Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
von schulte.josefine23 Mehr von diesem Publisher
23.01.2013 Aufrufe

erlich, daß er es so plump tun mußte. Selbst die hellsten Köpfe werden manchmal in die Ecke getrieben ... Ben Jakob nahm sich vor, das Dossier über Ryan auf den neuesten Stand bringen zu lassen, um bei ihrer nächsten Begegnung besser informiert zu sein. Mit Niederlagen fand sich der General nur schwer ab. Dr. Charles Alden sah sich in seinem Büro um. Natürlich trat er nicht sofort zurück; das würde Fowler schaden. Sein Rücktrittsgesuch lag unterschrieben auf der grünen Schreibunterlage und sollte zum Monatsende eingereicht werden. Aber das war eine reine Formsache: Ab heute hatte er keine Dienstpflichten mehr. Er würde zwar noch erscheinen, die Meldungen lesen und sich Notizen machen, aber Vortrag hielt von nun an Elizabeth Elliot. Der Präsident hatte auf seine übliche kühle Art sein Bedauern ausgedrückt. "Schade, daß wir Sie verlieren, Charlie, ganz besonders zu diesem Zeitpunkt, aber es gibt leider keine Alternative." Alden hatte im Oval Office trotz seiner Verbitterung die Fassung gewahrt. Selbst Arnie van Damm hatte sich einen herzhaften Fluch abgerungen, trotz seines Ärgers über den politischen Schaden, den sein Chef erlitten hatte. Bob Fowler aber, der Fürsprecher der Armen und Hilflosen, war ungerührt geblieben. Schlimmer noch war Liz mit ihrem Schweigen und ihren vielsagenden Blicken gewesen. Das arrogante Stück erntete nun seine Lorbeeren und sonnte sich schon jetzt in Ruhm, der ihm gebührte. Sein Rücktritt, der am nächsten Morgen bekanntgegeben werden sollte, war schon an die Presse durchgesickert. Wer hinter der Indiskretion steckte, wußten die Götter. Liz, um ihre Selbstgefälligkeit zu demonstrieren? Arnie van Damm im Zuge der Schadensbegrenzung? Ein Dutzend andere? In Washington kommt der Absturz von den Höhen der Macht rasch. Der peinlich berührte Ausdruck seiner Sekretärin, das gezwungene Lächeln der anderen Bürokraten im Westflügel sprachen Bände. Doch in Vergessenheit gerät man erst nach einem ordentlichen Medienzirkus: Dem öffentlichen Tod, dem Verglühen eines Sterns, geht ein Fanfarenstoß voraus. Das Telefon klingelte ununterbrochen. Zwanzig Journalisten hatten wie die Hyänen heute früh mit schußbereiten Kameras vor seinem Haus gewartet und ihn mit ihren Scheinwerfern geblendet. Natürlich hatten sie zuerst nach Marsha Blum gefragt. Der blöde Trampel mit den Kuhaugen, dem Kuheuter und dem fetten Arsch! Wie konnte ich nur so bescheuert sein? Professor Dr. Charles Winston Alden saß in seinem teuren Sessel und starrte auf seinen exklusiven Schreibtisch. Daß sein Kopf zum Platzen schmerzte, schrieb er dem Streß und seinem Zorn zu ­ korrekt, aber er wußte nicht, daß sein Blutdruck im Augenblick doppelt so hoch wie normal war, und dachte auch nicht daran, daß er in der vergangenen Woche vergessen hatte, seine Blutdrucktabletten zu nehmen. Als sprichwörtlich zerstreuter Professor übersah er immer die alltäglichen Kleinigkeiten, wenn sein methodischer Verstand komplexe Probleme löste. 88

Es kam also überraschend. Es begann an einer Schwachstelle in einer Hauptarterie, die das Gehirn mit Blut versorgte. Zwanzig Jahre zu hohen Blutdruck und zwanzig Jahre Schlamperei, in denen er seine Medizin nur genommen hatte, wenn wieder einmal ein Termin beim Arzt bevorstand, führten in dieser Streßsituation, verursacht durch die kläglich gescheiterte Karriere, zu einem Riß der Arterie in seiner rechten Kopfhälfte. Was ihm wie eine harmlose Migräne vorgekommen war, entpuppte sich nun als tödlich. Alden riß die Augen auf und faßte sich an den Kopf, als wollte er ihn zusammenhalten, doch es war zu spät. Der Riß öffnete sich weiter, mehr Blut trat aus. Die Sauerstoffzufuhr wichtiger Teile seines Gehirns wurde unterbrochen und der Druck im Schädel stieg weiter an, immer mehr Hirnzellen wurden zerstört. Alden war zwar gelähmt, blieb aber noch eine ganze Weile bei Bewußtsein, und sein brillanter Verstand registrierte die Ereignisse mit erstaunlicher Klarheit. Er wußte, daß er sterben mußte - nach fünfunddreißigjähriger Arbeit ­ und so kurz vor dem Ziel, dachte er. Monographien, Seminare, Vorlesungen, Vortragsreisen, Talkshows, Wahlkämpfe - alles nur, um nach oben zu kommen, um historische Prozesse nicht nur zu interpretieren, sondern selbst in Gang zu setzen. Ausgerechnet jetzt sterben müssen! Er konnte nichts mehr ändern, nichts mehr tun, nur hoffen, daß jemand, irgend jemand, ihm vergeben würde. Im Grunde war ich doch kein schlechter Mensch. Ich habe mich angestrengt, um etwas zu bewegen, eine bessere Welt zu schaffen, aber ausgerechnet jetzt, am Beginn einer bedeutsamen Entwicklung... schade, daß mir das nicht passiert ist, als ich auf dieser blöden Kuh lag, schade eigentlich auch, erkannte er in einem letzten Augenblick der Klarheit, daß die Studien nicht meine einzige Leidenschaft... Da Alden in Ungnade gefallen und schon von seinen Dienstpflichten entbunden war, fand man seine Leiche erst eine Stunde später. Seine Sekretärin hatte den Auftrag, alle Anrufer abzuwimmeln, und stellte daher auch keine Gespräche durch. Erst als es Zeit zum Heimgehen war, drückte sie auf den Knopf der Sprechanlage, um ihm das mitzuteilen, bekam aber keine Antwort. Sie runzelte die Stirn und probierte es noch einmal. Wieder keine Reaktion. Sie stand auf und klopfte an Aldens Tür, öffnete sie schließlich und schrie dann so laut, daß die Agenten des Secret Service vor dem Oval Office an der entgegengesetzten Ecke des Gebäudes sie hörten. Als erste traf Helen D'Agustino, Spitzname "Daga" ein, eine Leibwächterin des Präsidenten, die sich nach einem Sitzungstag auf dem Korridor die Beine vertreten hatte. "Shit!" Bei diesem Kommentar hatte sie auch schon ihren Dienstrevolver gezogen. Noch nie im Leben hatte sie so viel Blut gesehen. Es war aus Aldens rechtem Ohr geflossen und hatte auf dem Schreibtisch eine Lache gebildet. Sie gab über ihr Funkgerät Alarm; das mußte ein Kopfschuß sein. Über den Lauf ihrer Smith & Wesson Modell 19 hinweg suchten ihre scharfen Augen den Raum ab. Die Fenster waren okay. Sie huschte durchs Zimmer. Niemand da. Was war passiert? Sie tastete mit der Linken nach Aldens Halsschlagader. Natürlich kein Puls. 89

