Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
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23.01.2013 Aufrufe

ekannt, daß Elin zu einem anderen Mann gezogen war, und das Gerücht drang bis zu Benjamins Wache durch, wo die Männer die Verzweiflung ihres Hauptmanns aus seinen Augen ablesen konnten. Manche fragten sich, wie und wann er sich wieder fangen würde, aber nach einer Woche spekulierte man eher, ob er das Tief überhaupt überwinden konnte. An diesem Punkt griff einer von Zadins Wachtmeistern ein und erschien eines Abends vor der Tür des Hauptmanns, begleitet von Rabbi Israel Kohn. An diesem Abend fand Benjamin Zadin zu Gott. Mehr noch, sagte er sich mit einem Blick auf die Altstadtterrassen von Jerusalem, ich habe wieder gelernt, was es bedeutet, Jude zu sein. Was ihm zugestoßen war, konnte nichts anderes als Gottes Strafe sein - für die Sexparties mit seiner Frau und anderen, für die Mißachtung der mütterlichen Ermahnungen, für den Ehebruch, kurz: für zwanzig Jahre sündhafter Gedanken und Taten und der ständigen Vorspiegelung, ein aufrechter und tapferer Kommandant von Polizisten und Soldaten zu sein. Doch von nun an sollte das alles anders werden. Heute wollte er weltliche Gesetze brechen, um seine Sünden gegen das Wort Gottes zu sühnen. Es war am frühen Morgen eines Tages, der glühend heiß zu werden versprach; der Ostwind wehte von Saudi-Arabien her. Hinter Zadin standen vierzig Mann, ausgerüstet mit Schnellfeuergewehren, Tränengas und anderen Waffen, die "Gummigeschosse" feuern konnten, die eigentlich aus verformbarem Kunststoff bestanden, einen erwachsenen Menschen umwerfen und ein Herz durch massive Prellung zum Stillstand bringen konnten. Zadin brauchte seine Männer, um einen Gesetzesbruch zu provozieren - ganz im Gegensatz zu den Zielen seiner Vorgesetzten - und um zu verhindern, daß andere sich einmischten und ihn beim Vollzug des göttlichen Gesetzes störten. So hatte Rabbi Kohn argumentiert. Wer gab die Gesetze? Eine metaphysische, für einen Polizeioffizier viel zu komplizierte Frage. Viel simpler, hatte der Rabbi erklärt, war die Tatsache, daß die Stelle, an der der Tempel Salomons gestanden hatte, die spirituelle Heimat des Judentums und aller Juden war. Gott hatte den Platz gewählt, und menschliche Einsprüche zählten wenig. Es war an der Zeit, daß die Juden wieder in Besitz nahmen, was Gott ihnen gegeben hatte. Heute wollten zehn konservative chassidische Rabbis den Anspruch auf die Stätte geltend machen, an der der neue Tempel exakt nach den Vorgaben der Heiligen Schrift wiederaufgebaut werden sollte. Hauptmann Zadin plante, seinen Befehl, sie am Kettentor aufzuhalten, zu mißachten und die Marschierer von seinen Männern, die auf sein Wort hörten, vor arabischen Demonstranten schützen zu lassen. Zu seiner Überraschung waren die Araber schon sehr früh da. Für ihn waren Angehörige des Volkes, das seine Brüder David und Motti getötet hatte, kaum mehr als Tiere. Von seinen Eltern hatte er gehört, wie es den Juden in Palästina in den dreißiger Jahren ergangen war: Sie waren Angriffen, Terror, Neid und offenem Haß ausgesetzt gewesen, und die Briten hatten sich geweigert, jene, die in Nordafrika an ihrer Seite gekämpft hatten, vor den Arabern zu schützen, den Verbündeten der Achsenmächte. Die Juden konnten sich nur auf sich 50

