Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 30 anderen Elternteils nicht benötigt. Ebenso dem Bereich der Alltagssorge zugerechnet wird die Frage, wer das Kind von der Kindertageseinrichtung abholen darf. 55 Dies bedeutet, dass die Entscheidung jeweils dem Elternteil obliegt, der vereinbarungsgemäß zu diesem Zeitpunkt für das Kind sorgt. d) Schule und Ausbildung Häufiger Streitgegenstand zwischen den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ist nach der Auswertung der Gerichtsentscheidungen die Ausbildung des Kindes, wobei ausschließlich die schulische Bildung entscheidungsrelevant wurde. Dabei reicht das Problemspektrum von der ersten Auswahl der passenden Schule 56 über die Entscheidung bezüglicher anstehender Schulwechsel, 57 die Wiederholung von Klassenstufen und die Inanspruchnahme von Nachhilfeunterricht. Bei der Auswahl der Schule steht neben dem möglichen Ort insbesondere die Art der Schule infrage. In einem Gerichtsverfahren wollte die Mutter durchsetzen, dass das Kind nunmehr statt der bisherigen eine Waldorfschule besucht. 58 In einer anderen Sache stand die Umschulung in eine Förderschule (Sonderschule) in Frage. 59 Nachdem der Grundschulbesuch einvernehmlich geregelt werden konnte, tauchten die Konflikte in einem vom OLG Rostock 60 entschiedenen Fall bei der anstehenden Entscheidung über den Besuch der weiterführenden Schule auf, da die Mutter das Kind an einem Gymnasium anmelden wollte und der Vater für den Besuch einer integrierten Gesamtschule plädierte. Bezogen auf den Schulort entstanden auch Meinungsverschiedenheiten aus Anlass des Umzugs des Elternteils, bei dem das Kind lebt, mit diesem an einen anderen Ort. 61 Das Aufenthaltsbestimmungsrecht geht nicht so weit, dass der Schulwechsel davon erfasst wäre. 62 Das OLG Hamburg 63 hatte in einem Fall die Frage einer Internatsunterbringung zu entscheiden. Hier stand allerdings die Fremdbetreuung des siebenjährigen Kindes im Vordergrund, weil der Vater sich wegen der chronischen Erkrankung seiner jetzigen Ehefrau nicht selbst um das Kind kümmern konnte und die Mutter dazu aus seiner Sicht wegen in der Vergangenheit bestandener Alkoholabhängigkeit nicht dazu fähig sei; das Motiv der schulischen Förderung war hier eher zweitrangig. 55 OLG Bremen FamRZ 2009, 355. 56 BVerfG JAmt 2003, 259. 57 OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2008, 1755 (Schulwechsel Grundschule). 58 AG Lemgo FamRZ 2004, 49. 59 OLG Hamm FamRZ 2000, 26. 60 OLG Rostock FamRZ 2007, 1835. 61 OLG Dresden, FamRZ 2003, 1489. 62 OLG München FamRZ 1999, 111. 63 OLG Hamburg JAmt 2001, 195.

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 31 Eine Entscheidung des OLG Nürnberg betraf nicht die Frage eines Schulwechsels, sondern die Frage der Wiederholung einer Klassenstufe bzw. des Wechsels in eine niedrigere während eines laufenden Schuljahrs. 64 In diesen den Schulbesuch betreffenden Fällen führten die Gerichte auch aus, dass es sich bei den schulischen nicht um Fragen der Alltagssorge, sondern um solche von erheblicher Bedeutung handelt. Eine Ausnahme gilt allerdings für die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Nachhilfeunterricht, wenn die schulischen Leistungen schlecht sind. 65 Die Mutter, bei der das Kind lebt, hat auch dann das Recht einen professionellen Nachhilfelehrer bzw. eine entsprechende Institution zu beauftragen, wenn der barunterhaltspflichtige Vater der Meinung ist, dass er selbst dem Kind genauso gut Nachhilfeunterricht hätte geben können und deshalb die anteiligen Kosten nicht tragen will. 66 In zwei verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellten die Gerichte fest, dass die Frage eines Schulwechsels und die Anfechtung einer Entscheidung über die Nichtversetzung Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind, sodass die Zustimmung beider Elternteile mit gemeinsamer elterlicher Sorge erforderlich ist. 67 e) Jugendhilfe In einigen Verfahren, die bei Verwaltungsgerichten anhängig waren, bot die elterliche Sorge bzw. das Personensorgerecht Anlass für Streitigkeiten zwischen zwei Jugendämtern. Hintergrund ist, dass in bestimmten Fallkonstellationen das Jugendamt, das eine Jugendhilfeleistung gewährt hat, einen Kostenerstattungsanspruch gegen ein anderes Jugendamt (vgl. §§ 89 ff. SGB VIII). Voraussetzung für die Entstehung eines solchen Anspruchs ist immer auch, dass die Hilfegewährung gem. § 89f SGB VIII rechtmäßig war. In der Praxis steht die Rechtmäßigkeit insbesondere der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII dann in Frage, wenn nicht beide sorgeberechtigten Elternteile diese Hilfe beantragt haben. Denn Inhaber des Rechtsanspruchs auf Hilfe zur Erziehung ist des § 27 Abs. 1 SGB VIII der Personensorgeberechtigte. Das sind bei gemeinsamer elterlicher Sorge beide Elternteile, sodass eine gegen den Willen eines Elternteils geleistete Hilfe zur Erziehung grundsätzlich (materiell) rechtswidrig ist. 68 Dennoch ist im Hinblick auf § 1687 BGB bei getrennt lebenden gemeinsam sorgeberechtigten Eltern zu differenzieren und kann im Hinblick auf die 64 OLG Nürnberg FamRZ 1999, 673. 65 OLG Naumburg FamRZ 2006, 1058. 66 OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 1529. 67 VG Schleswig 14.10.2002, 9 B 99/02; OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2008, 1755. 68 Vgl. VG Stuttgart 21.04.2005, 12 K 123/04; VGH Baden-Württemberg JAmt 2007, 370.

