Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
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23.01.2013 Aufrufe

sich plötzlich in einer ungeteilten westlichen Stadt, die ihnen die Möglichkeit bot, einfach zu verschwinden. Verwunderlich war nur, daß so wenige desertierten, und ein Grund dafür waren die Straßenmärkte. Immer wieder waren die Soldaten über die Nachfrage an Memorabilien der Roten Armee erstaunt ­ Koppel, Pelzmützen (sogenannte Schapkas), Stiefel, komplette Uniformen, alles mögliche an Kleinkram -, und die dummen Kunden, meist Deutsche und Amerikaner, zahlten bar in harten Devisen, D-Mark, Sterling, Dollar, die in der Sowjetunion ein Vielfaches an Wert hatten. Bei anderen Transaktionen mit anspruchsvolleren Kunden war es um Objekte wie den Panzer T-80 gegangen. Dazu war das stillschweigende Einverständnis des Regimentskommandeurs erforderlich gewesen, der das Fahrzeug dann in seinen Akten als Brandschaden deklariert hatte. In einem Fall war für den Oberst ein Mercedes 560 SEL und so viel Kapital, daß er für den Rest seines Lebens ausgesorgt hatte, herausgekommen. Die westlichen Nachrichtendienste hatten sich inzwischen alles verschafft, was sie interessierte, und die Märkte den Amateuren und Touristen überlassen; sie vermuteten, daß die Sowjets die Schieberei duldeten, weil dadurch viele Devisen zu günstigen Kursen ins Land kamen. Kunden aus dem Westen zahlten grundsätzlich mehr als das Zehnfache der Produktionskosten. Manche Russen glaubten, daß diese Einführung in den Kapitalismus den Wehrpflichtigen nach ihrer Entlassung nützen würde. Erwin Keitel ging auf einen solchen Soldaten, einen Hauptfeldwebel, zu. "Guten Tag", sagte er auf deutsch. "Nicht spreche Deutsch. Englisch?" "Englisch okay, yes?" "Da." Der Russe nickte. "Zehn Uniformen." Keitel hob beide Hände, um die Zahl zu verdeutlichen. "Zehn?" "Zehn, alle groß, meine Größe", sagte Keitel. Er hätte natürlich in perfektem Russisch verhandeln können, aber das hätte ihm nur Ärger eingetragen. "Uniform Oberst, alle Oberst, okay?" "Colonel - Powodnik, yes? Regiment? Drei Sterne hier?" Der Mann tippte sich auf die Schulter. Keitel nickte. "Panzeruniform, muß für Tank sein." "Warum?" fragte der Feldwebel vorwiegend aus Höflichkeit. Er war bei den Panzern und konnte so etwas ganz leicht beschaffen. "Machen Film - Television?" "Television?" Die Augen des Mannes leuchteten auf. "Auch Gürtel, Stiefel?" "Ja." Der Mann schaute sich um und fragte dann leise: "Pistol?" "Geht das?" Der Feldwebel lächelte und nickte eifrig. "Für money." "Muß aber russisch sein, richtige Pistole", radebrechte Keitel, so gut er konnte. 540

"Okay, kann besorgen." "Wann?" "Eine Stunde." "How much?" "5000 Mark, kein Pistol. Zehn Pistol 5000 extra." Die reinste Halsabschneiderei, dachte Keitel. Er hob wieder die Hände. "10000 Mark, okay." Um seine ernsthaften Kaufabsichten zu beweisen, zog er ein Bündel Hunderter hervor und steckte dem Soldaten einen Schein in die Tasche. "Ich warte eine Stunde." "Komme wieder, eine Stunde." Der Feldwebel entfernte sich eilig. Keitel ging in die nächste Kneipe und bestellte sich ein Bier. "Wenn das noch einfacher wäre", sagte er zu einem Kollegen, "würde ich eine Falle vermuten." "Hast du von dem Panzer gehört?" "Dem T-80? Ja, warum?" "Den hat Willi Heydrich für die Amis organisiert." "Der Willi?" Keitel schüttelte den Kopf. "Was hat er dafür verlangt?" "500000 Mark. Idioten, diese Amis. Das hätte doch jeder einfädeln können." "Das wußten sie aber damals nicht." Der Mann lachte höhnisch. Oberstleutnant Wilhelm Heydrich hatte sich mit dem Geld eine Wirtschaft gekauft und nun ein weitaus besseres Auskommen als jemals zuvor in seiner Stasi-Zeit. Bevor er sich an den Klassenfeind verkauft, seinen Beruf an den Nagel gehängt, seinem politischen Erbe den Rücken gekehrt und sich in einen neudeutschen Bürger verwandelt hatte, war er einer von Keitels vielversprechendsten Untergebenen gewesen. Seine Geheimdiensterfahrung hatte er nun als Vehikel benutzt, um den Amerikanern ein letztes Mal eine Nase zu drehen. "Und was sprang für den Russen heraus?" "Der den T-80 verscherbelte? Ha!" Der Mann schnaubte. "Zwei Millionen Mark! Zweifellos gab er dem Divisionskommandeur seinen Anteil, kaufte sich selbst einen Mercedes und tat den Rest auf die Bank. Kurz darauf wurde die Einheit zurück in die Sowjetunion verlegt, und ein Panzer weniger in einer Division... Vielleicht ist das dem Direktorat überhaupt nicht aufgefallen." Sie bestellten noch eine Runde und starrten auf den Fernseher über der Theke; auch das ist so eine widerwärtige amerikanische Sitte, dachte Keitel. Nach 40 Minuten ging er wieder hinaus und ließ seinen Kollegen Blickkontakt halten; immerhin war es möglich, daß man ihm eine Falle stellte. Der russische Feldwebel kam früher und mit leeren Händen zurück. "Wo Sachen?" fragte Keitel den lächelnden Soldaten. "In Jeep, um..." Der Mann gestikulierte. "Corner? Um die Ecke?" "Da, um die Ecke." Der Feldwebel nickte eifrig. Keitel gab seinem Kollegen einen Wink, der daraufhin das Auto holen ging. Gerne hätte er den Soldaten gefragt, welchen Schnitt sein Leutnant bei diesem 541