erlich, daß er es so plump tun mußte. Selbst die hellsten Köpfe werden<br />

manchmal in die Ecke getrieben ...<br />

Ben Jakob nahm sich vor, das Dossier über <strong>Ryan</strong> auf den neuesten Stand<br />

bringen zu lassen, um bei ihrer nächsten Begegnung besser informiert zu sein.<br />

Mit Niederlagen fand sich der General nur schwer ab.<br />

Dr. Charles Alden sah sich in seinem Büro um. Natürlich trat er nicht sofort<br />

zurück; das würde Fowler schaden. Sein Rücktrittsgesuch lag unterschrieben<br />

auf der grünen Schreibunterlage und sollte zum Monatsende eingereicht werden.<br />

Aber das war eine reine Formsache: Ab heute hatte er keine Dienstpflichten<br />

mehr. Er würde zwar noch erscheinen, die Meldungen lesen und sich<br />

Notizen machen, aber Vortrag hielt von nun an Elizabeth Elliot. Der Präsident<br />

hatte auf seine übliche kühle Art sein Bedauern ausgedrückt. "Schade, daß wir<br />

Sie verlieren, Charlie, ganz besonders zu diesem Zeitpunkt, aber es gibt leider<br />

keine Alternative." Alden hatte im Oval Office trotz seiner Verbitterung die<br />

Fassung gewahrt. Selbst Arnie van Damm hatte sich einen herzhaften Fluch<br />

abgerungen, trotz seines Ärgers über den politischen Schaden, den sein Chef<br />

erlitten hatte. Bob Fowler aber, der Fürsprecher der Armen und Hilflosen, war<br />

ungerührt geblieben.<br />

Schlimmer noch war Liz mit ihrem Schweigen und ihren vielsagenden<br />

Blicken gewesen. <strong>Das</strong> arrogante Stück erntete nun seine Lorbeeren und sonnte<br />

sich schon jetzt in Ruhm, der ihm gebührte.<br />

Sein Rücktritt, der am nächsten Morgen bekanntgegeben werden sollte, war<br />

schon an die Presse durchgesickert. Wer hinter der Indiskretion steckte, wußten<br />

die Götter. Liz, um ihre Selbstgefälligkeit zu demonstrieren? Arnie van<br />

Damm im Zuge der Schadensbegrenzung? Ein Dutzend andere?<br />

In Washington kommt der Absturz von den Höhen der Macht rasch. Der<br />

peinlich berührte Ausdruck seiner Sekretärin, das gezwungene Lächeln der<br />

anderen Bürokraten im Westflügel sprachen Bände. Doch in Vergessenheit<br />

gerät man erst nach einem ordentlichen Medienzirkus: Dem öffentlichen Tod,<br />

dem Verglühen eines Sterns, geht ein Fanfarenstoß voraus. <strong>Das</strong> Telefon klingelte<br />

ununterbrochen. Zwanzig Journalisten hatten wie die Hyänen heute früh<br />

mit schußbereiten Kameras vor seinem Haus gewartet und ihn mit ihren<br />

Scheinwerfern geblendet. Natürlich hatten sie zuerst nach Marsha Blum gefragt.<br />

Der blöde Trampel mit den Kuhaugen, dem Kuheuter und dem fetten Arsch!<br />

Wie konnte ich nur so bescheuert sein? Professor Dr. Charles Winston Alden<br />

saß in seinem teuren Sessel und starrte auf seinen exklusiven Schreibtisch. Daß<br />

sein Kopf zum Platzen schmerzte, schrieb er dem Streß und seinem Zorn zu ­<br />

korrekt, aber er wußte nicht, daß sein Blutdruck im Augenblick doppelt so<br />

hoch wie normal war, und dachte auch nicht daran, daß er in der vergangenen<br />

Woche vergessen hatte, seine Blutdrucktabletten zu nehmen. Als sprichwörtlich<br />

zerstreuter Professor übersah er immer die alltäglichen Kleinigkeiten,<br />

wenn sein methodischer Verstand komplexe Probleme löste.<br />

88

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!