Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander - Bundesministerium ...

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23.01.2013 Aufrufe

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 250 Familien, die unverheiratet sind, was ihnen das Gefühl einer beruhigenden Normalität vermittelt, obwohl sie wissen, dass sie nicht „der Norm“ (V1, zmg) entsprechen. Einige Paare grenzen sich durch die Entscheidung gegen die Ehe auch bewusst von normativen Familienbildern ab: „Wir sind nicht so, wir denken da anders“ (V1, zmg). Es kommt hinzu, dass durch diese Abgrenzung von der „Norm“ für die Befragten keinerlei Nachteile im Alltag zu entstehen scheinen. Auch die Familien der Befragten stehen der Ehelosigkeit insgesamt eher neutral gegenüber. Ein weiterer zentraler Punkt, der gegen eine Eheschließung spricht, ist der finanzielle Aspekt. Hier sind insbesondere zu nennen: der Bezug von BAföG, die Abbezahlung von Immobilienkrediten und der Bezug von ALG II. Ähnliche Gründe, die auch gegen die Abgabe der geS sprechen, verhindern auch eine Eheschließung: „Mein Wunsch wäre es schon, aber das ist halt recht, recht, recht schwierig alles so mit zwei Immobilien. Also er könnte sicherlich bei mir wohnen. Aber es geht ja nicht, weil für sein Haus zahlt er auch Kredit ab. Und dahin eben zu ziehen und hier zu verkaufen, das heißt, wenn ich es verkaufen würde, müsste ich das alles der Bank, also dem Arbeitsamt zurückzahlen. Das sehe ich natürlich auch nicht ein. (…) Steuerklasse vielleicht nicht so. Aber wie gesagt, da würde man mir das Arbeitslosengeld II streichen. Weil dann würde sein Gehalt mit einberechnet und ich sag mal so, das liebe Geld spielt leider heutzutage eine sehr große Rolle. Und das kotzt mich eigentlich ganz schön an“ (M2, zmg). Insgesamt stellen die Eltern, die sich gegen eine Heirat entschieden haben, eine Reihe von rein rationalen Überlegungen und Kalkulationen an. Der steuerliche Vorteil, der häufig als Argument für die Ehe angebracht wird, schlägt für viele Paare nicht durch, da beide nicht genug verdienen bzw. nicht Vollzeit arbeiten. Eine Heirat würde daher „keinen Mehrwert“ bringen (V5, zmg). Die Eltern fragen sich „warum denn heiraten?“ (V5, zmg). Darüber hinaus haben einige Befragte in ihrem eigenen Elternhaus oder im Bekanntenkreis eher negative Erfahrungen mit Ehe bzw. mit langwierigen Scheidungen gemacht, weswegen die Heirat als noch zusätzliche Belastung empfunden wird. „Ich bin Scheidungskind, also insofern (…)“ (M9, zog). Eine Ehe wird als „Klotz am Bein“ (M11, zog) beschrieben. Obwohl das gemeinsame Kind als wesentlich wichtiger und bindender empfunden wird als eine Heirat, wird doch die Überlegung angestellt, dass man eine Trennung ohne Ehe einfacher und unbürokratischer über die Bühnen bringen kann. Besonders junge Eltern empfinden die Ehe als „Verlust von Freiheit“, man scheut sich davor, den ganzen restlichen Lebensweg schon vorzuzeichnen: „Das würd ich nicht lange aushalten“ (V9, zog). Den Traum vom „weißen Kleid“ belächelt eine Mutter aus heutiger Sicht als „Kleinmädchentraum“ (M5. zmg): „Ich bin 35 Jahre, das muss nicht mehr sein“ (M5,

Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 251 zmg). Es erscheint erwachsener und „moderner“ (V3, zmg), ohne Trauschein als Familie zusammenzuleben. Trotz allem beschreiben die Eltern eine Sehnsucht danach, ihrer Liebe und ihrem Entschluss zusammenzuleben und zusammenzubleiben eine rituelle Rahmung zu geben, „einen weiteren Schritt“ (M5, zmg) zu gehen. Allerdings sollte es sich hierbei um ein „schönes Fest“ handeln, und zwar zu einem Zeitpunkt, „wenn wir Lust drauf haben“ (V4, zmg) und nicht auf Grundlage rationaler Überlegungen: „Also wir wollten beide nicht, wir haben auch drüber gesprochen, wir wollten jetzt nicht nur wegen der Schwangerschaft oder weil wir jetzt ein Kind haben“ (V4, zmg). „nicht wegen irgendwie Steuern“, sondern „weil wir uns lieben“ (M12, zog). Das Themenfeld Heirat kann zusammenfassend als höchst ambivalent beschrieben werden: Einerseits ist Heiraten nicht wichtig, denn man kann völlig unbehelligt und problemlos ohne Ehe zusammenleben, andererseits wünscht man sich ein schönes großes Fest. Hierfür möchte man auch viel Geld ausgeben, ein weiterer Grund gegen eine Hochzeit. Obwohl kein befragter Elternteil stark religiös ist, gibt es einige Eltern, die sich eine kirchliche Trauung wünschen, „aber nicht schwanger“ (M6, zog), denn das würde dem Bild einer romantischen Liebesheirat entgegenstehen. Viele Eltern beurteilen die Heirat rein rational und könnten sich höchstens vorstellen zu heiraten, wenn die berufliche Situation und das Einkommen so wären, dass durch eine Heirat auch finanzielle Vorteile entstünden. Gleichzeitig finden es einige Eltern unromantisch, „nur wegen Steuern“ (V12, zog) zu heiraten. Einerseits wünscht man sich ein zusätzliches Zeichen, das wie eine Klammer eine Familie auf emotionaler Ebene als eine Einheit kennzeichnet, andererseits scheut man sich davor, auch finanziell in einem Boot zu sitzen und ein Leben lang gebunden zu sein. Für viele Frauen ist der Traum vom „weißen Kleid“ nur noch ein Symbol und steht der realen Welt mit finanziellen Zwängen entgegen. Bei der Mehrheit der befragten Elternpaare wird auf Nachfrage das Thema Heirat als nicht wichtig erachtet, bei einem Elternpaar mit und bei einem ohne die geS ist die Heirat aber ein Konfliktthema. Diese Ambivalenzen gegenüber einer Ehe scheinen entweder zu einem Aufschieben der Sorgeerklärung zu führen, wenn eine Heirat wahrscheinlich erscheint oder in Planung ist, und eher zur Erklärung der geS, wenn dies unwahrscheinlicher ist.

