Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller
Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller
lich war, sendete man die bombastische Tirade gekürzt. Die meiste Sendezeit bekam ein selbsternannter "charismatischer Christ" aus dem Süden der USA. Nachdem er den Katholizismus als Werk des Antichristen angeprangert hatte, wiederholte er seine Behauptung, der Herr höre die Gebete der luden und heidnischen Moslems, die er noch zusätzlich beleidigend "Mohammedaner" nannte, überhaupt nicht. Mit ihrer Botschaft kamen diese Demagogen jedoch nicht an. Die Zuschauer riefen erbost bei den Anstalten an und wollten wissen, warum man diesen Leuten überhaupt Gelegenheit gab, ihre Bigotterien zu verbreiten. Die TV- Chefs freute das natürlich, denn erfahrungsgemäß schalteten diese Leute das Programm wieder ein, um sich weiter schockieren zu lassen. Bei dem amerikanischen Eiferer gingen sofort die Spenden zurück. B'nai B'rith distanzierte sich hastig von dem wildgewordenen Rabbi. Das Oberhaupt der Islamischen Liga, ein Geistlicher von hohem Rang, beschuldigte den radikalen Imam der Ketzerei und zitierte ausführlich den Propheten. Fernsehkommentatoren sorgten mit Gegenpositionen für eine Ausgewogenheit, die einige Zuschauer besänftigte und andere aufbrachte. Schon nach einem Tag, schrieb ein Kolumnist, hätten die zu Tausenden angereisten Korrespondenten der runden Piazza San Pietro den Namen "Peace-Bowl" gegeben. Aufmerksame Beobachter führten diese kindische Anspielungauf die Super-Bowl, das Spiel um die Meisterschaft im amerikanischen Football, auf den Streß zurück, unter dem Reporter stehen, wenn sie berichten müssen und nichts zu berichten haben. Die Konferenz war hermetisch abgesichert. Teilnehmer reisten mit Militärmaschinen an und landeten auf Militärflugplätzen. Man hielt die Reporter und die mit Teleobjektiven bewaffneten Kameraleute so weit wie möglich vom Geschehen fern und ließ die Konferenzteilnehmer vorwiegend bei Nacht anreisen. Die Schweizergarde in ihren Renaissance-Kostümen ließ keine Maus durch, und wenn sich zur Abwechslung einmal etwas Wichtiges ereignete - der Verteidigungsminister der Schweiz betrat den Vatikan durch einen Nebeneingang -, merkte niemand etwas. Die Ergebnisse von Meinungsumfragen in zahlreichen Ländern zeigten, daß die Welt Frieden wollte und nach dem Ausgleich mit dem Osten besonders euphorisch den Durchbruch erwartete. Zwar warnten Kommentatoren, es habe in der jüngeren Geschichte keine heiklere politische Frage gegeben, aber auf der ganzen Welt beteten die Menschen in mehr als hundert Sprachen und in mehr als einer Million Kirchen für die Beilegung dieses letzten und gefährlichsten Streites auf dem Planeten. Es sprach für die Fernsehanstalten, daß sie auch darüber berichteten. Berufsdiplomaten, darunter abgebrühte Zyniker, die seit ihrer Kindheit kein Gotteshaus mehr von innen gesehen hatten, bekamen den Druck dieser Erwartungshaltung zu spüren. Vereinzelte Berichte aus der Verwaltung des Vatikans sprachen von nächtlichen Spaziergängen im Schiff des Petersdoms, von Beratungen auf Baikonen unter sternklarem Himmel und von langen Gesprächen 130
einiger Teilnehmer mit dem Heiligen Vater, konnten aber keine Details nennen. Die hochbezahlten TV-Koordinatoren starrten einander in peinlichem Schweigen an. Journalisten stahlen jede nur verfügbare Idee, damit sie überhaupt etwas zu schreiben hatten. Seit der Marathonrunde von Camp David damals hatten Jimmy Carter, Menachem Begin und Anwar As Sadat um den Frieden gerungen - war nicht mehr über so schwerwiegende Verhandlungen so wenig verlautbart worden. Und die Welt hielt den Atem an. Der alte Mann trug einen roten, weiß abgesetzten Fes und war einer der