Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
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23.01.2013 Aufrufe

"Und warum sollte ich Ihnen glauben?" Der Mann war fast siebzig und hatte ein tief zerfurchtes Gesicht und zornige schwarze Augen. "Warum fragen Sie mich dann?" "Ihre Unverschämtheit mißfällt mir." "Und mir mißfallen Angriffe auf amerikanische Bürger", versetzte Ryan. "Sie wissen, daß ich mit dieser Sache nichts zu tun hatte." "Ja, das weiß ich jetzt. Würden Sie mir bitte eine Frage beantworten? Hätten Sie die Gruppe unterstützt, wenn Sie darum gebeten worden wären?" "Nein", erwiderte Darjaei. "Und warum sollte ich das glauben?" "So viele Menschen zu töten, selbst Ungläubige, ist eine Sünde vor Allah." "Außerdem wissen Sie nun", fügte Ryan hinzu, "wie wir auf so etwas reagieren würden." "Beschuldigen Sie mich, zu einer solchen Untat fähig zu sein?" "Sie beschuldigen uns mit schöner Regelmäßigkeit aller möglichen Verbrechen. Aber in diesem Fall irrten Sie." "Sie hassen mich." "Ich kann nicht behaupten, Sympathie zu empfinden", gab Jack bereitwillig zu. "Sie sind ein Feind meines Landes. Sie haben die Mörder meiner Mitbürger unterstützt. Ihnen hat der Tod von Menschen gefallen, die Sie noch nicht einmal kannten." "Und doch ließen Sie nicht zu, daß Ihr Präsident mich tötete." "Das stimmt nicht ganz. Ich hinderte meinen Präsidenten an der Zerstörung der Stadt." "Warum?" "Wie können Sie eine solche Frage stellen, wenn Sie sich wahrhaft für einen Mann Gottes halten?" "Sie sind ein Ungläubiger!" "Falsch. Ich glaube an Gott wie Sie, aber auf eine andere Weise. Sind wir denn so verschieden? Prinz Ali ist anderer Ansicht. Fürchten Sie denn so den Frieden zwischen uns? Oder fürchten Sie Dankbarkeit mehr als Haß? Wie auch immer, Sie fragten mich nach dem Grund, und ich will Ihnen eine Antwort geben. Ich sollte am Tod unschuldiger Menschen mitwirken. So einfach war das. Menschen, die ich vielleicht als Ungläubige ansehen sollte. Das wollte ich nicht auf dem Gewissen haben. Ist das so schwer zu verstehen?" Prinz Ali sagte etwas, das er nicht übersetzte, ein Zitat aus dem Koran vielleicht. Es klang stilisiert und poetisch. Darjaei nickte und wandte sich ein letztes Mal an Ryan. "Ich will darüber nachdenken. Leben Sie wohl." Durling nahm zum ersten Mal auf dem Sessel Platz. Arnold van Damm saß ihm gegenüber. "Das haben Sie geschickt erledigt." "Was hätten wir sonst tun können?" 760

"Wohl nichts. Es ist heute, nicht wahr?" "Ja." "Und Ryan kümmert sich darum?" fragte Durling und ging seine Zusammenfassungen durch. "Ja. er schien mir die beste Wahl." "Wenn er wieder zurück ist, möchte ich ihn sprechen." "Wissen Sie denn nicht, daß er seinen Posten ab heute zur Verfügung gestellt hat?" fragte van Damm. "Ausgeschlossen!" "Ryan ist zurückgetreten", wiederholte Arnie. Durling wackelte mit dem Zeigefinger. "Richten Sie ihm aus, daß ich ihn im Oval Office sprechen will." "Jawohl. Mr. President." Die Hinrichtungen waren auf Samstag angesetzt, sechs Tage nachdem die Bombe explodiert war. Das Volk versammelte sich, und Kati und Ghosn wurden auf den Marktplatz geführt. Man ließ ihnen Zeit für ein Gebet. Ryan erlebte so etwas zum ersten Mal mit. Murray stand mit steinerner Miene neben ihm. Clark und Chavez behielten zusammen mit einer Gruppe anderer Sicherheitsbeamter vorwiegend die Menge im Auge. "Irgendwie kommt mir das jetzt belanglos vor", meinte Ryan, als die Zeremonie begann. "Falsch! Davon wird die ganze Welt lernen", erwiderte Prinz Ali feierlich. "Das wird vielen eine Lektion sein. Hier wird der Gerechtigkeit Genüge getan." "Erstaunliche Lektion." Ryan betrachtete die Leute, die mit ihm auf dem Dach standen. Er hatte Zeit zum Nachdenken gehabt und sah nun - was? Er wußte es nicht. Er hatte seine Pflicht getan, aber was war die tiefere Bedeutung? "60000 Unschuldige, die nicht hätten sterben sollen, stehen für das Ende von Kriegen, die nie hätten geführt werden sollen? Ist das der Gang der Geschichte, Ali?" "Alle Menschen müssen sterben, Jack. Inschallah, doch nie wieder so viele auf einmal. Sie haben etwas noch Schlimmeres verhindert. Was Sie getan haben, mein Freund... Allah segne Sie." "Ich hätte den Abschußbefehl bestätigt", sagte Avi ehrlich und fühlte sich dabei unbehaglich. "Und dann? Dann hätte ich mir vielleicht eine Kugel in den Kopf gejagt. Wer weiß? Eines steht für mich fest: Ich hätte nicht den Mut gehabt, nein zu sagen." "Und ich auch nicht", fiel Golowko ein. Jack schwieg und schaute hinunter auf den Platz. Die erste Exekution hatte er nicht mitbekommen, aber das störte ihn nicht. Kati war vorbereitet gewesen, aber wie bei so vielen Dingen im Leben wurde die Todessituation von Reflexen gesteuert. Ein Soldat stieß ihn mit der Schwertspitze in die Seite, gerade fest genug, um die Haut anzuritzen. Augen­ 761

