Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
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23.01.2013 Aufrufe

Methoden der Nachrichtenübermittlung ab. Wegen einer einzigen Meldung, die der Feind abgefangen hatte, waren Kriege verloren und gewonnen worden. Einer der spektakulärsten außenpolitischen Coups der USA, das Washingtoner Flottenabkommen von 1922, war nur gelungen, weil das amerikanische Außenministerium den gesamten verschlüsselten Informationsaustausch zwischen den teilnehmenden Diplomaten und ihren Regierungen mitgelesen hatte. Eine Regierung, die nicht in der Lage ist, ihre Geheimnisse zu hüten, kann nicht funktionieren. "Nun ja, wir hatten die Walker-Brüder, Pelton und die anderen Spione...", merkte Murray an. Der KGB hatte mit erstaunlichem Erfolg Amerikaner angeworben, die in sensitiven Nachrichtenabteilungen arbeiteten. Die Chiffreure in den Botschaften hatten notwendigerweise Zugang zu streng vertraulichem Material, wurden aber schlecht bezahlt und galten nicht als Techniker, sondern als Verwaltungsangestellte. Einigen war das ein Dorn im Auge, und manche brachte es so auf, daß sie ihr Wissen zu Geld machten. Sie alle lernten mit der Zeit, daß Geheimdienste knausern (mit Ausnahme der CIA, die Landesverrat gut dotiert), aber dann war es immer schon zu spät. Die Walkers hatten den Russen verraten, wie amerikanische Chiffriermaschinen konstruiert sind und wie ihre Tastaturen funktionieren. Die grundlegende Technologie hatte sich im Lauf der letzten zehn Jahre kaum verändert. Technische Verbesserungen hatten die Maschinen zwar effizienter und zuverlässiger gemacht als ihre mechanischen Vorläufer mit Schrittschalter und Nadelscheibe, aber sie arbeiteten nach wie vor auf der Basis der mathematischen Theorie der komplexen Zahlen. Und die Russen hatten einige der besten Mathematiker der Welt. Viele glaubten, daß die Kenntnis der Struktur einer Chiffriermaschine einen guten Mathematiker in die Lage versetzen konnte, das ganze System zu knakken. War einem unbekannten russischen Theoretiker ein Durchbruch gelungen? Und wenn ja... "Wir müssen annehmen, daß wir nicht alle erwischt haben. Wenn wir dazu noch ihre technischen Kenntnisse hinzufügen, kriege ich Kopfschmerzen", sagte Ryan. "Zum Glück ist das FBI nicht direkt betroffen", meinte Murray. Die verschlüsselte Kommunikation des FBI wurde zum größten Teil gesprochen und durch Codenamen und Slang noch weiter getarnt. Außerdem war die Abhörkapazität der Opposition beschränkt. "Könnten Sie Ihre Leute ein bißchen herumschnüffeln lassen?" "Aber sicher. Melden Sie das nach oben weiter?" "Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, Dan." "Damit stoßen Sie zwei mächtige Bürokratien vor den Kopf." Ryan lehnte sich an den Türrahmen. "Im Dienst einer gerechten Sache, oder?" "Sie lernen es nie!" Murray schüttelte den Kopf und lachte. 388

"Diese verfluchten Amerikaner!" tobte Narmonow. "Was ist jetzt los, Andrej Iljitsch?" "Oleg Kirilowitsch, haben Sie eine Ahnung, wie unangenehm der Umgang mit einem mißtrauischen fremden Land ist?" "Noch nicht", antwortete Kadischow. "Ich habe nur mit mißtrauischen Elementen in der Innenpolitik zu tun." Mit dem Politbüro war auch die Lehrzeit abgeschafft worden, in der kommende sowjetische Politiker die internationale Staatskunst lernen konnten. Außenpolitisch waren sie nun so naiv wie die Amerikaner. Und das, sagte sich Kadischow, durfte man nicht vergessen. "Wo liegt das Problem?" "Es muß absolut geheim bleiben, mein junger Freund." "Verstanden." "Die Amerikaner haben ein Rundschreiben an ihre Botschaften geschickt, in dem sie sich diskret nach meiner politischen Verwundbarkeit erkundigen." "Tatsächlich?" Kadischow beschränkte seine Reaktion auf diese knappe Antwort, denn ihm war die Verzwicktheit der Lage sofort klargeworden. Sein Bericht hatte bei den Amerikanern die gewünschte Wirkung gehabt, aber die Tatsache, daß Narmonow darüber informiert war, machte seine eigene Enttarnung als amerikanischer Agent möglich. Ist das nicht interessant? fragte er sich nun ganz objektiv. Seine Manöver waren nun ein echtes Vabanquespiel mit gewaltigen Gewinn- und Verlustchancen. Aber damit war zu rechnen gewesen; schließlich spielte er um mehr als ein Monatsgehalt. "Woher wissen wir das?" fragte er nach kurzem Nachdenken. "Das kann ich Ihnen nicht sagen." "Ich verstehe", sagte Kadischow und dachte: Verdammt! Andererseits aber zieht er mich ins Vertrauen ... oder ist das nur ein Trick? "Können wir auch ganz sicher sein?" "Ja, ziemlich sicher." "Wie kann ich helfen?" "Ich brauche Ihre Unterstützung, Oleg Kirilowitsch, und bitte Sie jetzt noch einmal darum." "Dieses Rundschreiben der Amerikaner hat Sie offenbar sehr getroffen." "Allerdings!" "Ich kann verstehen, daß man sich über dieses Thema Gedanken macht, aber warum interessiert sich Amerika aktiv für unsere Innenpolitik?" "Die Antwort auf diese Frage kennen Sie." "Stimmt." "Ich brauche Ihre Unterstützung", wiederholte Narmonow. "Ich muß mich erst mit meinen Kollegen beraten." "Möglichst bald, bitte." "Wird gemacht." Kadischow verabschiedete sich und ging zu seinem Wagen, den er, was für einen sowjetischen Politiker ungewöhnlich war, selbst steuerte. Die Zeiten hatten sich geändert. Die hohen Herren hatten nun Männer des Volkes zu sein, und das bedeutete die Abschaffung der reservierten 389

