Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
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23.01.2013 Aufrufe

Inzwischen waren draußen alle Ausgänge des Weißen Hauses blockiert worden. Agenten hatten die Waffen gezogen, Besucher erstarrten vor Schreck. Beamte des Secret Service suchten das ganze Gebäude ab. "Verdammt!" rief Pete Connor beim Eintreten. "Suchaktion abgeschlossen!" sagte eine Stimme in ihren Hörmuscheln. "Gebäude sauber, HAWK sicher." "Hawk", Falke, war der Codename des Secret Service für den Präsidenten. Die Leibwächter stellten damit ihren traditionellen Sinn für Humor unter Beweis, denn Fowler, dessen Name die Assoziation "Vogel" weckte, war als Politiker eher eine Taube. "Krankenwagen kommt in zwei Minuten!" fügte das Kommunikationszentrum hinzu. Eine Ambulanz konnte rascher besorgt werden als ein Hubschrauber. "Ruhig, Daga", sagte Connor. "Ich glaube, der Mann hatte einen Schlaganfall." "Platz da!" rief ein Sanitäter von der Marine. Natürlich waren die Secret- Service-Agenten in Erster Hilfe ausgebildet, aber im Weißen Haus stand immer ein Ärzteteam in Bereitschaft, und der Sanitäter war als erster zur Stelle. Er hatte eine Feldverbandstasche dabei, öffnete sie aber gar nicht erst, denn die Lache von bereits geronnenem Blut auf dem Schreibtisch war zu groß. Der Sanitäter bewegte die Leiche nicht - er befand sich unter Umständen am Schauplatz eines Verbrechens und hatte vom Secret Service für solche Fälle Verhaltensmaßregeln bekommen. Das Blut war zum größten Teil aus Aldens rechtem Ohr ausgetreten, aber auch aus dem linken lief ein Rinnsal, und das Gesicht zeigte schon die typische Leichenblässe. Die Diagnose fiel ihm nicht schwer. "Tja, Leute, der ist schon seit fast einer Stunde tot. Gehirnblutung, schätze ich, Schlaganfall. Litt er unter hohem Blutdruck?" "Ja, ich glaube schon", meinte Special Agent D'Agustino nach kurzem Zögern. "Sicher kann man natürlich erst nach der Obduktion sein, aber für mich ist die Todesursache Schlaganfall." Nun traf ein Arzt der Navy ein, der die Diagnose des Sanitäters bestätigte. "Hier Connor. Die Leute von der Ambulanz brauchen sich nicht zu beeilen. PILGRIM ist tot; natürliche Ursache", gab der leitende Agent über Funk weiter. "Wiederhole: PILGRIM ist tot." Selbstverständlich würde die Leiche bei der Obduktion auch auf andere Todesursachen untersucht werden, Gift zum Beispiel, oder kontaminierte Speisen oder Getränke. Im Weißen Haus wurden allerdings regelmäßig Stichproben genommen. D'Agustino und Connor tauschten die Blicke. Jawohl, Alden hatte unter hohem Blutdruck gelitten und heute einen ganz besonders schlechten Tag gehabt. "Wie geht's ihm?" HAWK, der Präsident selbst, drängte sich, umringt von Agenten, durch die Tür, dicht gefolgt von Dr. Elliot. D'Agustino ging auf, daß sie sich nun einen neuen Codenamen einfallen lassen mußten, und sie erwog 90

