Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller
Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller
Sie war das Licht in Fowlers Leben gewesen und hatte das, was als seine Persönlichkeit galt, eigentlich selbst erschaffen, die mit ihrem Tod langsam abstarb. Im Grunde ein Verteidigungsmechanismus, das wußte er. Endlose Monate lang hatte er stark sein, ihr die stoische Energie liefern müssen, ohne die sie so viel früher gestorben wäre, aber dabei war aus Bob Fowler ein Automat geworden. Charakterstärke, Kraft und Mut eines Mannes sind nicht unbegrenzt, und mit Marians Leben war auch seine Menschlichkeit verebbt. Vielleicht sogar noch mehr, gestand sich Fowler. Das Perverse daran war, daß diese Erfahrung einen besseren Politiker aus ihm gemacht hatte. In seinen besten Jahren als Gouverneur und im Präsidentschaftswahlkampf hatte er sich zur Überraschung der selbsternannten Experten, Kommentatoren und Ferndiagnostiker als der ruhige, leidenschaftslose, von Vernunft geleitete Mann dargestellt, den die Wähler sehen wollten. Geholfen hatte ihm auch die Tatsache, daß der Wahlkampf seines Vorgängers aus unerklärlichen Gründen plump geführt worden war, obwohl Fowler glaubte, daß ihm der Sieg so oder so sicher gewesen war. Seit seinem Erfolg vor knapp zwei Jahren war er seit Grover Cleveland der erste Präsident ohne Frau. Die Leitartikler nannten ihn den Technokraten im Weißen Haus, den Mann ohne Persönlichkeit, und daß er Jura studiert und als Rechtsanwalt gearbeitet hatte, schien bei den Medien niemanden zu scheren. Sobald man ihm ein Etikett verpaßt hatte, das die allgemeine Zustimmung fand, erhob man es zur Wahrheit, ob es nun zutraf oder nicht: Fowler, der Mann aus Eis. Ach, wenn Marian mich so sehen könnte, dachte er. Sie hatte gewußt, daß er nicht aus Eis gemacht war. Es gab Menschen, die sich an den alten Bob Fowler erinnerten, den temperamentvollen Anwalt vor Gericht, den Bürgerrechtskämpfer, die Geißel des organisierten Verbrechens, den Mann, der in Cleveland aufgeräumt hatte. Dieser Effekt war wie alle politischen Erfolge nicht von Dauer. Er dachte an die Geburt seiner Kinder, seinen Vaterstolz, an die Liebe, die er zu seiner Familie empfunden hatte, an intime Stunden in Restaurants bei Kerzenschein. Er erinnerte sich an ein Footballspiel an der High School, das Marian mehr begeistert hatte als ihn. Ihre dreißigjährige Ehe hatte begonnen, als beide noch studierten. Zum Ende hin war sie von der Krankheit überschattet worden, die Marian mit Ende Dreißig befallen, sich zehn Jahre später drastisch verschlimmert und dann nach einer langen Leidenszeit zum Tode geführt hatte. Am Ende war er so erschöpft gewesen, daß er nicht einmal mehr weinen konnte. Und dann kamen die Jahre der Einsamkeit. Nun, diese Zeit war vielleicht vorbei. Ein Glück, daß es den Secret Service gibt, dachte Fowler. Im Gouverneurspalast in Columbus wäre die Sache rasch herausgekommen. Hier war das anders. Vor der Tür standen zwei bewaffnete Agenten, und im Korridor hielt sich ein Offizier der Army mit der Ledertasche auf, die die Geheimcodes für einen Nuklearschlag enthielt. Die flapsige Bezeichnung "der Fußball" mißfiel dem Präsidenten, aber es gab Dinge, die selbst er nicht ändern konnte. Auf 136
jeden Fall aber konnte seine Sicherheitsberaterin sein Bett mit ihm teilen, und der Stab im Weißen Haus wahrte das Geheimnis. Fowler hielt das für bemerkenswert. Nun schaute er auf seine Geliebte hinab. Elizabeth sah unbestreitbar attraktiv aus. Ihre Haut war blaß, weil sie wegen ihrer Arbeitsgewohnheiten nicht in die Sonne kam. aber er bevorzugte hellhäutige Frauen. Da die Bettdecke nach den Bewegungen der vergangenen Nacht schief lag, konnte er ihren Rücken sehen; wie glatt und weich ihre Haut war! Er spürte ihren ruhigen Atem an seiner Brust und den Druck ihres linken Armes, der ihn umschlang. Er fuhr ihr sanft über den Rücken und wurde mit einem wohligen Brummen und einer festeren Umarmung belohnt. Es wurde diskret angeklopft. Der Präsident zog die Decke hoch und räusperte sich. Nach einer Anstandspause ging die Tür auf, ein Agent trug ein