sich plötzlich in einer ungeteilten westlichen Stadt, die ihnen die Möglichkeit<br />

bot, einfach zu verschwinden. Verwunderlich war nur, daß so wenige desertierten,<br />

und ein Grund dafür waren die Straßenmärkte. Immer wieder waren<br />

die Soldaten über die Nachfrage an Memorabilien der Roten Armee erstaunt ­<br />

Koppel, Pelzmützen (sogenannte Schapkas), Stiefel, komplette Uniformen,<br />

alles mögliche an Kleinkram -, und die dummen Kunden, meist Deutsche und<br />

Amerikaner, zahlten bar in harten Devisen, D-Mark, Sterling, Dollar, die in der<br />

Sowjetunion ein Vielfaches an Wert hatten. Bei anderen Transaktionen mit<br />

anspruchsvolleren Kunden war es um Objekte wie den Panzer T-80 gegangen.<br />

Dazu war das stillschweigende Einverständnis des Regimentskommandeurs<br />

erforderlich gewesen, der das Fahrzeug dann in seinen Akten als Brandschaden<br />

deklariert hatte. In einem Fall war für den Oberst ein Mercedes 560 SEL und so<br />

viel Kapital, daß er für den Rest seines Lebens ausgesorgt hatte, herausgekommen.<br />

Die westlichen Nachrichtendienste hatten sich inzwischen alles verschafft,<br />

was sie interessierte, und die Märkte den Amateuren und Touristen<br />

überlassen; sie vermuteten, daß die Sowjets die Schieberei duldeten, weil<br />

dadurch viele Devisen zu günstigen Kursen ins Land kamen. Kunden aus dem<br />

Westen zahlten grundsätzlich mehr als das Zehnfache der Produktionskosten.<br />

Manche Russen glaubten, daß diese Einführung in den Kapitalismus den<br />

Wehrpflichtigen nach ihrer Entlassung nützen würde.<br />

Erwin Keitel ging auf einen solchen Soldaten, einen Hauptfeldwebel, zu.<br />

"Guten Tag", sagte er auf deutsch.<br />

"Nicht spreche Deutsch. Englisch?"<br />

"Englisch okay, yes?"<br />

"Da." Der Russe nickte.<br />

"Zehn Uniformen." Keitel hob beide Hände, um die Zahl zu verdeutlichen.<br />

"Zehn?"<br />

"Zehn, alle groß, meine Größe", sagte Keitel. Er hätte natürlich in perfektem<br />

Russisch verhandeln können, aber das hätte ihm nur Ärger eingetragen. "Uniform<br />

Oberst, alle Oberst, okay?"<br />

"Colonel - Powodnik, yes? Regiment? Drei Sterne hier?" Der Mann tippte<br />

sich auf die Schulter.<br />

Keitel nickte. "Panzeruniform, muß für Tank sein."<br />

"Warum?" fragte der Feldwebel vorwiegend aus Höflichkeit. Er war bei den<br />

Panzern und konnte so etwas ganz leicht beschaffen.<br />

"Machen Film - Television?"<br />

"Television?" Die Augen des Mannes leuchteten auf. "Auch Gürtel, Stiefel?"<br />

"Ja."<br />

Der Mann schaute sich um und fragte dann leise: "Pistol?"<br />

"Geht das?"<br />

Der Feldwebel lächelte und nickte eifrig. "Für money."<br />

"Muß aber russisch sein, richtige Pistole", radebrechte Keitel, so gut er<br />

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