Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 288 vermieden wird), steht die Belehrungssituation des Jugendamtes gegenüber, die – wie auch der Brief des Jugendamtes – als unpassend, weil zu problemfokussiert erlebt wird. Die Paare berichten fast einhellig, dass sie sich nicht an einen Brief des Jugendamtes erinnern können oder ihn nicht als bedeutsam empfunden haben, da er sich nur an Alleinerziehende richtete. Dies lässt sich dahingehend interpretieren, dass bereits hier im Blick auf die Beratung der Vater als Akteur und Adressat ausfällt. Die Paare berichten ähnliche Erlebnisse von ihren Terminen beim Jugendamt. In der Belehrungssituation wird nach den Erfahrungsbeichten gezielt oder aus einer weiter unten beschriebenen „déformation professionelle“ der Vater als Akteur in der Beratung ausgeblendet. Trennungsszenarien, Konflikte, Unterhalt und Kindeswohlgefährdung sind Begriffe, die im Zusammenhang der Belehrungssituation fallen, im Extremfall von einer Person, die „in Hausschuhen“ im Büro sitzt. Die Lebenssituation der Familie mit neu geborenem Kind, die weder Trennung, Unterhaltsstreitigkeiten noch Kindeswohlgefährdung als subjektiv wahrscheinliche Situationen betrachtet steht einer professionellen Haltung gegenüber, die, wie die Interviews des nächsten Abschnittes zeigen, täglich mit diesen Fällen konfrontiert ist. Hier entsteht eine Lücke der Selbstwahrnehmung der Familien gegenüber der Haltung der Urkundsperson, die ggf. das gleiche Paar – bzw. die Mutter − bereits ein Jahr später „heulend im Flur“ imaginiert. Die Lebenssituation der unverheirateten Eltern kann mithin als typisch für das Spannungsfeld zwischen einer rechtlichen Neujustierung von Familie und individuellen Lösungsversuchen von Vätern und Müttern gesehen werden, begleitet von Ambivalenzen des sich dynamisch ändernden Geschlechterverhältnisses. 9 Qualitative Experteninterviews Maria Burschel & Sabina Schutter Neben der Wahrnehmung der Eltern bei der Abgabe der Sorgeerklärungen ist die Funktion der Urkundspersonen eine Schlüsselstelle der Entscheidung der Eltern für oder gegen das gemeinsame Sorgerecht. Mithin werden im Folgenden die Haltungen und Einstellungen der Urkundspersonen im Vergleich zu denen der Mitarbeiter/innen des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Form qualitativer Experteninterviews untersucht.

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 289 9.1 Experteninterviews Es wurden acht Interviews mit Urkundspersonen (darunter ein Mann) und sechs mit Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen (darunter ein Mann) geführt. Acht Interviews mit Verwaltungsangestellten aus den Abteilungen Beistandschaften, Pflegschaften, Vormundschaften o West: drei Großstädte, zwei Kleinstädte, eine mittelgroße Stadt 182 o Ost: zwei mittelgroße Städte Sechs Interviews mit Sozialpädagoginnen und einem Sozialpädagogen: ASD, Sozialbürgerhäuser, sozialpädagogischer Dienst o West: zwei Großstädte, eine Kleinstadt o Ost: zwei Kleinstädte 9.1.1 Abteilung Beistandschaften, Pflegschaften, Vormundschaften Die Beurkundung der Sorgeerklärungen nicht miteinander verheirateter Eltern findet im Jugendamt in der Abteilung Beistandschaften, Pflegschaften, Vormundschaften statt. Die dortigen Mitarbeiter/innen sind die Zielpersonen für diese Befragung, da sie als Urkundspersonen in dieser Abteilung tätig sind und die Belehrungen der Eltern durchführen. Es handelt sich in der Mehrheit um Verwaltungsfachkräfte. Es sind ganz überwiegend Frauen in diesem Feld tätig. Dennoch ist es gelungen einen männlichen Interviewpartner zu gewinnen. Für die Rekrutierung der Interviewpartner/innen wurden die Leiter/innen von insgesamt 25 Jugendämtern direkt per E-mail kontaktiert mit der Bitte um Unterstützung dieses Forschungsvorhabens. Als Anlage wurden ein kurzer Projektflyer zur überblicksartigen Information sowie ein Empfehlungsschreiben des Bundesamtes für Justiz und ein weiteres der Kommunalen Spitzenverbände mitgeschickt (siehe Anhang 14.3). Bei der Auswahl der Jugendämter wurde vor allem darauf geachtet, sowohl großstädtische als auch ländliche Regionen im Sample zu haben. Es konnte eine Streuung innerhalb Deutschlands realisiert werden. 182 Einwohnerzahl: Kleinstadt: ≥ 35T mittelgroße Stadt: 40T – 200 T Großstadt: ≤ 500 T