"Und warum sollte ich Ihnen glauben?" Der Mann war fast siebzig und hatte<br />

ein tief zerfurchtes Gesicht und zornige schwarze Augen.<br />

"Warum fragen Sie mich dann?"<br />

"Ihre Unverschämtheit mißfällt mir."<br />

"Und mir mißfallen Angriffe auf amerikanische Bürger", versetzte <strong>Ryan</strong>.<br />

"Sie wissen, daß ich mit dieser Sache nichts zu tun hatte."<br />

"Ja, das weiß ich jetzt. Würden Sie mir bitte eine Frage beantworten? Hätten<br />

Sie die Gruppe unterstützt, wenn Sie darum gebeten worden wären?"<br />

"Nein", erwiderte Darjaei.<br />

"Und warum sollte ich das glauben?"<br />

"So viele Menschen zu töten, selbst Ungläubige, ist eine Sünde vor Allah."<br />

"Außerdem wissen Sie nun", fügte <strong>Ryan</strong> hinzu, "wie wir auf so etwas<br />

reagieren würden."<br />

"Beschuldigen Sie mich, zu einer solchen Untat fähig zu sein?"<br />

"Sie beschuldigen uns mit schöner Regelmäßigkeit <strong>aller</strong> möglichen Verbrechen.<br />

Aber in diesem Fall irrten Sie."<br />

"Sie hassen mich."<br />

"Ich kann nicht behaupten, Sympathie zu empfinden", gab <strong>Jack</strong> bereitwillig<br />

zu. "Sie sind ein Feind meines Landes. Sie haben die Mörder meiner Mitbürger<br />

unterstützt. Ihnen hat der Tod von Menschen gefallen, die Sie noch nicht<br />

einmal kannten."<br />

"Und doch ließen Sie nicht zu, daß Ihr Präsident mich tötete."<br />

"<strong>Das</strong> stimmt nicht ganz. Ich hinderte meinen Präsidenten an der Zerstörung<br />

der Stadt."<br />

"Warum?"<br />

"Wie können Sie eine solche Frage stellen, wenn Sie sich wahrhaft für einen<br />

Mann Gottes halten?"<br />

"Sie sind ein Ungläubiger!"<br />

"Falsch. Ich glaube an Gott wie Sie, aber auf eine andere Weise. Sind wir<br />

denn so verschieden? Prinz Ali ist anderer Ansicht. Fürchten Sie denn so den<br />

Frieden zwischen uns? Oder fürchten Sie Dankbarkeit mehr als Haß? Wie<br />

auch immer, Sie fragten mich nach dem Grund, und ich will Ihnen eine<br />

Antwort geben. Ich sollte am Tod unschuldiger Menschen mitwirken. So<br />

einfach war das. Menschen, die ich vielleicht als Ungläubige ansehen sollte.<br />

<strong>Das</strong> wollte ich nicht auf dem Gewissen haben. Ist das so schwer zu verstehen?"<br />

Prinz Ali sagte etwas, das er nicht übersetzte, ein Zitat aus dem Koran<br />

vielleicht. Es klang stilisiert und poetisch. Darjaei nickte und wandte sich ein<br />

letztes Mal an <strong>Ryan</strong>.<br />

"Ich will darüber nachdenken. Leben Sie wohl."<br />

Durling nahm zum ersten Mal auf dem Sessel Platz. Arnold van Damm saß ihm<br />

gegenüber.<br />

"<strong>Das</strong> haben Sie geschickt erledigt."<br />

"Was hätten wir sonst tun können?"<br />

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