken. Sie sehen daher die geS als Mittel, die Elternverantwortung gerechter aufzuteilen. Sie betonen auch die Entlastung (meist) der Mutter, durch das gemeinsame Erziehen und Betreuen des Kindes. Zwar erleben auch sie in ihrer Praxis Fälle von Familien in schwierigen Lebenslagen, in denen die Väter z. B. keinen Kontakt zu ihren Kindern suchen. Aber sie sehen gleichermaßen die umgekehrten Fälle, wenn Männer als erziehungskompetente Väter auftreten, die im Falle eines Ausfalls der Mutter die wichtigste Ressource für das Kind darstellen. Neben den Unstimmigkeiten gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten: ASD-Berater/innen und Urkundspersonen sind sich weitgehend einig darüber, dass die geS nicht für alle Eltern geeignet ist, da sie Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit voraussetzt. Gerade in Trennungsphasen, wenn die Verletzungen der Trennung noch sehr präsent sind, schaffen es viele Eltern nicht, die Eltern- von der Paarebene zu trennen. Das Familienbild mit gleichberechtigten, kommunikationsfreudigen Eltern, hat hier mit dem Alltag der Familien nichts zu tun. Sowohl Urkundspersonen als auch Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen erleben in ihrer Praxis die Sorgerechtsregelung nur insofern als kindeswohlrelevanten Aspekt, als dass es bei der geS in erster Linie um Fragen der alltäglichen Verantwortung für das Wohl des Kindes geht. Beschränkt man sich auf manifeste kindeswohlgefährdende Vorkommnisse (z. B. Gewalt, Drogenmissbrauch) so besteht für beide Berufsgruppen kein direkter Zusammenhang zur Nicht-Abgabe der Sorgeerklärungen der Eltern. Dies liegt daran,

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 341<br />

Die Urkundspersonen stehen der geS eher skeptisch gegenüber und sehen<br />

überwiegend die Nachteile, die es für die alleinerziehende Mutter hat. Sie sehen<br />

diese als in der Praxis Hauptzuständige für die Kinder und sind eher dem Bild<br />

verhaftet, dass das <strong>Sorgerecht</strong> Recht der Mutter sei, das sie durch die Erklärung der<br />

geS aufgibt. Sie haben verstärkt im Blick, dass die Hauptarbeit und –verantwortung<br />

nach ihrer Erfahrung bei der Mutter liegt, als bei dem Elternteil, bei dem das Kind<br />

überwiegend lebt. Daher geben sie den Müttern auch oft den Rat, erstmal<br />

abzuwarten und zu prüfen, ob der Vater seine Vaterrolle auch ausfüllt. Wenn er dies<br />

<strong>nicht</strong> tue, so brächte die geS viele Nachteile für die Mutter mit sich, vor allem was die<br />

alltägliche Handlungsfähigkeit betrifft. Verstärkt wird diese Haltung auch durch ihre<br />

beruflichen Erfahrungen als Beistände und Vormünder. Hier haben sie mit Vätern zu<br />

tun, die die Vaterschaft abstreiten, den Unterhalt <strong>nicht</strong> bezahlen und den Müttern den<br />

Alltag erschweren. Nur zu häufig erleben sie, wie glücklich wirkende Paare die geS<br />

erklären und kurze Zeit später erfolgt die Trennung und die Mutter „steht heulend im<br />

Gang“ und bedauert diesen Schritt zutiefst.<br />

Die Sozialpädagoginnen und der Sozialpädagoge hingegen streben eine engagierte<br />

Elternschaft an und möchten mit ihren Maßnahmen die Väter – wenn möglich –<br />

stärken. Sie sehen daher die geS als Mittel, die Elternverantwortung gerechter<br />

aufzuteilen. Sie betonen auch die Entlastung (meist) der Mutter, durch das<br />

gemeinsame Erziehen und Betreuen des Kindes. Zwar erleben auch sie in ihrer<br />

Praxis Fälle von Familien in schwierigen Lebenslagen, in denen die Väter z. B.<br />

keinen Kontakt zu ihren Kindern suchen. Aber sie sehen gleichermaßen die<br />

umgekehrten Fälle, wenn Männer als erziehungskompetente Väter auftreten, die im<br />

Falle eines Ausfalls der Mutter die wichtigste Ressource für das Kind darstellen.<br />

Neben den Unstimmigkeiten gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten:<br />

ASD-Berater/innen und Urkundspersonen sind sich weitgehend einig darüber, dass<br />

die geS <strong>nicht</strong> für alle Eltern geeignet ist, da sie Konflikt- und<br />

Kommunikationsfähigkeit voraussetzt. Gerade in Trennungsphasen, wenn die<br />

Verletzungen der Trennung noch sehr präsent sind, schaffen es viele Eltern <strong>nicht</strong>, die<br />

Eltern- von der Paarebene zu trennen. Das Familienbild mit gleichberechtigten,<br />

kommunikationsfreudigen Eltern, hat hier mit dem Alltag der Familien <strong>nicht</strong>s zu tun.<br />

Sowohl Urkundspersonen als auch Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen<br />

erleben in ihrer Praxis die <strong>Sorgerecht</strong>sregelung nur insofern als<br />

kindeswohlrelevanten Aspekt, als dass es bei der geS in erster Linie um Fragen der<br />

alltäglichen Verantwortung für das Wohl des Kindes geht.<br />

Beschränkt man sich auf manifeste kindeswohlgefährdende Vorkommnisse (z. B.<br />

Gewalt, Drogenmissbrauch) so besteht für beide Berufsgruppen kein direkter<br />

Zusammenhang zur Nicht-Abgabe der Sorgeerklärungen der Eltern. Dies liegt daran,

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