selbst und ihren Gott verlassen, und diesem Gott waren sie es schuldig, seinen Tempel an der Stelle, wo Abraham den Bund zwischen seinem Volk und dem Herrn erneuert hatte, wiederzuerrichten. Aber die Regierung verstand das nicht - oder sie spielte aus politischen Erwägungen mit dem Schicksal des einzigen Landes auf der Welt, in dem die Juden wirklich sicher waren. Seine Glaubenspflicht war also wichtiger als seine Loyalität der weltlichen Macht gegenüber - eine Erkenntnis, zu der er erst kürzlich gelangt war. Rabbi Kohn erschien zur abgemachten Zeit, begleitet von Rabbi Eleazar Goldmark, der die eintätowierte KZ-Nummer trug und in Auschwitz im Angesicht des Todes zum Glauben gefunden hatte. Beide trugen Pflöcke und Bänder, um den Bauplatz abzustecken, der dann rund um die Uhr bewacht werden sollte, bis sich die israelische Regierung gezwungen sah, die Stätte von islamischen Obszönitäten zu säubern. Mit breiter Unterstützung im Lande und einer Flut von Spenden aus Europa und den USA könnte das Projekt in fünf Jahren fertiggestellt sein, und dann war es endgültig vorbei mit allen Versuchen, dem Volk Israel das von Gott übertragene Land wegzunehmen. "Scheiße", murmelte jemand hinter Hauptmann Zadin, der sich rasch umdrehte; ein zorniger Blick ließ das Lästermaul verstummen. Benjamin nickte den beiden Rabbis zu, die sich nun in Bewegung setzten. In fünfzig Meter Abstand folgte ihnen die Polizei, geführt von ihrem Hauptmann. Zadin hoffte, daß Kohn und Goldmark unversehrt blieben, wußte aber auch, daß sie die Gefahr willig auf sich nahmen wie einstmals Abraham, der bereit gewesen war, dem Herrn seinen Sohn zu opfern. Der Glaube jedoch, der Zadin an diesen Punkt geführt hatte, verschloß ihm die Augen vor der Tatsache, daß in einem so kleinen Land wie Israel nichts geheim bleiben konnte. Andere Israelis, die in Goldmark und Kohn nur einen Gegenpart zu islamischen Fundamentalisten iranischer Prägung sahen, hatten von dem Plan erfahren und die Medien alarmiert. Um die Klagemauer herum warteten Fernsehteams, ausgerüstet mit Kunststoffhelmen, um sich vor dem zu erwartenden Steinhagel zu schützen. Um so besser, dachte Zadin auf dem Weg zum Tempelberg. Die Welt soll ruhig sehen, was geschieht. Unwillkürlich schritt er rascher, um Kohn und Goldmark einzuholen. Die beiden mochten zwar auf ein Märtyrerschicksal gefaßt sein, aber es war seine Aufgabe, sie zu beschützen. Er kontrollierte den Halfter an seiner Hüfte und stellte sicher, daß die Lasche nicht zu stramm geschlossen war. Gut möglich, daß er die Pistole bald brauchte. Die Araber waren zur Stelle. Unangenehm viele hier, dachte er, wie Flöhe oder Ratten an einem Ort, wo sie nicht hingehören. Kein Problem, solange sie nicht störten. Doch Zadin wußte, daß sie gegen den göttlichen Plan waren. Zadins Funkgerät quäkte, aber er ignorierte es. Vermutlich ein Spruch seines Vorgesetzten, der ihm Zurückhaltung befahl. Kohn und Goldmark schritten unerschrocken auf die Araber, die den Weg versperrten, zu. Angesichts ihres Mutes und unerschütterlichen Glaubens kamen Zadin fast die Tränen. Wie würde der Herr ihnen heute seine Gnade erweisen? Zadin hoffte nur, daß sie 51

selbst und ihren Gott verlassen, und diesem Gott waren sie es schuldig, seinen<br />

Tempel an der Stelle, wo Abraham den Bund zwischen seinem Volk und dem<br />

Herrn erneuert hatte, wiederzuerrichten. Aber die Regierung verstand das<br />

nicht - oder sie spielte aus politischen Erwägungen mit dem Schicksal des<br />

einzigen Landes auf der Welt, in dem die Juden wirklich sicher waren. Seine<br />

