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Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

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Labyrinthe<br />

Wenige Minuten nachdem der Brief aus Georgetown in einem Dienstzimmer in<br />

Rom eingegangen war, legte ihn der Mann vom Nachtdienst einfach auf den<br />

Schreibtisch des Zuständigen und bereitete sich dann weiter auf ein Examen<br />

über die metaphysischen Diskurse des heiligen Thomas von Aquin vor. Am<br />

nächsten Morgen erschien der Jesuit Hermann Schörner, Privatsekretär des<br />

Generals der Gesellschaft Jesu, Francisco Alcalde, pünktlich um sieben und<br />

begann die über Nacht eingegangene Post zu sortieren. <strong>Das</strong> Fax aus Amerika<br />

war der dritte Vorgang von oben und machte den jungen Geistlichen stutzig.<br />

Chiffrierte Nachrichten gehörten zwar zu seiner Arbeit, waren aber selten. Der<br />

Code oben auf der ersten Seite zeigte Absender und Dringlichkeitsgrad an.<br />

Pater Schörner ging eilig den Rest der Post durch und machte sich dann sofort<br />

an die Arbeit.<br />

Pater Rileys Prozedur wiederholte sich nun auf exakt umgekehrte Weise. Der<br />

einzige Unterschied war, daß Pater Schörner vorzüglich Maschine schrieb. Er<br />

las den Text mit einem optischen Scanner in einen Personalcomputer ein und<br />

rief das Dechiffrierprogramm auf. Unregelmäßigkeiten, die bei der Übertragung<br />

entstanden waren, führten zu Entstellungen, die sich aber leicht korrigieren<br />

ließen, und dann glitt der entschlüsselte Text aus dem Tintenstrahldrucker<br />

- natürlich noch in Attisch. Statt Rileys mühseliger drei Stunden hatte dieser<br />

Prozeß nur zwanzig Minuten in Anspruch genommen. Der junge Priester<br />

kochte Kaffee für sich und seinen Vorgesetzten und las dann über der zweiten<br />

Tasse den erstaunlichen Brief.<br />

Francisco Alcalde war ein älterer, aber ungewöhnlich dynamischer Mann.<br />

Für seine 66 Jahre spielte er noch recht gut Tennis, und er fuhr gelegentlich mit<br />

dem Heiligen Vater Ski. Er war hager und drahtig, über einsneunzig groß und<br />

trug einen dichten grauen Bürstenschnitt über den tiefliegenden Augen, die an<br />

einen Uhu erinnerten. Alcalde war ein hochgelehrter Mann, der elf Sprachen<br />

beherrschte und vielleicht Europas erste Autorität für mittelalterliche Geschichte<br />

geworden wäre, hätte er sich nicht für den Priesterberuf entschieden.<br />

Vor allem aber war er ein Geistlicher, dessen Pflichten in der Verwaltung zu<br />

seinem Wunsch nach Lehre und Seelsorge im Widerspruch standen. In einigen<br />

Jahren wollte er seine Stellung als General des größten und mächtigsten<br />

katholischen Ordens aufgeben und wieder an die Universität gehen, um junge<br />

Menschen zu inspirieren und in der Kirche eines Arbeiterviertels, wo er sich<br />

um normale menschliche Probleme kümmern konnte, die Messe zu lesen - als<br />

Höhepunkt eines gesegneten Lebens, wie er dachte. Vollkommen war er jedoch<br />

nicht; häufig hatte er mit seiner intellektuellen Eitelkeit zu kämpfen und<br />

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