HARPYIE. Alle Leibwächter konnten E. E. nicht ausstehen, aber es war nicht ihre Aufgabe, ihre Schutzbefohlenen sympathisch zu finden - das galt selbst für den Präsidenten. "Er ist tot. Mr. President", sagte der Arzt. "Offenbar ein schwerer Schlaganfall." Der Präsident nahm die Nachricht ohne sichtbare Zeichen der Bewegung auf. Die Leibwächter wußten, daß seine Frau nach jahrelangem Leiden an Multipler Sklerose gestorben war; das mußte Fowler, damals noch Gouverneur von Ohio, seelisch schwer belastet haben. Ob der Mann emotional ausgebrannt ist? fragten sie sich. Jedenfalls ließ er sich kaum etwas anmerken. Er schnalzte mit der Zunge, zog eine Grimasse, schüttelte den Kopf und wandte sich dann ab. Liz Elliot trat an seine Stelle und lugte einem Agenten über die Schulter. Helen D'Agustino beobachtete ihr Gesicht, als sie sich vordrängte. Die neue Sicherheitsberaterin wurde blaß unter der Schminke. Kein Wunder, dachte D'Agustino, es sieht ja wirklich so aus, als habe jemand einen Eimer rote Farbe auf den Schreibtisch gekippt. "Mein Gott!" flüsterte Dr. Elliot. "Aus dem Weg, bitte!" rief eine neue Stimme. Ein Agent mit einer Tragbahre stieß Liz Elliot grob beiseite. E. E. war zu schockiert, um ärgerlich zu reagieren; Daga sah, daß sie noch sehr blaß war und einen verschwommenen Blick hatte. Nun, dachte sie befriedigt, so hartgesotten, wie du dich gibst, bist du auch wieder nicht. Weiche Knie, Liz? Special Agent Helen D'Agustino war erst vor vier Wochen von der Akademie des Secret Service abgegangen und hatte sich ihren Namen bei der Routineobservation eines Geldfälschers gemacht. Als ihr Subjekt plötzlich eine schwere automatische Pistole zog - der Mann gab zwar keinen Schuß in ihre Richtung ab -, riß sie ihre S & W heraus und brachte über knapp zwölf Meter Entfernung drei Kugeln ins Ziel, so, als hätte sie einen Pappkameraden auf dem Schießstand vor sich. Ganz einfach war das gewesen, und die Szene tauchte nie in ihren Träumen auf. Und nun gehörte Daga zu den "Jungs" und dem Pistolenschützenteam des Secret Service, das bei Wettkämpfen die Mannschaft der Elite-Kommandotruppe Delta Force regelmäßig schlug. Daga war also knallhart, Liz Elliot aber trotz ihrer kalten Arroganz offenbar nicht. Wo bleibt der Mumm, Lady? fragte Helen D'Agustino und bedachte nicht, daß Liz Elliot von nun an die wichtigste Beraterin des Präsidenten in Fragen der nationalen Sicherheit war. Zum ersten Mal war die Begegnung seltsam gedämpft verlaufen. Günther Bocks alter Waffenbruder Ismael Kati, normalerweise ein Freund radikaler Rhetorik, die er in fünf Sprachen beherrschte, wirkte in jeder Hinsicht gedrückt. Es fehlten das grimmige Lächeln und die feurigen Gesten, und Bock fragte sich, ob Ismael vielleicht krank war. "Die Nachricht von deiner Frau hat mich sehr betrübt", sagte Kati. 91

Inzwischen waren draußen alle Ausgänge des Weißen Hauses blockiert worden.<br />

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"Gebäude sauber, HAWK sicher." "Hawk", Falke, war der Codename des<br />

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traditionellen Sinn für Humor unter Beweis, denn Fowler, dessen Name die<br />

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"Ruhig, Daga", sagte Connor. "Ich glaube, der Mann hatte einen Schlaganfall."<br />

"Platz da!" rief ein Sanitäter von der Marine. Natürlich waren die Secret-<br />

Service-Agenten in Erster Hilfe ausgebildet, aber im Weißen Haus stand immer<br />

ein Ärzteteam in Bereitschaft, und der Sanitäter war als erster zur Stelle. Er<br />

hatte eine Feldverbandstasche dabei, öffnete sie aber gar nicht erst, denn die<br />

Lache von bereits geronnenem Blut auf dem Schreibtisch war zu groß. Der<br />

Sanitäter bewegte die Leiche nicht - er befand sich unter Umständen am<br />

Schauplatz eines Verbrechens und hatte vom Secret Service für solche Fälle<br />

Verhaltensmaßregeln bekommen. <strong>Das</strong> Blut war zum größten Teil aus Aldens<br />

rechtem Ohr ausgetreten, aber auch aus dem linken lief ein Rinnsal, und das<br />

Gesicht zeigte schon die typische Leichenblässe. Die Diagnose fiel ihm nicht<br />

schwer.<br />

"Tja, Leute, der ist schon seit fast einer Stunde tot. Gehirnblutung, schätze<br />

ich, Schlaganfall. Litt er unter hohem Blutdruck?"<br />

"Ja, ich glaube schon", meinte Special Agent D'Agustino nach kurzem<br />

Zögern.<br />

"Sicher kann man natürlich erst nach der Obduktion sein, aber für mich ist<br />

die Todesursache Schlaganfall."<br />

Nun traf ein Arzt der Navy ein, der die Diagnose des Sanitäters bestätigte.<br />

"Hier Connor. Die Leute von der Ambulanz brauchen sich nicht zu beeilen.<br />

PILGRIM ist tot; natürliche Ursache", gab der leitende Agent über Funk weiter.<br />

"Wiederhole: PILGRIM ist tot."<br />

Selbstverständlich würde die Leiche bei der Obduktion auch auf andere<br />

Todesursachen untersucht werden, Gift zum Beispiel, oder kontaminierte<br />

Speisen oder Getränke. Im Weißen Haus wurden <strong>aller</strong>dings regelmäßig Stichproben<br />

genommen. D'Agustino und Connor tauschten die Blicke. Jawohl,<br />

Alden hatte unter hohem Blutdruck gelitten und heute einen ganz besonders<br />

schlechten Tag gehabt.<br />

"Wie geht's ihm?" HAWK, der Präsident selbst, drängte sich, umringt von<br />

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