Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ... Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 294 Beurkundung und nachmittags sollen Sie dann 320 Väter in Schach halten. Das geht nicht“ (Kleinstadt West, w). Die Beamten fühlen sich zusätzlich überfordert durch die Tatsache, dass sie alle drei Arbeitsbereiche gleichzeitig erledigen müssen. „Das machen alle, alle, alle, Mitarbeiter gleichzeitig im Moment“ (Kleinstadt West, m). In der eingehenden Analyse zeichnet sich bisher ab, dass die Rollentrennung zwischen Beistand, Vormund und Urkundsperson nicht immer gelingt, gar nicht gelingen kann. Schon bei der Beschreibung ihrer alltäglichen Arbeit deutet die Wortwahl, die Anekdotenhaftigkeit der Erzählungen und Fallschilderungen darauf hin, dass Väter für die Beistände nicht nur viel Arbeit bedeuten, sondern auch viel Ärger. Die Häufigkeit bei Fällen der Beistandschaft, wo Väter nicht aufzufinden sind, die „sonstwo sind“, die „sich nicht kümmern“, sich „gar nicht mehr erinnern“, die nicht bezahlen, mit denen man mal „Klartext“ sprechen muss, führt zu einer „déformation professionelle“, also einem eher defizitären Blick auf Väter insgesamt. Pointiert kommt dies in folgender Aussage zum Ausdruck: „Aber es gibt auch viele vernünftige Väter, die auch sagen: Na ja, das entscheidest du ja und nicht ich. (…) um es der Mutter einfacher zu machen“ (mittelgroße Stadt Ost, w). Gemeint sind hier Väter, die die gemeinsame Sorge gar nicht anstreben, weil sie wissen, dass die Mutter ohnehin alles entscheidet, und da möchten die Väter kein Hindernis darstellen. Der Satz „und ein Jahr später steht sie dann heulend vor der Tür…“ kommt so und in Abwandlungen in fast allen Interviews vor. Die Urkundsperson, die die Abgabe von Sorgeerklärungen beurkunden soll, weiß – als Beistand –, dass sich zunächst glücklich wirkende Paare auch sehr konflikthaft trennen können, und genau diese Fälle „krieg ich dann ja wieder auf den Tisch“. Denn mit den anderen Paaren, die sich nicht oder gütlich trennen, gibt es logischerweise keinen weiteren Kontakt. Die genannte Arbeitsüberlastung ist im Kontext der Befragung der Eltern zu betrachten. Während die Eltern die Belehrung als langweilig empfinden, sich von den Urkundspersonen nicht wahrgenommen fühlen, ist hier die andere Seite des „Schreibtisches“ zu sehen: Überlastung, vielfältige Aufgaben und teilweise extrem unterschiedliche Anforderungen an einem Tag.

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 295 9.2.2 Kontaktaufnahme bei Sorgerechtsfragen Das Jugendamt hat gem. § 52a SGB VIII eine Informationspflicht zu Sorgerechtsfragen gegenüber nicht verheirateten Müttern. Angeboten werden in der Praxis Informationsschriften (Flyer etc.) sowie Beratungsgespräche. Die Informationsmaterialien liegen meist im Amt aus und werden dort mitgegeben. Meist kann man sie auch auf den Homepages der Ämter herunterladen. Auffallend ist, dass das Gesetz ausschließlich die Beratung unverheirateter Mütter vorsieht und sich dementsprechend das Jugendamt etwa in Broschüren und Informationsblättern explizit nur an die Mütter wendet (siehe Anhang 14.5). Die Kontaktaufnahme zum Jugendamt erfolgt auf verschiedenen Wegen. Aus Sicht der Urkundspersonen kommen einige Eltern aufgrund von Informationen, die sie von Bekannten und Verwandten, in Geburtsvorbereitungskursen oder durch eigene Recherchen bekommen haben, zum Jugendamt. Am häufigsten erfolgt der erste Kontakt zum Jugendamt über das Standesamt, wo die Eltern ihr Baby anmelden. Hier können sie auch bereits die Vaterschaft beurkunden lassen (§ 44 Personenstandsgesetz). Eltern, die nicht mehr als die Vaterschaftsanerkennung wollen, brauchen also nicht mehr zum Jugendamt zu gehen. Das Standesamt meldet jedoch in jedem Fall die Namen und Adressen der unverheirateten Mütter an das Jugendamt (§ 52a Abs. 4 SGB VIII). Diese Gruppe der angeschriebenen unverheirateten Mütter teilt sich im Rücklauf in drei Untergruppen: 1. kein Rücklauf: Es lässt sich bisher nicht sagen, wie groß diese Gruppe ist und aus welchen Gründen die Mütter nicht reagieren. Sie melden sich weder auf das Anschreiben des Jugendamts noch kommen sie spontan. 2. Mutter und Vater kommen zu zweit: Dies scheint die größte Gruppe zu sein. Hierunter sind Paare zu verstehen, die meist zusammenleben, und nur zur Beurkundung kommen. Diese Paare haben wenig Beratungsbedarf, „bei denen ist alles klar“ (Großstadt, West, m). Unsere Interviewpartner/innen berichten bisher einheitlich, dass es selten vorkommt, dass ein Paar gemeinsam kommt, um sich vorab einfach beraten zu lassen oder sich zu informieren. Dies deckt sich auch mit den Aussagen der Berater/innen beim ASD. 3. Mutter oder Vater kommt allein: Nach den zusammenlebenden Paaren ist die Gruppe der alleine ratsuchenden Mütter die zweitgrößte. Es handelt sich ganz überwiegend um unverheiratete Mütter, die nicht in fester Partnerschaft leben, und einen „hohen Regelungsbedarf“ haben. In diesen Fällen geht es in erster Linie um eingehende Beratung bezüglich

