Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 282 Partnerschaft und Familie umgesetzt haben möchte. Sie bezieht sich im Interview auf die drei Bereiche a) Haushalt, b) die Betreuung und Erziehung des Kindes und c) Erwerbsarbeit bzw. Studium, die sie hinsichtlich der Gleichheit zwischen sich und ihrem Partner abklopft. Die geS versteht sie in diesem Rahmen als „ein letztes Pfand, das ich in der Hand habe, (…) bevor ich Kontrolle abgebe“ (M15, zog). Diese Kontrolle in Form des alleinigen Sorgerechts möchte sie erst dann abgeben, wenn Gleichberechtigung auch tatsächlich im Alltag umgesetzt ist. Das Sorgerecht wird dem Vater als eine Art Belohnung in Aussicht gestellt, bis das Ideal einer Partnerschaft im Wortsinn erreicht ist. In einem „Beziehungs-Manifesto“ (M15, zog) legt das Paar „Equal in everything“ als Grundsatz für die Gestaltung der Beziehung vertraglich fest. Da bisher aber keine absolute Egalität in der Beziehung existiert, kämpft die Befragte mit „harten Bandagen“, 179 um diesen Punkt durchzusetzen. "Und ich habe eben nicht den Eindruck, als wären wir so equal, so gleichberechtigt und so gleich, wie es in diesem Manifesto drinsteht und ehm wie es sein sollte. Und das geht auf meine Kosten. Und deswegen müssen wir immer ein bisschen dran arbeiten oder ich muss immer drauf hinweisen, dass da Handlungsbedarf besteht" (M15, zog). Der Haushalt stellt eine Arena dar, auf der besonders hart um Gleichberechtigung gekämpft wird. Der Lebensgefährte sei zwar engagierter als viele andere Männer, aber dennoch erkenne sie viele Defizite und Ungerechtigkeiten. Sie wünscht nicht nur eine messbare, die Haushaltstätigkeiten betreffende Gleichheit zwischen den Partnern, sondern vor allem eine von beiden gleich wahrgenommene Zuständigkeit. Zwar erledige ihr Partner bestimmte Aufgaben im Haushalt, er tue dies aber erst auf Anweisung von ihr. Die eigentliche Zuständigkeit läge nach wie vor bei ihr. Dadurch, dass er ohnehin wenig über Haushaltsführung wisse, könne er auch nicht einschätzen, was sie („meine Wenigkeit“) leiste. „Das geht in erster Linie um den Haushalt, dass ich öfter mal sagen muss: Das Essen wächst nicht im Kühlschrank, sondern das wird mit einem Fahrrad, weil wir kein Auto haben, mit einem Fahrrad, voller Rucksack und Korb vorne und hinten voll, zwei Fahrradtaschen, nach Hause geschleppt, egal bei welchen Temperaturen und egal bei welchem Wetter. Und es ist meine Wenigkeit, die das macht. Wir haben ehm bestimmte Sachen festgelegt. Y ist fürs Badezimmer zuständig und fürs Kloputzen. Ich hab gesagt, ich mache grundsätzlich die Wäsche, weil ich glaube, alle Frauen 180 179 Insgesamt spricht sie 10-mal im Interview von „kämpfen“ und „Kampf“ 180 Mehrmals benutzt die Befragte verallgemeinernde Zuschreibungen von bestimmten Verhaltensweisen auf „Männer“ oder „Frauen“, bspw.: „für viele Männer ist das eine reine Prestigesache (…) Ich bin der starke Mann. Und im praktischen Leben machen sie nicht so viel wie die Frauen.“ (M15, zog ) Dies kann Ausdruck einer hohen Sensibilität für geschlechterstereotypes Verhalten sein, reproduziert aber verallgemeinernde Zuschreibungen.

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 283 haben da eine bestimmte Aufhängetechnik und sind da ein bisschen speziell. (…) Ich mache die Wäsche unaufgefordert und es fällt mir ins Auge, wenn der Wäschesack überquillt, beziehungsweise er quillt meistens gar nicht erst über. Und ich muss immer darauf hinweisen: Du, das Badezimmer würde sich freuen, wenn es mal wieder einen Besuch vom Reinigungsmittel bekäme. Also er kommt nie, fast nie von allein drauf, ehm dass was gemacht werden muss. Und es fällt ihm auch, glaube ich, nicht auf oder er ist es sich nicht bewusst, wie viel gemacht werden muss in einem Haushalt“ (M15, zog). Zwar strebt sie Gleichheit an, beurteilt ihren Partner allerdings mit harten und abwertenden Worten, häufig in der direkten Rede. Sie müsse permanent „daran arbeiten“ und „kämpfen“, dass schlechte Angewohnheiten nicht „einreißen“. Was „Faulheit“ angehe, seien nach „unten hin keine Grenzen gesetzt“ (M15, zog). Sie freue sich „wahnsinnig darüber, wenn er was aus freien Stücken macht, ohne darauf hingewiesen zu werden“ (M15, zog). Sie investiere weit mehr als er in ihr gemeinsames Leben. Ähnlich argumentiert sie auch im Hinblick auf die Aufteilung der Abhol- und Bringtage des Kindes zur Krippe, wo sie sich ebenfalls benachteiligt sieht, da sie um jeden komplett freien Tag, an dem sie sich völlig ihrer Magisterarbeit widmen kann, „kämpfen muss“. Andersrum habe sie ihn beruflich wesentlich mehr unterstützt als er sie. Sie sei zwei Jahre zuhause geblieben, er habe in dieser Zeit sein Studium beendet, und „sein Leben weniger zurückstellen“ (M15, zog) müssen als sie. Insgesamt vergleicht sie ihre beruflichen Chancen sehr stark mit den seinen und kommt mehrmals zu dem Schluss, dass sie ihm ermöglicht hat, einen guten Start ins Berufsleben zu bekommen, womit sie jedoch zu ihrer eigenen Benachteiligung auch noch selbst beigetragen hat. Das Ungerechtigkeitsgefühl erstreckt sich nicht nur auf klar teilbare Bereiche wie Haushalt, Kinderbetreuung/-erziehung und Arbeit, sondern auch auf biologische Gegebenheiten, wie Schwangerschaft und Geburt. „Ich fand das von vornherein wahnsinnig ungerecht. Und ich hab mir am Anfang immer gedacht: Naja, du opferst da deinen Körper und ehm lässt dich da ausleiern und ich hab 24 kg zugenommen, rollst da durch die Gegend ehm und dann presst du dieses Kind auf die Welt und dann bist du sozusagen, ob du willst oder nicht, mehr oder weniger an Kind und Haushalt gefesselt. Also ich glaube, das, was du als Frau aufgibst, ehm ist größer und kann von den Männern in keiner Weise eingeholt werden" (M15, zog). Das alleinige Sorgerecht wird hier zur Gegenleistung für die erbrachten „Opfer“ und das empfundene Unrecht. Paraphrasiert könnte man sagen: Die körperliche Benachteiligung durch Schwangerschaft und Geburt zusammen mit der beruflichen und finanziellen Benachteiligung durch die Babypause werden in diesem Fall einzig und allein durch den Besitz der alleinigen Sorge für das Kind aufgewogen. Die

