Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 32 unterschiedliche Dauer und Intensität der Hilfe sowie auf die jeweilige Lebenssituation des Kindes nicht pauschal beantwortet werden, ob in jedem Fall das Einverständnis beider Elternteile notwendig ist. 69 Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind handelt. Eine solche Entscheidung mit tiefgreifender Wirkung wird bei stationären sowie längerfristigen ambulanten Hilfen, insbesondere therapeutischer Art, als gegeben angesehen. 70 Hier ist somit stets das Einverständnis beider personensorgeberechtigter Elternteile erforderlich. Das OVG Niedersachsen 71 hat in einem Fall im Zusammenhang mit der Entscheidungsbefugnis von Pflegeeltern nach § 1688 BGB entschieden, dass es sich bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII nicht um eine Angelegenheit des täglichen Lebens handelt. Bei kürzeren, grundsätzlich weniger intensiven Hilfen kann hingegen nur auf der Grundlage der jeweiligen Einzelfallumstände entschieden werden, ob es sich um eine Entscheidung im Bereich der Alltagssorge handelt. Für die sozialpädagogische Familienhilfe hat das VG Stuttgart 72 entschieden, dass es sich um eine Hilfe handele, die keine grundsätzliche Bedeutung für ein Kind habe, insbesondere keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf seine Entwicklung. Daher sei von einer Angelegenheit des täglichen Lebens i.S. von § 1687 BGB auszugehen. Gesundheit Aus den untersuchten Gerichtsentscheidungen ergibt sich, dass das Thema Gesundheitsfürsorge in den letzten Jahren häufig für gerichtlich ausgetragene Konflikte und Streitigkeiten zwischen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sorgte, die von den Gerichten und Fachzeitschriften als veröffentlichungswürdig eingestuft wurden. In den meisten Fällen standen allgemeine Fragen der ärztlichen Behandlung und medizinischen Versorgung im Vordergrund 73 oder auch die Auswahl eines behandelnden Arztes. 74 Teilweise konnten die Eltern hinsichtlich einzelner medizinischer Maßnahmen nicht zu einer Einigung kommen, beispielsweise 69 Vgl. VG Stuttgart EuG 2007, 300. 70 Vgl. VG Stuttgart EuG 2007, 300. 71 OVG Niedersachsen NDV-RD 2009, 78; ebenso VG Ansbach 09.10.2008, AN 14 K 08.00482. 72 VG Stuttgart EuG 2007, 300. 73 Vgl. OLG Hamburg OLGR 1999, 130; OLG Zweibrücken DAVorm 2000, 998; OLG München FamRZ 2000, 1042; OLG Bamberg FPR 2003, 333. 74 OLG Hamm FamRZ 2000, 1039.

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 33 bezüglich Impfungen, 75 der Behandlung einer Enuresis (Einnässen) und Neurodermitis 76 oder der Notwendigkeit einer Nabelbruch- 77 oder einer Mandeloperation, zu der der Vater sein Einverständnis verweigert hatte und die dann letztlich notfallmäßig durchgeführt werden musste. 78 Das OLG Bamberg 79 hatte in einem Fall darüber zu entscheiden, ob die Entscheidung über eine Medikation mit Ritalin zur Behandlung eines hyperkinetischen Syndroms einem Elternteil zu übertragen war. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei dabei um eine medizinische Behandlung mit erheblichem Risiko und der Gefahr von Nebenwirkungen, die als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung von beiden sorgeberechtigten Elternteilen gemeinsam zu treffen ist. Da der Vater mit der Behandlung nicht einverstanden war, wurde das Entscheidungsrecht auf die Mutter übertragen. Keinen Erfolg hatte der Antrag eines Vaters, dessen früherer Ehefrau bereits zuvor das alleinige Sorgerecht übertragen worden war und der wegen des Gesundheitsrisikos den Besuch einer Schule, an der ein drahtloser Internetzugang (WLAN) betrieben wird, verhindern wollte. 80 In einem Fall bemängelte die Mutter, dass der Vater sie bei einer akuten Erkrankung des Kindes nicht unterstützt hatte. 81 Weitere Entscheidungen ergingen zu Konflikten über eine Psychotherapie des Kindes 82 und einer psychologische Betreuung der Familie durch die Caritas. 83 Umgang Umgangsstreitigkeiten können ebenfalls Anlässe für gerichtliche Entscheidungen zur elterlichen Sorge sein. Meist bestand in diesen Fällen nach der Trennung ein Grundkonflikt zwischen den Eltern fort, der dazu führte, dass der Umgang mit dem anderen Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, erschwert wird. 84 Finden Umgangskontakte mit dem anderen Elternteil zwar grundsätzlich statt, kam es in einem vom OLG Karlsruhe 85 entschiedenen Verfahren dennoch zum Streit, hier über die Umgangsgestaltung. Die Mutter warf dem Vater vor, sich nicht aktiv genug um die Kinder zu kümmern und sie zu oft bei den Großeltern zu lassen. Das Gericht 75 KG Berlin FamRZ 2006,142. 76 OLG Brandenburg 29.10.2009, 10 UF 93/09. 77 OLG Schleswig FamRZ 2003, 1948. 78 OLG Brandenburg 19.05.2009, 10 UF 20/09. 79 OLG Bamberg FamRZ 2003, 1403. 80 OLG Bremen 03.05.2010, 4 UF 27/10. 81 OLG Köln FamRZ 2010, 906. 82 OLG Hamm FamRZ 2000, 26. 83 OLG Hamburg MDR 1999, 748. 84 OLG Frankfurt FamRZ 2009, 433; AG München 25.11.2009, 551 F 5932/09; OLG Brandenburg NJW-RR 2010, 4; BVerfG 10.03.2010, 1 BvQ 4/10. 85 OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 391.

