Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

schulte.josefine23
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23.01.2013 Aufrufe

hatte aber falsch kalkuliert. Es war in diesem regenreichen Gebiet der feuchteste Sommer seit Menschengedenken, und das Holz, das schon beim Schlagen feucht gewesen war, saugte sich mit Wasser nur so voll, ganz besonders an den Stümpfen der Aste, die im Wald abgesägt worden waren. Vermutlich wogen die Stämme nun mehr als in frisch geschlagenem Zustand. Vielleicht hätte man sie mit Planen abdecken sollen, dachte der Frachtmeister, aber das hätte die Feuchtigkeit nur eingeschlossen. Außerdem lautete die Anweisung, sie auf den Anhängern liegen zu lassen. Es regnete nun. Der Hof verwandelte sich in einen Sumpf, der von jedem Laster und Schlepper weiter aufgewühlt wurde. Nun, die Japaner hatten wohl ihre eigenen Vorstellungen, wie das Holz zu trocknen und zu verarbeiten war. Ihre Anweisungen schlössen jede vernünftige Lagerung hier aus. Selbst beim Seetransport auf der M/S George McReady sollten die Bäume als Deckfracht gehen. Und da liegen sie bestimmt auch im Weg herum, dachte der Frachtmeister. Sollten sie noch mehr Feuchtigkeit aufnehmen, würden sie versinken, wenn sie ins Wasser fielen. Der Bauer wußte, daß seinen Enkeln sein rückständiges Leben unangenehm war. Sie sperrten sich gegen seine Umarmungen und Küsse und murrten wahrscheinlich vor jedem Besuch, aber das störte ihn nicht. Den Kindern heutzutage fehlte der Respekt vor dem Alter; vielleicht war das der Preis, den man für die besseren Chancen, die sie genossen, zahlen mußte. Sein Leben hatte sich kaum von dem seiner Vorfahren unterschieden, aber seinem Sohn ging es trotz seiner Verwundung besser als ihm, und seinen Kindern winkte noch größerer Wohlstand. Die Jungen waren stolz auf ihren Vater. Wenn ihre Schulkameraden abfällige Bemerkungen über ihre drusische Religion machten, konnten die Jungs erwidern, ihr Vater sei im Kampf gegen die verhaßten Israelis verwundet worden und habe sogar ein paar Zionisten getötet. Und die syrische Regierung erwies ihren Kriegsversehrten einige Dankbarkeit. Der Sohn des Bauern besaß eine kleine Firma und wurde von der sonst schikanösen Bürokratie in Ruhe gelassen. Er hatte, was in der Region ungewöhnlich war, erst spät geheiratet. Seine Frau war hübsch genug und respektvoll - sie war freundlich zu dem alten Bauern, vermutlich aus Dankbarkeit, weil er nie Interesse gezeigt hatte, in ihren kleinen Haushalt zu ziehen. Der Bauer war sehr stolz auf seine Enkel, kräftige, gesunde Jungs, dickköpfig und aufsässig dazu, wie es sich eben für Buben gehört. Auch der Sohn des Bauern war stolz und hatte es zu etwas gebracht. Nach dem Mittagessen ging er mit seinem Vater ins Freie, betrachtete sich den Garten, den er einmal gejätet hatte, und bekam Schuldgefühle, weil sich sein Vater hier immer noch Tag für Tag abrackerte. Doch hatte er seinen Vater nicht zu sich nehmen wollen? Alle Angebote waren abgelehnt worden. Der alte Mann mochte nicht viel besitzen, aber seinen Stolz ließ er sich nicht nehmen. "Der Garten sieht dieses Jahr gut aus." "Ja, es hat ordentlich geregnet", stimmte der Bauer zu. "Es gibt heuer auch viele Lämmer. Kein schlechtes fahr. Wie sieht es bei dir aus?" 140

"Mein bestes Jahr bisher. Vater, ich wollte, du müßtest dich nicht so schinden." "Ach was!" Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich kenne doch nichts anderes. Und hier gehöre ich hin." Was hat der Mann doch für einen Mut, dachte der Sohn. Der Alte gab in der Tat nicht auf. Er hatte seinem Sohn nicht viel geben können, ihm aber seinen stoischen Mut vererbt. Als er auf dem Golan zwanzig Meter von den rauchenden Trümmern seines Schützenpanzers entfernt gelegen hatte, ein Auge zerstört und eine Hand so zerfetzt, daß sie später abgenommen werden mußte, hätte der Sohn einfach aufgeben und sterben können. Aber er dachte an seinen Vater, für den es kein Aufgeben gab, stand auf, nahm sein Gewehr und lief sechs Kilometer weit zum Verwundeten-Sammelpunkt seines Bataillons, wo er erst Meldung erstattete, ehe er sich versorgen ließ. Dafür bekam er eine Auszeichnung und von seinem Bataillonskommandeur Geld für den Start ins Zivilleben. Der Offizier gab der örtlichen Verwaltung auch zu verstehen, daß sein Mann mit Respekt zu behandeln sei. Von seinem Obersten hatte der Sohn Geld bekommen, von seinem Vater aber die Courage. Nun bedauerte er, daß der Alte sich nicht ein wenig unter die Arme greifen ließ. "Mein Sohn, ich brauche deinen Rat." Das war neu. "Gerne, Vater." "Komm, ich will dir etwas zeigen." Er ging voran in den Garten zu den Karottenbeeten, schob mit der Fußspitze Erde beiseite... "Halt!" schrie der Sohn, packte seinen Vater beim Arm und zog ihn zurück. "Um Himmels willen, seit wann liegt das da?" "Seit dem Tag, an dem du verwundet wurdest", gab der Bauer zurück. Der Sohn faßte an seine Augenklappe und erinnerte sich einen schrecklichen Augenblick lang an den grausigen Tag. Er hatte einen grellen Blitz gesehen, war durch die Luft geflogen und hatte die Todesschreie seiner verbrennenden Kameraden hören müssen. Das hatten die Israelis getan. Eine israelische Kanone hatte seine Mutter getötet. Und nun - dies? Was war das? Er befahl seinem Vater, sich nicht vom Fleck zu rühren, und ging so vorsichtig, als durchquere er ein Minenfeld, an das Objekt heran. Er war bei den Pionieren gewesen; seine Einheit hatte zwar einen Kampfauftrag bei der Infanterie erhalten, im Grunde aber die Funktion der Minenleger gehabt. Das große Objekt sah aus wie eine israelische Tausend-Kilo-Bombe; ihre Herkunft erkannte er an der Farbe. Nun drehte er sich zu seinem Vater um. "Und das liegt schon seit damals da?" "Ja. Das Ding warf einen Krater auf, den ich zuschüttete. Der Frost muß es nach oben gebracht haben. Ist es gefährlich? Muß doch ein Blindgänger sein." "Vater, diese Bomben bleiben gefährlich, sehr sogar. Wenn diese hier losgeht, sprengt sie dich und dein ganzes Haus in die Luft!" Der Bauer machte eine verächtliche Geste. "Warum ist das dumme Ding dann nicht gleich explodiert?" "Unsinn! Höre jetzt auf mich: Halte dich von diesem Teufelsding fern!" 141