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 288<br />

vermieden wird), steht die Belehrungssituation des Jugendamtes gegenüber, die –<br />

wie auch der Brief des Jugendamtes – als unpassend, weil zu problemfokussiert<br />

erlebt wird. Die Paare berichten fast einhellig, dass sie sich <strong>nicht</strong> an einen Brief des<br />

Jugendamtes erinnern können oder ihn <strong>nicht</strong> als bedeutsam empfunden haben, da er<br />

sich nur an Alleinerziehende richtete. Dies lässt sich dahingehend interpretieren,<br />

dass bereits hier im Blick auf die Beratung der Vater als Akteur und Adressat ausfällt.<br />

Die Paare berichten ähnliche Erlebnisse von ihren Terminen beim Jugendamt. In der<br />

Belehrungssituation wird nach den Erfahrungsbeichten gezielt oder aus einer weiter<br />

unten beschriebenen „déformation professionelle“ der Vater als Akteur in der<br />

Beratung ausgeblendet. Trennungsszenarien, Konflikte, Unterhalt und<br />

Kindeswohlgefährdung sind Begriffe, die im Zusammenhang der Belehrungssituation<br />

fallen, im Extremfall von einer Person, die „in Hausschuhen“ im Büro sitzt. Die<br />

Lebenssituation der Familie mit neu geborenem Kind, die weder Trennung,<br />

Unterhaltsstreitigkeiten noch Kindeswohlgefährdung als subjektiv wahrscheinliche<br />

Situationen betrachtet steht einer professionellen Haltung gegenüber, die, wie die<br />

Interviews des nächsten Abschnittes zeigen, täglich mit diesen Fällen konfrontiert ist.<br />

Hier entsteht eine Lücke der Selbstwahrnehmung der Familien gegenüber der<br />

Haltung der Urkundsperson, die ggf. das gleiche Paar – bzw. die Mutter − bereits ein<br />

Jahr später „heulend im Flur“ imaginiert.<br />

Die Lebenssituation der unverheirateten Eltern kann mithin als typisch für das<br />

Spannungsfeld zwischen einer rechtlichen Neujustierung von Familie und<br />

individuellen Lösungsversuchen von Vätern und Müttern gesehen werden, begleitet<br />

von Ambivalenzen des sich dynamisch ändernden Geschlechterverhältnisses.<br />

9 Qualitative Experteninterviews<br />

Maria Burschel & Sabina Schutter<br />

Neben der Wahrnehmung der Eltern bei der Abgabe der Sorgeerklärungen ist die<br />

Funktion der Urkundspersonen eine Schlüsselstelle der Entscheidung der Eltern für<br />

oder gegen das gemeinsame <strong>Sorgerecht</strong>. Mithin werden im Folgenden die Haltungen<br />

und Einstellungen der Urkundspersonen im Vergleich zu denen der Mitarbeiter/innen<br />

des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Form qualitativer Experteninterviews<br />

untersucht.

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