Tablett mit Kaffee und Computerausdrucken herein und zog sich wieder zurück. Fowler wußte, daß er sich auf einen gewöhnlichen Agenten nicht uneingeschränkt verlassen konnte, aber der Secret Service war in der Tat die amerikanische Version der Prätorianergarde. Der Agent ließ sich nichts anmerken und nickte dem "Boß", wie seine Kollegen ihn nannten, nur zu. Man diente ihm mit fast sklavischer Hingabe. Die Agenten waren zwar gebildete Männer und Frauen, hatten aber ein schlichtes Weltbild; auch für solche Leute war Platz, wie Fowler fand. Es mußte Menschen geben, auch hochqualifizierte, die die Befehle ihrer Vorgesetzten ausführten. Die bewaffneten Beamten hatten geschworen, ihn zu beschützen, wenn nötig sogar mit dem eigenen Leib - "die Kugel fangen" nannte man das Deckmanöver -, und Fowler fand verblüffend, daß so intelligente Menschen sich so selbstlos für eine so hirnlose Sache ausbilden lassen konnten. Immerhin aber war das Ganze zu seinen Gunsten, und er konnte auch auf ihre Diskretion bauen. So gutes Hauspersonal ist schwer zu bekommen, witzelten die Lästerzungen. Wohl wahr: Man mußte schon Präsident sein, um sich solche Dienstboten leisten zu können. Fowler griff nach der Kanne und goß sich einen Kaffee ein, den er schwarz trank. Nach dem ersten Schluck drückte er auf die TV-Fernbedienung und stellte CNN an, das gerade über die Verhandlungen in Rom, wo es zwei Uhr nachmittags war, berichtete. "Hmm." Elizabeth bewegte den Kopf, und ihr Haar strich über seine Haut. Fowler fuhr mit dem Finger an ihrem Rückgrat entlang und erntete eine letzte Umarmung, ehe sie die Augen aufschlug. Dann aber hob sie den Kopf mit einem heftigen Ruck. "Bob!" "Ja, was ist?" "Es war jemand im Zimmer!" Sie wies auf das Tablett, das Fowler bestimmt nicht selbst geholt hatte. "Kaffee?" "BOB!" "Ich bitte dich, Elizabeth, die Leute vor der Tür wissen, daß du hier bist. Was 137
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aus. Ihre Haut war blaß, weil sie wegen ihrer Arbeitsgewohnheiten nicht in<br />
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Es wurde diskret angeklopft. Der Präsident zog die Decke hoch und räusperte<br />
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uneingeschränkt verlassen konnte, aber der Secret Service war in der Tat die<br />
amerikanische Version der Prätorianergarde. Der Agent ließ sich nichts anmerken<br />
und nickte dem "Boß", wie seine Kollegen ihn nannten, nur zu. Man diente<br />
ihm mit fast sklavischer Hingabe. Die Agenten waren zwar gebildete Männer<br />
und Frauen, hatten aber ein schlichtes Weltbild; auch für solche Leute war<br />
Platz, wie Fowler fand. Es mußte Menschen geben, auch hochqualifizierte, die<br />
die Befehle ihrer Vorgesetzten ausführten. Die bewaffneten Beamten hatten<br />
geschworen, ihn zu beschützen, wenn nötig sogar mit dem eigenen Leib - "die<br />
Kugel fangen" nannte man das Deckmanöver -, und Fowler fand verblüffend,<br />
daß so intelligente Menschen sich so selbstlos für eine so hirnlose Sache<br />
ausbilden lassen konnten. Immerhin aber war das Ganze zu seinen Gunsten,<br />
und er konnte auch auf ihre Diskretion bauen. So gutes Hauspersonal ist<br />
schwer zu bekommen, witzelten die Lästerzungen. Wohl wahr: Man mußte<br />
schon Präsident sein, um sich solche Dienstboten leisten zu können.<br />
Fowler griff nach der Kanne und goß sich einen Kaffee ein, den er schwarz<br />
trank. Nach dem ersten Schluck drückte er auf die TV-Fernbedienung und<br />
stellte CNN an, das gerade über die Verhandlungen in Rom, wo es zwei Uhr<br />
nachmittags war, berichtete.<br />
"Hmm." Elizabeth bewegte den Kopf, und ihr Haar strich über seine Haut.<br />
Fowler fuhr mit dem Finger an ihrem Rückgrat entlang und erntete eine letzte<br />
Umarmung, ehe sie die Augen aufschlug. Dann aber hob sie den Kopf mit<br />
einem heftigen Ruck.<br />
"Bob!"<br />
"Ja, was ist?"<br />
"Es war jemand im Zimmer!" Sie wies auf das Tablett, das Fowler bestimmt<br />
nicht selbst geholt hatte.<br />
"Kaffee?"<br />
"BOB!"<br />
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