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 294<br />

Beurkundung und nachmittags sollen Sie dann 320 Väter in Schach halten. Das geht<br />

<strong>nicht</strong>“ (Kleinstadt West, w).<br />

Die Beamten fühlen sich zusätzlich überfordert durch die Tatsache, dass sie alle drei<br />

Arbeitsbereiche gleichzeitig erledigen müssen. „Das machen alle, alle, alle,<br />

Mitarbeiter gleichzeitig im Moment“ (Kleinstadt West, m).<br />

In der eingehenden Analyse zeichnet sich bisher ab, dass die Rollentrennung<br />

zwischen Beistand, Vormund und Urkundsperson <strong>nicht</strong> immer gelingt, gar <strong>nicht</strong><br />

gelingen kann.<br />

Schon bei der Beschreibung ihrer alltäglichen Arbeit deutet die Wortwahl, die<br />

Anekdotenhaftigkeit der Erzählungen und Fallschilderungen darauf hin, dass Väter<br />

für die Beistände <strong>nicht</strong> nur viel Arbeit bedeuten, sondern auch viel Ärger. Die<br />

Häufigkeit bei Fällen der Beistandschaft, wo Väter <strong>nicht</strong> aufzufinden sind, die<br />

„sonstwo sind“, die „sich <strong>nicht</strong> kümmern“, sich „gar <strong>nicht</strong> mehr erinnern“, die <strong>nicht</strong><br />

bezahlen, mit denen man mal „Klartext“ sprechen muss, führt zu einer „déformation<br />

professionelle“, also einem eher defizitären Blick auf Väter insgesamt. Pointiert<br />

kommt dies in folgender Aussage zum Ausdruck:<br />

„Aber es gibt auch viele vernünftige Väter, die auch sagen: Na ja, das entscheidest<br />

du ja und <strong>nicht</strong> ich. (…) um es der Mutter einfacher zu machen“ (mittelgroße Stadt<br />

Ost, w).<br />

Gemeint sind hier Väter, die die gemeinsame Sorge gar <strong>nicht</strong> anstreben, weil sie<br />

wissen, dass die Mutter ohnehin alles entscheidet, und da möchten die Väter kein<br />

Hindernis darstellen.<br />

Der Satz „und ein Jahr später steht sie dann heulend vor der Tür…“ kommt so und in<br />

Abwandlungen in fast allen Interviews vor. Die Urkundsperson, die die Abgabe von<br />

Sorgeerklärungen beurkunden soll, weiß – als Beistand –, dass sich zunächst<br />

glücklich wirkende Paare auch sehr konflikthaft trennen können, und genau diese<br />

Fälle „krieg ich dann ja wieder auf den Tisch“. Denn mit den anderen Paaren, die<br />

sich <strong>nicht</strong> oder gütlich trennen, gibt es logischerweise keinen weiteren Kontakt.<br />

Die genannte Arbeitsüberlastung ist im Kontext der Befragung der Eltern zu<br />

betrachten. Während die Eltern die Belehrung als langweilig empfinden, sich von den<br />

Urkundspersonen <strong>nicht</strong> wahrgenommen fühlen, ist hier die andere Seite des<br />

„Schreibtisches“ zu sehen: Überlastung, vielfältige Aufgaben und teilweise extrem<br />

unterschiedliche Anforderungen an einem Tag.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!