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Tagungen<br />

Der „Unreife-Tsunami“<br />

Kinderpsychiater Winterhoff warnt davor, Kinder zu „Kumpels“ zu machen<br />

IHK-Vize Wolfgang Grießl (v.li.) Moderator Jürgen Hindenberg, General Alois Bach, <strong>BKU</strong>-Geschäftsführer<br />

Martin J. Wilde und Dr. Michael Winterhoff.<br />

Viele Kinder können auf Grund<br />

von Erziehungsfehlern in Familie,<br />

Kindergarten und Schule<br />

nicht zu reifen Persönlichkeiten<br />

heranwachsen. Diese These aus<br />

seinem neuesten Buch stellte<br />

der Bonner Kinderpsychiater<br />

und Buchautor Michael Winterhoff<br />

in einer prominent<br />

besetzten Diskussionsveranstaltung<br />

am 17. November in<br />

Bonn vor.<br />

Anlass war eine gemeinsame Veranstaltung<br />

von <strong>BKU</strong>, IHK<br />

Bonn/Rhein-Sieg und der Gemeinschaft<br />

Katholischer Soldaten<br />

(GKS). Als Folgen der Erziehungsfehler<br />

nannte Winterhoff<br />

dort mangelnde Konzentrationsfähigkeit,<br />

Leistungsbereitschaft<br />

und Sozialkompetenz. Als Ursache<br />

diagnostizierte er ein falsches Rollenverständnis<br />

der Erziehenden.<br />

Diese sollten den Kindern klare<br />

Vorgaben machen, mit ihnen persönlich<br />

bestimmte Verhaltensweisen<br />

immer wieder einüben und<br />

sich nicht mit ihnen auf eine Stufe<br />

stellen.<br />

Er verdeutlichte dies an zwei konkreten<br />

Beispielen: „Wenn die Eltern<br />

ihr Kind bitten, den Tisch zu<br />

decken, dann tut das Kind dies<br />

nicht ,für sich‘, sondern ,für die Eltern‘.<br />

Und wenn die Lehrer die<br />

Schüler bitten, ein Heft rauszuholen,<br />

dann tut das Kind das nicht ,für<br />

16 <strong>BKU</strong>-Journal 4 2010<br />

sich‘, sondern ,für die Lehrer‘.“ Dies<br />

sei kein Missbrauch elterlicher<br />

oder Lehrer- Macht, sondern eine<br />

für die psychische Entwicklung der<br />

Kinder notwendige Einübung von<br />

Beziehung. Das „Ich“ wachse nur<br />

am „Du“ und erst im Verlauf der<br />

Pubertät entwickele sich die psychische<br />

Reife, auch beschwerliche<br />

und unangenehme Dinge um eines<br />

wichtigen Zieles „für sich“ zu machen.<br />

Eltern, die zu früh beste<br />

Freundin oder bester Kumpel ihrer<br />

Kinder sein wollten oder als Erzieher<br />

oder Lehrer die Kinder zu<br />

früh selbstständig lernen ließen, bewirkten<br />

genau das Gegenteil und<br />

liefen Gefahr, der Beziehungsfähigkeit<br />

der Kinder mehr zu schaden,<br />

als zu nutzen, warnte<br />

Winterhoff. Er macht diese<br />

Phänomene vor allem in bildungsbürgerlichenBevölkerungsschichten<br />

aus und betont ausdrücklich,<br />

dass die Frage psychischer Reife<br />

und Beziehungsfähigkeit nichts<br />

mit Intelligenz oder materiellem<br />

Umfeld zu tun habe. Entscheidend<br />

sei es, dass Eltern und Erzieher die<br />

Kinder „auf sich beziehen“.<br />

Wolfgang Grießl, Softwareunternehmer<br />

und Vizepräsident der<br />

IHK Bonn/Rhein-Sieg, bestätigte<br />

die Erfahrung von unreifen und daher<br />

ausbildungsunfähigen Jugendlichen.<br />

Er konstatierte, dass<br />

Ausbildern in den Betrieben immer<br />

mehr eine Erzieherrolle aufgedrängt<br />

werde, auf die diese nicht<br />

vorbereitet seien. In größeren Betrieben<br />

seien es dann oft die Auszubildenden<br />

des zweiten oder dritten<br />

Lehrjahres, die die Azubi-Neulinge<br />

erzögen.<br />

Brigadegeneral Alois Bach,<br />

Kommandeur des Zentrums für Innere<br />

Führung der Bundeswehr,<br />

berichtete von den Erfahrungen,<br />

dass die Bundeswehr für viele junge<br />

Menschen immer noch die<br />

„Schule der Nation“ sei. Die klare<br />

Rollenverteilung von verantwortetem<br />

Befehl und Gehorsam sei<br />

auch eine Chance für junge Menschen,<br />

nachzureifen.<br />

Auf die Frage aus dem Publikum,<br />

wie der „Unreife-Tsunami“, der da<br />

aus den Familien und Schulen auf<br />

die Betriebe zurolle, aufgehalten<br />

werden könne, antwortete Winterhoff:<br />

„Psychisches Nachreifen ist<br />

möglich. Wenn Eltern, Erzieher<br />

und Ausbilder die mangelnde Leistungsbereitschaft<br />

nicht als Unwilligkeit<br />

deuten, sondern als psychische<br />

Unreife, konsequent Grenzen<br />

setzen und gleichzeitig ermutigen,<br />

dann kann ein junger Erwachsener,<br />

der mit 18 Jahren erst<br />

die Reife eines Dreijährigen hat, in<br />

drei bis sechs Monaten „nachreifen“,<br />

glaubt Winterhoff.<br />

Martin J. Wilde

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