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 30<br />

anderen Elternteils <strong>nicht</strong> benötigt. Ebenso dem Bereich der Alltagssorge zugerechnet<br />

wird die Frage, wer das Kind von der Kindertageseinrichtung abholen darf. 55 Dies<br />

bedeutet, dass die Entscheidung jeweils dem Elternteil obliegt, der<br />

vereinbarungsgemäß zu diesem Zeitpunkt für das Kind sorgt.<br />

d) Schule und Ausbildung<br />

Häufiger Streitgegenstand zwischen den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ist<br />

nach der Auswertung der Gerichtsentscheidungen die Ausbildung des Kindes, wobei<br />

ausschließlich die schulische Bildung entscheidungsrelevant wurde.<br />

Dabei reicht das Problemspektrum von der ersten Auswahl der passenden Schule 56<br />

über die Entscheidung bezüglicher anstehender Schulwechsel, 57 die Wiederholung<br />

von Klassenstufen und die Inanspruchnahme von Nachhilfeunterricht. Bei der<br />

Auswahl der Schule steht neben dem möglichen Ort insbesondere die Art der Schule<br />

infrage. In einem Gerichtsverfahren wollte die Mutter durchsetzen, dass das Kind<br />

nunmehr statt der bisherigen eine Waldorfschule besucht. 58 In einer anderen Sache<br />

stand die Umschulung in eine Förderschule (Sonderschule) in Frage. 59 Nachdem der<br />

Grundschulbesuch einvernehmlich geregelt werden konnte, tauchten die Konflikte in<br />

einem vom OLG Rostock 60 entschiedenen Fall bei der anstehenden Entscheidung<br />

über den Besuch der weiterführenden Schule auf, da die Mutter das Kind an einem<br />

Gymnasium anmelden wollte und der Vater für den Besuch einer integrierten<br />

Gesamtschule plädierte.<br />

Bezogen auf den Schulort entstanden auch Meinungsverschiedenheiten aus Anlass<br />

des Umzugs des Elternteils, bei dem das Kind lebt, mit diesem an einen anderen<br />

Ort. 61 Das Aufenthaltsbestimmungsrecht geht <strong>nicht</strong> so weit, dass der Schulwechsel<br />

davon erfasst wäre. 62<br />

Das OLG Hamburg 63 hatte in einem Fall die Frage einer Internatsunterbringung zu<br />

entscheiden. Hier stand allerdings die Fremdbetreuung des siebenjährigen Kindes im<br />

Vordergrund, weil der Vater sich wegen der chronischen Erkrankung seiner jetzigen<br />

Ehefrau <strong>nicht</strong> selbst um das Kind kümmern konnte und die Mutter dazu aus seiner<br />

Sicht wegen in der Vergangenheit bestandener Alkoholabhängigkeit <strong>nicht</strong> dazu fähig<br />

sei; das Motiv der schulischen Förderung war hier eher zweitrangig.<br />

55<br />

OLG Bremen FamRZ 2009, 355.<br />

56<br />

BVerfG JAmt 2003, 259.<br />

57<br />

OVG Nordrhein-Westfalen NJW 2008, 1755 (Schulwechsel Grundschule).<br />

58<br />

AG Lemgo FamRZ 2004, 49.<br />

59<br />

OLG Hamm FamRZ 2000, 26.<br />

60<br />

OLG Rostock FamRZ 2007, 1835.<br />

61<br />

OLG Dresden, FamRZ 2003, 1489.<br />

62<br />

OLG München FamRZ 1999, 111.<br />

63<br />

OLG Hamburg JAmt 2001, 195.

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