Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 338 Eine Befragte betont besonders, dass das Sorgerecht nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten umschließe. Die geS gilt überwiegend als Gewinn für das Kind, da beide Eltern dafür Verantwortung übernehmen. Beschrieben werden Entlastung und Hilfe, z. B. bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die der hauptsächlich betreuende Elternteil (meist die Mutter) durch den anderen sorgeberechtigten Elternteil erfährt. Allerdings besteht nach Ansicht der Befragten auch die Gefahr, dass die geS auch in der Beratung zuwenig mit den alltäglichen kindbezogenen Handlungen in Verbindung gebracht wird. Teilweise wird sie zu sehr auf das Recht, Entscheidungen zu treffen, reduziert. Es kann der Eindruck entstehen, der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, könne Entscheidungen des alltäglich sorgenden Elternteils untergraben. Für das Kindeswohl ungünstige Konstellationen Haben Mütter, die sich gegen die geS entscheiden, Gründe, die der Wahrung des Kindeswohls dienen sollen? Diese Frage lässt sich nach der inhaltlichen Analyse der Experteninterviews mit ASD-Berater/innen nicht abschließend zu beantworten. Aus den Experteninterviews lassen sich jedoch drei Punkte herausfiltern, die unter Kindeswohlgesichtspunkten relevant sind: Erstens: In Ost- und Westdeutschland berichten die Berater von einer subjektiv empfundenen Zunahme von mehrfach belasteten Familien, in denen es an basalen Kenntnissen über die alltägliche Lebensführung fehlt. Besonders dramatisch wird die Situation in Ostdeutschland geschildert, wenn die Familien auch noch weit ab von institutionellen Zugriffsmöglichkeiten auf dem strukturschwachen Land leben. Die Eltern sind aus einer Vielzahl von Gründen kaum in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Es kann daher hinderlich sein, wenn beide Eltern – verheiratet oder unverheiratet – sorgeberechtigt sind, da eine gemeinsame Entscheidung in Einzelfällen nicht zustande kommen kann. „Thema Sorgerecht kommt bei mir auf den Tisch, wenn ich Anträge bekomme zu den Hilfen zur Erziehung. Da muss ich ja wissen, sind die Eltern beide sorgeberechtigt oder nicht. Ehm sind sie es beide, dann müssen ja beide dem Antrag zustimmen (…)“ (Kleinstadt Ost, w). In manchen Fällen können dringend nötige Entscheidungen blockiert oder verzögert werden, wenn beide Elternteile und das Jugendamt als Vormund teilsorgeberechtigt sind. Zweitens: Die Eltern, von denen die Mitarbeiter/innen des ASD berichten, sind so zerstritten, dass die einvernehmliche Ausübung der Elternschaft zum Wohle des Kindes kaum möglich ist. Dies betrifft Eltern aller Bildungs- und Einkommensstufen.

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 339 Die Berater (und auch die Urkundspersonen) erklären sich dies einvernehmlich mit der nicht gelungenen Trennung der Paar- von der Elternebene. Im Verlauf und nach einer Trennung ist es den Eltern nicht möglich, ihre Konflikte und Verletzungen von der Elternschaft und der gemeinsamen Verantwortung zu trennen. In diesen Fällen mutiert das Sorgerecht, nach Erfahrung der Berater/innen, zu einem Instrument, um Macht auszuspielen und Rache zu üben 193 . „Ihr müsst euch um diese Sache im Prinzip selber kümmern, selber beraten. Dass ihr erstmal lernt, was eben viele Paare nicht können, die Paarebene von der Elternebene zu trennen, um dann wieder zu lernen, zum Wohle des Kindes oder der Kinder zu kommunizieren (…)“ (Großstadt West, m). Drittens: Kommen massive Umstände zur Sprache, die sich auf das Kindeswohl negativ auswirken können, (bspw. Gewalt, psychische Krankheiten oder Drogenmissbrauch), so berichten die Befragten nicht automatisch von einem Entzug des Sorgerechts oder einem Abbruch des Umgangs mit dem Kind durch das Familiengericht. In jedem Fall wird der Einzelfall geprüft. Von Schuld oder einem Täter sprechen die befragten Sozialpädagoginnen und der Sozialpädagoge nicht. Man kann daher sagen, dass das Recht des Kindes auf seinen Vater als sehr bedeutsam und kindeswohldienlich, Gewalttätigkeit bspw. aber nicht zwingend als kindeswohlgefährdend eingeschätzt wird. Es fällt auf zum einen auf, dass die Mitarbeiter/innen des ASD zum einen sehr involviert in die ihnen vorliegenden Fälle erscheinen. Nicht nur die eigene Person und die persönlichen Werthaltungen sondern auch die professionelle Beratungshaltung scheint mit der Realität der Familien zu kollidieren. Zum anderen sticht die fachliche Haltung zur gemeinsamen Sorge als Instrument zur Gleichberechtigung und zur Stärkung der Vaterrechte im Fokus der Berater/innen hervor. 193 Reinhard Sieder (2008) macht darauf aufmerksam, dass „psychotherapeutische Ratschläge nach dem Muster ‚Man trenne die Paar- von der Beziehungsebene„“ zu kurz greifen: „Ihre mehr oder minder begrenzte Fähigkeit, die Elternebene von der Paarebene zu unterscheiden und eine bestimmte Handlung klar der einen oder der anderen Ebene zuzuordnen, stellt sich also nicht erst aktuell her. Im Rückblick, nach einigen Monaten oder Jahren, wird den Getrennten manches klarer. Doch für Paare, die sich gerade in Trennung befinden, sind die Auswirkungen ihres Handelns auf die Elternschaft nur bedingt vorherzusehen, zumal sie vornehmlich mit ihren eigenen Verletzungen und Kränkungen und mit der Durchsetzung ihrer Interessen beschäftigt sind.“ (ebd. S. 253)