"Mein bestes Jahr bisher. Vater, ich wollte, du müßtest dich nicht so schinden."<br />

"Ach was!" Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich kenne doch<br />

nichts anderes. Und hier gehöre ich hin."<br />

Was hat der Mann doch für einen Mut, dachte der Sohn. Der Alte gab in der<br />

Tat nicht auf. Er hatte seinem Sohn nicht viel geben können, ihm aber seinen<br />

stoischen Mut vererbt. Als er auf dem Golan zwanzig Meter von den rauchenden<br />

Trümmern seines Schützenpanzers entfernt gelegen hatte, ein Auge zerstört<br />

und eine Hand so zerfetzt, daß sie später abgenommen werden mußte,<br />

hätte der Sohn einfach aufgeben und sterben können. Aber er dachte an seinen<br />

Vater, für den es kein Aufgeben gab, stand auf, nahm sein Gewehr und lief<br />

sechs Kilometer weit zum Verwundeten-Sammelpunkt seines Bataillons, wo er<br />

erst Meldung erstattete, ehe er sich versorgen ließ. Dafür bekam er eine<br />

Auszeichnung und von seinem Bataillonskommandeur Geld für den Start ins<br />

Zivilleben. Der Offizier gab der örtlichen Verwaltung auch zu verstehen, daß<br />

sein Mann mit Respekt zu behandeln sei. Von seinem Obersten hatte der Sohn<br />

Geld bekommen, von seinem Vater aber die Courage. Nun bedauerte er, daß<br />

der Alte sich nicht ein wenig unter die Arme greifen ließ.<br />

"Mein Sohn, ich brauche deinen Rat."<br />

<strong>Das</strong> war neu. "Gerne, Vater."<br />

"Komm, ich will dir etwas zeigen." Er ging voran in den Garten zu den<br />

Karottenbeeten, schob mit der Fußspitze Erde beiseite...<br />

"Halt!" schrie der Sohn, packte seinen Vater beim Arm und zog ihn zurück.<br />

"Um Himmels willen, seit wann liegt das da?"<br />

"Seit dem Tag, an dem du verwundet wurdest", gab der Bauer zurück.<br />

Der Sohn faßte an seine Augenklappe und erinnerte sich einen schrecklichen<br />

Augenblick lang an den grausigen Tag. Er hatte einen grellen Blitz gesehen, war<br />

durch die Luft geflogen und hatte die Todesschreie seiner verbrennenden<br />

Kameraden hören müssen. <strong>Das</strong> hatten die Israelis getan. Eine israelische<br />

Kanone hatte seine Mutter getötet. Und nun - dies?<br />

Was war das? Er befahl seinem Vater, sich nicht vom Fleck zu rühren, und<br />

ging so vorsichtig, als durchquere er ein Minenfeld, an das Objekt heran. Er<br />

war bei den Pionieren gewesen; seine Einheit hatte zwar einen Kampfauftrag<br />

bei der Infanterie erhalten, im Grunde aber die Funktion der Minenleger<br />

gehabt. <strong>Das</strong> große Objekt sah aus wie eine israelische Tausend-Kilo-Bombe;<br />

ihre Herkunft erkannte er an der Farbe. Nun drehte er sich zu seinem Vater um.<br />

"Und das liegt schon seit damals da?"<br />

"Ja. <strong>Das</strong> Ding warf einen Krater auf, den ich zuschüttete. Der Frost muß es<br />

nach oben gebracht haben. Ist es gefährlich? Muß doch ein Blindgänger sein."<br />

"Vater, diese Bomben bleiben gefährlich, sehr sogar. Wenn diese hier losgeht,<br />

sprengt sie dich und dein ganzes Haus in die Luft!"<br />

Der Bauer machte eine verächtliche Geste. "Warum ist das dumme Ding<br />

dann nicht gleich explodiert?"<br />

"Unsinn! Höre jetzt auf mich: Halte dich von diesem Teufelsding fern!"<br />

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