"Diese verfluchten Amerikaner!" tobte Narmonow.<br />

"Was ist jetzt los, Andrej Iljitsch?"<br />

"Oleg Kirilowitsch, haben Sie eine Ahnung, wie unangenehm der Umgang<br />

mit einem mißtrauischen fremden Land ist?"<br />

"Noch nicht", antwortete Kadischow. "Ich habe nur mit mißtrauischen<br />

Elementen in der Innenpolitik zu tun." Mit dem Politbüro war auch die<br />

Lehrzeit abgeschafft worden, in der kommende sowjetische Politiker die internationale<br />

Staatskunst lernen konnten. Außenpolitisch waren sie nun so naiv<br />

wie die Amerikaner. Und das, sagte sich Kadischow, durfte man nicht vergessen.<br />

"Wo liegt das Problem?"<br />

"Es muß absolut geheim bleiben, mein junger Freund."<br />

"Verstanden."<br />

"Die Amerikaner haben ein Rundschreiben an ihre Botschaften geschickt, in<br />

dem sie sich diskret nach meiner politischen Verwundbarkeit erkundigen."<br />

"Tatsächlich?" Kadischow beschränkte seine Reaktion auf diese knappe<br />

Antwort, denn ihm war die Verzwicktheit der Lage sofort klargeworden. Sein<br />

Bericht hatte bei den Amerikanern die gewünschte Wirkung gehabt, aber die<br />

Tatsache, daß Narmonow darüber informiert war, machte seine eigene Enttarnung<br />

als amerikanischer Agent möglich. Ist das nicht interessant? fragte er sich<br />

nun ganz objektiv. Seine Manöver waren nun ein echtes Vabanquespiel mit<br />

gewaltigen Gewinn- und Verlustchancen. Aber damit war zu rechnen gewesen;<br />

schließlich spielte er um mehr als ein Monatsgehalt. "Woher wissen wir<br />

das?" fragte er nach kurzem Nachdenken.<br />

"<strong>Das</strong> kann ich Ihnen nicht sagen."<br />

"Ich verstehe", sagte Kadischow und dachte: Verdammt! Andererseits aber<br />

zieht er mich ins Vertrauen ... oder ist das nur ein Trick? "Können wir auch<br />

ganz sicher sein?"<br />

"Ja, ziemlich sicher."<br />

"Wie kann ich helfen?"<br />

"Ich brauche Ihre Unterstützung, Oleg Kirilowitsch, und bitte Sie jetzt noch<br />

einmal darum."<br />

"Dieses Rundschreiben der Amerikaner hat Sie offenbar sehr getroffen."<br />

"Allerdings!"<br />

"Ich kann verstehen, daß man sich über dieses Thema Gedanken macht,<br />

aber warum interessiert sich Amerika aktiv für unsere Innenpolitik?"<br />

"Die Antwort auf diese Frage kennen Sie."<br />

"Stimmt."<br />

"Ich brauche Ihre Unterstützung", wiederholte Narmonow.<br />

"Ich muß mich erst mit meinen Kollegen beraten."<br />

"Möglichst bald, bitte."<br />

"Wird gemacht." Kadischow verabschiedete sich und ging zu seinem Wagen,<br />

den er, was für einen sowjetischen Politiker ungewöhnlich war, selbst<br />

steuerte. Die Zeiten hatten sich geändert. Die hohen Herren hatten nun<br />

Männer des Volkes zu sein, und das bedeutete die Abschaffung der reservierten<br />

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