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Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

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Steinen, die er selbst von seinen felsigen Feldern geschleppt hatte, und wollte<br />

nur eines: in Frieden leben. <strong>Das</strong> durfte doch nicht zuviel verlangt sein, hatte er<br />

sich einmal gesagt, aber er war in Sechsundsechzig bewegten Jahren immer<br />

wieder enttäuscht worden. Er hatte seinen Gott um Gnade angefleht und um<br />

ein paar kleine Bequemlichkeiten - auf Reichtum hatte er nie gehofft -, um<br />

seiner Frau und ihm das Los ein wenig zu erleichtern. Aber immer vergebens.<br />

Von den fünf Kindern, die ihm seine Frau geboren hatte, waren vier in der<br />

Kindheit gestorben, und der einzige überlebende Sohn war 1973 von der<br />

syrischen Armee eingezogen worden - gerade rechtzeitig, um am Krieg teilzunehmen.<br />

Immerhin hatte sein Sohn mehr Glück gehabt als der Rest der<br />

Familie: Als eine israelische Granate seinen Schützenpanzer BTR-60 traf.<br />

wurde er hinausgeschleudert und verlor nur ein Auge und eine Hand. Nun war<br />

er zwar halbblind und verkrüppelt, hatte aber geheiratet, Enkel gezeugt und<br />

genoß als Kaufmann und Geldverleiher bescheidenen Erfolg. Angesichts seines<br />

Schicksals kein großer Segen, aber für den alten Bauern war es die einzige<br />

Freude, die er im Leben gehabt hatte.<br />

Der Druse baute Gemüse an und ließ seine Schafe und Ziegen auf einem<br />

steinigen Feld nahe der syrisch-libanesischen Grenze weiden. Standhaft<br />

konnte man ihn nicht nennen, und auch kaum beharrlich; selbst sein Wille zum<br />

Überleben war schwach. Für den alten Bauern war das Leben nur eine Gewohnheit,<br />

die er nicht ablegen konnte, eine endlose Folge von Tagen, derer er<br />

immer überdrüssiger wurde. Wenn im Frühjahr die Lämmer geboren wurden,<br />

wünschte er sich insgeheim, er möge den Tag ihrer Schlachtung nicht mehr<br />

erleben - andererseits aber störte ihn die Vorstellung, daß diese dummen und<br />

sanftmütigen Tiere ihn überleben könnten.<br />

Wieder brach ein Tag an. Der Bauer besaß keinen Wecker und brauchte ihn<br />

auch nicht. Wenn der Himmel hell wurde, begannen die Glocken seiner Schafe<br />

und Ziegen zu bimmeln. Er schlug die Augen auf und spürte sofort die<br />

Schmerzen in seinen Gliedern. Er reckte sich und stand langsam auf. Nach<br />

wenigen Minuten war er gewaschen und hatte sich die grauen Stoppeln vom<br />

Gesicht geschabt, dann frühstückte er hartes Brot und starken, süßen Kaffee,<br />

und der Arbeitstag begann. Um seinen Gemüsegarten kümmerte sich der<br />

Bauer früh am Morgen noch vor der Hitze des Tages. Er hatte einen recht<br />

großen Garten, weil er den Überschuß auf dem Markt verkaufte und sich so die<br />

wenigen Dinge finanzierte, die ihm als Luxus galten. Selbst das war ein Kampf.<br />

Die Arbeit quälte seine arthritischen Gelenke, und es war eine Plage, seine<br />

Tiere von den zarten Trieben fernzuhalten. Andererseits konnte er die Schafe<br />

und Ziegen verkaufen, und den Erlös, den er dafür bekam, brauchte er bitter<br />

nötig, um nicht hungern zu müssen. In Wirklichkeit aber schaffte er sich im<br />

Schweiße seines Angesichts ein annehmbares Auskommen und hatte, weil er<br />

allein lebte, mehr als genug zu essen. Die Einsamkeit hatte ihn geizig gemacht;<br />

selbst seine Gartengeräte waren alt. Die Sonne stand noch tief, als er bedächtig<br />

auf sein Feld stapfte, um das Unkraut zu jäten, das täglich aufs neue zwischen<br />

den Reihen hochschoß. Ach, wenn man doch bloß eine Ziege dressieren<br />

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