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 338<br />

Eine Befragte betont besonders, dass das <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> nur Rechte, sondern<br />

auch Pflichten umschließe.<br />

Die geS gilt überwiegend als Gewinn für das Kind, da beide Eltern dafür<br />

Verantwortung übernehmen. Beschrieben werden Entlastung und Hilfe, z. B. bei der<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die der hauptsächlich betreuende Elternteil<br />

(meist die Mutter) durch den anderen sorgeberechtigten Elternteil erfährt.<br />

Allerdings besteht nach Ansicht der Befragten auch die Gefahr, dass die geS auch in<br />

der Beratung zuwenig mit den alltäglichen kindbezogenen Handlungen in Verbindung<br />

gebracht wird. Teilweise wird sie zu sehr auf das Recht, Entscheidungen zu treffen,<br />

reduziert. Es kann der Eindruck entstehen, der Elternteil, bei dem das Kind <strong>nicht</strong> lebt,<br />

könne Entscheidungen des alltäglich sorgenden Elternteils untergraben.<br />

Für das Kindeswohl ungünstige Konstellationen<br />

Haben Mütter, die sich gegen die geS entscheiden, Gründe, die der Wahrung des<br />

Kindeswohls dienen sollen? Diese Frage lässt sich nach der inhaltlichen Analyse der<br />

Experteninterviews mit ASD-Berater/innen <strong>nicht</strong> abschließend zu beantworten.<br />

Aus den Experteninterviews lassen sich jedoch drei Punkte herausfiltern, die unter<br />

Kindeswohlgesichtspunkten relevant sind:<br />

Erstens: In Ost- und Westdeutschland berichten die Berater von einer subjektiv<br />

empfundenen Zunahme von mehrfach belasteten Familien, in denen es an basalen<br />

Kenntnissen über die alltägliche Lebensführung fehlt. Besonders dramatisch wird die<br />

Situation in Ostdeutschland geschildert, wenn die Familien auch noch weit ab von<br />

institutionellen Zugriffsmöglichkeiten auf dem strukturschwachen Land leben. Die<br />

Eltern sind aus einer Vielzahl von Gründen kaum in der Lage, Verantwortung zu<br />

übernehmen. Es kann daher hinderlich sein, wenn beide Eltern – verheiratet oder<br />

unverheiratet – sorgeberechtigt sind, da eine gemeinsame Entscheidung in<br />

Einzelfällen <strong>nicht</strong> zustande kommen kann.<br />

„Thema <strong>Sorgerecht</strong> kommt bei mir auf den Tisch, wenn ich Anträge bekomme zu den<br />

Hilfen zur Erziehung. Da muss ich ja wissen, sind die Eltern beide sorgeberechtigt<br />

oder <strong>nicht</strong>. Ehm sind sie es beide, dann müssen ja beide dem Antrag zustimmen<br />

(…)“ (Kleinstadt Ost, w).<br />

In manchen Fällen können dringend nötige Entscheidungen blockiert oder verzögert<br />

werden, wenn beide Elternteile und das Jugendamt als Vormund teilsorgeberechtigt<br />

sind.<br />

Zweitens: Die Eltern, von denen die Mitarbeiter/innen des ASD berichten, sind so<br />

zerstritten, dass die einvernehmliche Ausübung der Elternschaft zum Wohle des<br />

Kindes kaum möglich ist. Dies betrifft Eltern aller Bildungs- und Einkommensstufen.

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