„<strong>Gemeinsames</strong> <strong>Sorgerecht</strong> <strong>nicht</strong> <strong>miteinander</strong> verheirateter Eltern“ – Endbericht 11/2010 Seite 250<br />

Familien, die unverheiratet sind, was ihnen das Gefühl einer beruhigenden<br />

Normalität vermittelt, obwohl sie wissen, dass sie <strong>nicht</strong> „der Norm“ (V1, zmg)<br />

entsprechen.<br />

Einige Paare grenzen sich durch die Entscheidung gegen die Ehe auch bewusst von<br />

normativen Familienbildern ab: „Wir sind <strong>nicht</strong> so, wir denken da anders“ (V1, zmg).<br />

Es kommt hinzu, dass durch diese Abgrenzung von der „Norm“ für die Befragten<br />

keinerlei Nachteile im Alltag zu entstehen scheinen. Auch die Familien der Befragten<br />

stehen der Ehelosigkeit insgesamt eher neutral gegenüber.<br />

Ein weiterer zentraler Punkt, der gegen eine Eheschließung spricht, ist der finanzielle<br />

Aspekt. Hier sind insbesondere zu nennen: der Bezug von BAföG, die Abbezahlung<br />

von Immobilienkrediten und der Bezug von ALG II. Ähnliche Gründe, die auch gegen<br />

die Abgabe der geS sprechen, verhindern auch eine Eheschließung:<br />

„Mein Wunsch wäre es schon, aber das ist halt recht, recht, recht schwierig alles so<br />

mit zwei Immobilien. Also er könnte sicherlich bei mir wohnen. Aber es geht ja <strong>nicht</strong>,<br />

weil für sein Haus zahlt er auch Kredit ab. Und dahin eben zu ziehen und hier zu<br />

verkaufen, das heißt, wenn ich es verkaufen würde, müsste ich das alles der Bank,<br />

also dem Arbeitsamt zurückzahlen. Das sehe ich natürlich auch <strong>nicht</strong> ein. (…)<br />

Steuerklasse vielleicht <strong>nicht</strong> so. Aber wie gesagt, da würde man mir das<br />

Arbeitslosengeld II streichen. Weil dann würde sein Gehalt mit einberechnet und ich<br />

sag mal so, das liebe Geld spielt leider heutzutage eine sehr große Rolle. Und das<br />

kotzt mich eigentlich ganz schön an“ (M2, zmg).<br />

Insgesamt stellen die Eltern, die sich gegen eine Heirat entschieden haben, eine<br />

Reihe von rein rationalen Überlegungen und Kalkulationen an. Der steuerliche<br />

Vorteil, der häufig als Argument für die Ehe angebracht wird, schlägt für viele Paare<br />

<strong>nicht</strong> durch, da beide <strong>nicht</strong> genug verdienen bzw. <strong>nicht</strong> Vollzeit arbeiten. Eine Heirat<br />

würde daher „keinen Mehrwert“ bringen (V5, zmg). Die Eltern fragen sich „warum<br />

denn heiraten?“ (V5, zmg).<br />

Darüber hinaus haben einige Befragte in ihrem eigenen Elternhaus oder im<br />

Bekanntenkreis eher negative Erfahrungen mit Ehe bzw. mit langwierigen<br />

Scheidungen gemacht, weswegen die Heirat als noch zusätzliche Belastung<br />

empfunden wird. „Ich bin Scheidungskind, also insofern (…)“ (M9, zog). Eine Ehe<br />

wird als „Klotz am Bein“ (M11, zog) beschrieben. Obwohl das gemeinsame Kind als<br />

wesentlich wichtiger und bindender empfunden wird als eine Heirat, wird doch die<br />

Überlegung angestellt, dass man eine Trennung ohne Ehe einfacher und<br />

unbürokratischer über die Bühnen bringen kann. Besonders junge Eltern empfinden<br />

die Ehe als „Verlust von Freiheit“, man scheut sich davor, den ganzen restlichen<br />

Lebensweg schon vorzuzeichnen: „Das würd ich <strong>nicht</strong> lange aushalten“ (V9, zog).<br />

Den Traum vom „weißen Kleid“ belächelt eine Mutter aus heutiger Sicht als<br />

„Kleinmädchentraum“ (M5. zmg): „Ich bin 35 Jahre, das muss <strong>nicht</strong> mehr sein“ (M5,

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