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 33<br />

bezüglich Impfungen, 75 der Behandlung einer Enuresis (Einnässen) und<br />

Neurodermitis 76 oder der Notwendigkeit einer Nabelbruch- 77 oder einer<br />

Mandeloperation, zu der der Vater sein Einverständnis verweigert hatte und die dann<br />

letztlich notfallmäßig durchgeführt werden musste. 78 Das OLG Bamberg 79 hatte in<br />

einem Fall darüber zu entscheiden, ob die Entscheidung über eine Medikation mit<br />

Ritalin zur Behandlung eines hyperkinetischen Syndroms einem Elternteil zu<br />

übertragen war. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei dabei um eine<br />

medizinische Behandlung mit erheblichem Risiko und der Gefahr von<br />

Nebenwirkungen, die als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung von beiden<br />

sorgeberechtigten Elternteilen gemeinsam zu treffen ist. Da der Vater mit der<br />

Behandlung <strong>nicht</strong> einverstanden war, wurde das Entscheidungsrecht auf die Mutter<br />

übertragen. Keinen Erfolg hatte der Antrag eines Vaters, dessen früherer Ehefrau<br />

bereits zuvor das alleinige <strong>Sorgerecht</strong> übertragen worden war und der wegen des<br />

Gesundheitsrisikos den Besuch einer Schule, an der ein drahtloser Internetzugang<br />

(WLAN) betrieben wird, verhindern wollte. 80<br />

In einem Fall bemängelte die Mutter, dass der Vater sie bei einer akuten Erkrankung<br />

des Kindes <strong>nicht</strong> unterstützt hatte. 81 Weitere Entscheidungen ergingen zu Konflikten<br />

über eine Psychotherapie des Kindes 82 und einer psychologische Betreuung der<br />

Familie durch die Caritas. 83<br />

Umgang<br />

Umgangsstreitigkeiten können ebenfalls Anlässe für gerichtliche Entscheidungen zur<br />

elterlichen Sorge sein. Meist bestand in diesen Fällen nach der Trennung ein<br />

Grundkonflikt zwischen den Eltern fort, der dazu führte, dass der Umgang mit dem<br />

anderen Elternteil, bei dem das Kind <strong>nicht</strong> lebt, erschwert wird. 84<br />

Finden Umgangskontakte mit dem anderen Elternteil zwar grundsätzlich statt, kam<br />

es in einem vom OLG Karlsruhe 85 entschiedenen Verfahren dennoch zum Streit, hier<br />

über die Umgangsgestaltung. Die Mutter warf dem Vater vor, sich <strong>nicht</strong> aktiv genug<br />

um die Kinder zu kümmern und sie zu oft bei den Großeltern zu lassen. Das Gericht<br />

75 KG Berlin FamRZ 2006,142.<br />

76 OLG Brandenburg 29.10.2009, 10 UF 93/09.<br />

77 OLG Schleswig FamRZ 2003, 1948.<br />

78 OLG Brandenburg 19.05.2009, 10 UF 20/09.<br />

79 OLG Bamberg FamRZ 2003, 1403.<br />

80 OLG Bremen 03.05.2010, 4 UF 27/10.<br />

81 OLG Köln FamRZ 2010, 906.<br />

82 OLG Hamm FamRZ 2000, 26.<br />

83 OLG Hamburg MDR 1999, 748.<br />

84 OLG Frankfurt FamRZ 2009, 433; AG München 25.11.2009, 551 F 5932/09; OLG Brandenburg<br />

NJW-RR 2010, 4; BVerfG 10.03.2010, 1 BvQ 4/10.<br />

85 OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 391.

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