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Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

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ging, war jedes Mittel recht. Vergewaltigung, Plünderung, Mord - die niedrigsten<br />

Verbrechen waren dann nicht nur rechtmäßig, sondern eine heilige<br />

Pflicht. Es ging nicht darum, daß man für Greueltaten Sold erhielt, und man<br />

sündigte auch nicht, weil das Vergnügen bereitete - nein, man kämpfte in dem<br />

Bewußtsein, daß demjenigen, der Gott auf seiner Seite hat, alles erlaubt ist.<br />

Diese Überzeugung wurde noch über den Tod hinaus demonstriert, wie zum<br />

Beispiel bei den Kreuzrittern. Wer im Heiligen Land gedient hatte, wurde auf<br />

seinem Sarkophag mit gekreuzten Beinen dargestellt, um der Nachwelt zu<br />

bedeuten, daß er im Namen Gottes als Kreuzfahrer sein Schwert mit Kinderblut<br />

benetzt, Frauen vergewaltigt und alles gestohlen hatte, was nicht niet- und<br />

nagelfest war. <strong>Das</strong> galt übrigens für alle Parteien. Die Juden waren zwar meist<br />

die Opfer gewesen, hatten aber auch selbst das Schwert ergriffen, wenn sich<br />

die Gelegenheit bot; in ihren Tugenden und Lastern sind sich alle Menschen<br />

gleich.<br />

Wie müssen das die Kerle genossen haben, dachte <strong>Jack</strong> deprimiert und sah,<br />

wie ein Verkehrspolizist an einer belebten Straßenecke einen Streit schlichtete.<br />

Es mußte damals doch auch wirklich gute Menschen gegeben haben, sagte er<br />

sich. Was taten sie? Was dachten sie? Und was hielt Gott von der ganzen<br />

Sache?<br />

<strong>Ryan</strong> war aber kein Priester, Rabbi oder Imam, sondern ein hoher Geheimdienstoffizier,<br />

ein Instrument seines Landes, ein Beobachter und Berichterstatter.<br />

Er schaute sich weiter um und vergaß für den Augenblick die Geschichte.<br />

Die Passanten waren in ihrer Kleidung auf die drückende Hitze eingestellt,<br />

und das Gewimmel erinnerte ihn an Manhattan. Viele hatten Transistorradios<br />

dabei. Er ging an einem Straßencafe vorbei, wo nicht weniger als zehn Leute<br />

die Nachrichten hörten. <strong>Jack</strong> mußte lächeln; dafür hatte er Verständnis. Er<br />

hatte im Auto immer einen Nachrichtensender eingestellt. Die Blicke der<br />

Menschen waren unruhig, und er erkannte erst nach ein paar Momenten, wie<br />

sehr man auf der Hut war, ganz wie seine Leibwächter nach Anzeichen von<br />

Gefahr Ausschau hielt. <strong>Ryan</strong> fand das nur vernünftig. Bislang waren Unruhen<br />

nach dem Zwischenfall auf dem Tempelberg ausgeblieben, aber man rechnete<br />

damit. Es überraschte <strong>Ryan</strong> nicht, daß die Menschen in seinem Blickfeld die<br />

weit größere Bedrohung der trügerischen Ruhe nicht erkannten. Kein Wunder,<br />

daß Israel so kurzsichtig war. <strong>Das</strong> Land, umgeben von Feinden, die es auslöschen<br />

wollten, hatte die Paranoia zur Kunstform und seine Sicherheit zur<br />

Obsession gemacht. Neunzehnhundert Jahre nach Massada und der Vertreibung<br />

waren die Juden auf der Flucht vor Unterdrückung und Völkermord in ihr<br />

Gelobtes Land zurückgekehrt... und hatten damit wieder Repressalien herausgefordert.<br />

Der Unterschied war nur, daß nun sie das Schwert hielten und<br />

wohl zu führen gelernt hatten, aber auch das war eine Sackgasse. Kriege sollten<br />

mit einem Frieden enden, aber Israels Kriege hatten nicht geendet, sondern nur<br />

aufgehört, oder sie waren nur unterbrochen worden. Der Frieden war für Israel<br />

immer nur eine Atempause gewesen, eine Zeit, in der man die Gefallenen<br />

beerdigte und neue Jahrgänge an der Waffe ausbildete. Die Juden, der Ausrot­<br />

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