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 282<br />

Partnerschaft und Familie umgesetzt haben möchte. Sie bezieht sich im Interview auf<br />

die drei Bereiche a) Haushalt, b) die Betreuung und Erziehung des Kindes und c)<br />

Erwerbsarbeit bzw. Studium, die sie hinsichtlich der Gleichheit zwischen sich und<br />

ihrem Partner abklopft. Die geS versteht sie in diesem Rahmen als „ein letztes<br />

Pfand, das ich in der Hand habe, (…) bevor ich Kontrolle abgebe“ (M15, zog). Diese<br />

Kontrolle in Form des alleinigen <strong>Sorgerecht</strong>s möchte sie erst dann abgeben, wenn<br />

Gleichberechtigung auch tatsächlich im Alltag umgesetzt ist. Das <strong>Sorgerecht</strong> wird<br />

dem Vater als eine Art Belohnung in Aussicht gestellt, bis das Ideal einer<br />

Partnerschaft im Wortsinn erreicht ist.<br />

In einem „Beziehungs-Manifesto“ (M15, zog) legt das Paar „Equal in everything“ als<br />

Grundsatz für die Gestaltung der Beziehung vertraglich fest. Da bisher aber keine<br />

absolute Egalität in der Beziehung existiert, kämpft die Befragte mit „harten<br />

Bandagen“, 179 um diesen Punkt durchzusetzen.<br />

"Und ich habe eben <strong>nicht</strong> den Eindruck, als wären wir so equal, so gleichberechtigt<br />

und so gleich, wie es in diesem Manifesto drinsteht und ehm wie es sein sollte. Und<br />

das geht auf meine Kosten. Und deswegen müssen wir immer ein bisschen dran<br />

arbeiten oder ich muss immer drauf hinweisen, dass da Handlungsbedarf besteht"<br />

(M15, zog).<br />

Der Haushalt stellt eine Arena dar, auf der besonders hart um Gleichberechtigung<br />

gekämpft wird. Der Lebensgefährte sei zwar engagierter als viele andere Männer,<br />

aber dennoch erkenne sie viele Defizite und Ungerechtigkeiten. Sie wünscht <strong>nicht</strong><br />

nur eine messbare, die Haushaltstätigkeiten betreffende Gleichheit zwischen den<br />

Partnern, sondern vor allem eine von beiden gleich wahrgenommene Zuständigkeit.<br />

Zwar erledige ihr Partner bestimmte Aufgaben im Haushalt, er tue dies aber erst auf<br />

Anweisung von ihr. Die eigentliche Zuständigkeit läge nach wie vor bei ihr. Dadurch,<br />

dass er ohnehin wenig über Haushaltsführung wisse, könne er auch <strong>nicht</strong><br />

einschätzen, was sie („meine Wenigkeit“) leiste.<br />

„Das geht in erster Linie um den Haushalt, dass ich öfter mal sagen muss: Das<br />

Essen wächst <strong>nicht</strong> im Kühlschrank, sondern das wird mit einem Fahrrad, weil wir<br />

kein Auto haben, mit einem Fahrrad, voller Rucksack und Korb vorne und hinten voll,<br />

zwei Fahrradtaschen, nach Hause geschleppt, egal bei welchen Temperaturen und<br />

egal bei welchem Wetter. Und es ist meine Wenigkeit, die das macht. Wir haben ehm<br />

bestimmte Sachen festgelegt. Y ist fürs Badezimmer zuständig und fürs Kloputzen.<br />

Ich hab gesagt, ich mache grundsätzlich die Wäsche, weil ich glaube, alle Frauen 180<br />

179 Insgesamt spricht sie 10-mal im Interview von „kämpfen“ und „Kampf“<br />

180 Mehrmals benutzt die Befragte verallgemeinernde Zuschreibungen von bestimmten<br />

Verhaltensweisen auf „Männer“ oder „Frauen“, bspw.: „für viele Männer ist das eine reine<br />

Prestigesache (…) Ich bin der starke Mann. Und im praktischen Leben machen sie <strong>nicht</strong> so viel wie<br />

die Frauen.“ (M15, zog )<br />

Dies kann Ausdruck einer hohen Sensibilität für geschlechterstereotypes Verhalten sein, reproduziert<br />

aber verallgemeinernde Zuschreibungen.

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