Glaubenspflicht war also wichtiger als seine Loyalität der weltlichen Macht<br />

gegenüber - eine Erkenntnis, zu der er erst kürzlich gelangt war.<br />

Rabbi Kohn erschien zur abgemachten Zeit, begleitet von Rabbi Eleazar<br />

Goldmark, der die eintätowierte KZ-Nummer trug und in Auschwitz im Angesicht<br />

des Todes zum Glauben gefunden hatte. Beide trugen Pflöcke und Bänder,<br />

um den Bauplatz abzustecken, der dann rund um die Uhr bewacht werden sollte,<br />

bis sich die israelische Regierung gezwungen sah, die Stätte von islamischen<br />

Obszönitäten zu säubern. Mit breiter Unterstützung im Lande und einer Flut<br />

von Spenden aus Europa und den USA könnte das Projekt in fünf Jahren<br />

fertiggestellt sein, und dann war es endgültig vorbei mit allen Versuchen, dem<br />

Volk Israel das von Gott übertragene Land wegzunehmen.<br />

"Scheiße", murmelte jemand hinter Hauptmann Zadin, der sich rasch umdrehte;<br />

ein zorniger Blick ließ das Lästermaul verstummen.<br />

Benjamin nickte den beiden Rabbis zu, die sich nun in Bewegung setzten. In<br />

fünfzig Meter Abstand folgte ihnen die Polizei, geführt von ihrem Hauptmann.<br />

Zadin hoffte, daß Kohn und Goldmark unversehrt blieben, wußte aber auch,<br />

daß sie die Gefahr willig auf sich nahmen wie einstmals Abraham, der bereit<br />

gewesen war, dem Herrn seinen Sohn zu opfern.<br />

Der Glaube jedoch, der Zadin an diesen Punkt geführt hatte, verschloß ihm<br />

die Augen vor der Tatsache, daß in einem so kleinen Land wie Israel nichts<br />

geheim bleiben konnte. Andere Israelis, die in Goldmark und Kohn nur einen<br />

Gegenpart zu islamischen Fundamentalisten iranischer Prägung sahen, hatten<br />

von dem Plan erfahren und die Medien alarmiert. Um die Klagemauer herum<br />

warteten Fernsehteams, ausgerüstet mit Kunststoffhelmen, um sich vor dem<br />

zu erwartenden Steinhagel zu schützen. Um so besser, dachte Zadin auf dem<br />

Weg zum Tempelberg. Die Welt soll ruhig sehen, was geschieht. Unwillkürlich<br />

schritt er rascher, um Kohn und Goldmark einzuholen. Die beiden mochten<br />

zwar auf ein Märtyrerschicksal gefaßt sein, aber es war seine Aufgabe, sie zu<br />

beschützen. Er kontrollierte den Halfter an seiner Hüfte und stellte sicher, daß<br />

die Lasche nicht zu stramm geschlossen war. Gut möglich, daß er die Pistole<br />

bald brauchte.<br />

Die Araber waren zur Stelle. Unangenehm viele hier, dachte er, wie Flöhe<br />

oder Ratten an einem Ort, wo sie nicht hingehören. Kein Problem, solange sie<br />

nicht störten. Doch Zadin wußte, daß sie gegen den göttlichen Plan waren.<br />

Zadins Funkgerät quäkte, aber er ignorierte es. Vermutlich ein Spruch seines<br />

Vorgesetzten, der ihm Zurückhaltung befahl. Kohn und Goldmark schritten<br />

unerschrocken auf die Araber, die den Weg versperrten, zu. Angesichts ihres<br />

Mutes und unerschütterlichen Glaubens kamen Zadin fast die Tränen. Wie<br />

würde der Herr ihnen heute seine Gnade erweisen? Zadin hoffte nur, daß sie<br />

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