wenigen, die noch an dieser traditionellen Tracht festhielten. Das Leben der Drusen ist schwer, und diesem Mann war seine Religion, an der er nun seit Sechsundsechzig Jahren festgehalten hatte, der einzige Trost. Die Drusen sind Mitglieder einer Sekte, die Elemente des Islam, des Christentums und des Judaismus verbindet und im 11. Jahrhundert von Al Hakim bi-Amri-llah, damals Kalif von Ägypten, der sich für die Inkarnation Gottes hielt, in ihre gegenwärtige Form gebracht wurde. Sie leben vorwiegend im Libanon, in Syrien und in Israel und haben dort jeweils eine prekäre Außenseiterstellung. Im Gegensatz zu muslimischen israelischen Staatsbürgern ist ihnen der Dienst in den Streitkräften des Judenstaates nicht verwehrt, eine Tatsache, die nicht unbedingt das Vertrauen der syrischen Regierung in ihre drusische Minorität fördert. Obwohl einige Drusen in der syrischen Armee in führende Positionen aufgestiegen waren, vergaß man doch nicht, daß ein solcher Offizier, ein Oberst und Regimentskommandeur, nach dem Jom- Kippur-Krieg hingerichtet worden war, weil er sich von einer strategisch wichtigen Straßenkreuzung hatte verdrängen lassen. Obwohl er sich nach militärischen Begriffen tapfer geschlagen und die Überreste seiner Einheit geordnet zurückgezogen hatte, kostete der Verlust der Kreuzung die Syrer zwei Panzerbrigaden und den Oberst in der Folge das Leben - weil er Pech gehabt hatte und wohl auch weil er ein Druse war. Dem alten Bauern waren die Einzelheiten dieser Geschichte unbekannt, aber er wußte auch so genug. Die syrischen Moslems hatten damals einen Drusen getötet, und seither noch viele andere. In der Folge traute er keinem Angehörigen der syrischen Regierung oder Armee, was aber nicht bedeutete, daß er irgendwelche Sympathien für den Staat Israel empfand. 1975 hatte ein schweres israelisches 175-Millimeter-Geschütz seine Umgebung beschossen in dem Versuch, ein syrisches Munitionslager auszuschalten. Dabei hatte ein Splitter seine Frau, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet gewesen war, tödlich verwundet und seinem Übermaß an Trauer noch die Einsamkeit hinzugefügt. Was Israel als historische Konstante sah, war für diesen einfachen Bauern ein unmittelbarer und tödlicher Lebensumstand. Es war sein Schicksal, zwischen zwei Armeen zu leben, für die seine Existenz nur ein störender Faktor war. Der Druse hatte nie viel vom Leben erwartet. Er besaß ein kleines Stück Land, das er bestellte, ein paar Ziegen und Schafe, ein schlichtes Haus aus 131
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lich war, sendete man die bombastische Tirade gekürzt. Die meiste Sendezeit<br />
bekam ein selbsternannter "charismatischer Christ" aus dem Süden der USA.<br />
Nachdem er den Katholizismus als Werk des Antichristen angeprangert hatte,<br />
wiederholte er seine Behauptung, der Herr höre die Gebete der luden und<br />
heidnischen Moslems, die er noch zusätzlich beleidigend "Mohammedaner"<br />
nannte, überhaupt nicht.<br />
Mit ihrer Botschaft kamen diese Demagogen jedoch nicht an. Die Zuschauer<br />
riefen erbost bei den Anstalten an und wollten wissen, warum man diesen<br />
Leuten überhaupt Gelegenheit gab, ihre Bigotterien zu verbreiten. Die TV-<br />
Chefs freute das natürlich, denn erfahrungsgemäß schalteten diese Leute das<br />
Programm wieder ein, um sich weiter schockieren zu lassen. Bei dem amerikanischen<br />
Eiferer gingen sofort die Spenden zurück. B'nai B'rith distanzierte sich<br />
hastig von dem wildgewordenen Rabbi. <strong>Das</strong> Oberhaupt der Islamischen Liga,<br />
ein Geistlicher von hohem Rang, beschuldigte den radikalen Imam der Ketzerei<br />
und zitierte ausführlich den Propheten. Fernsehkommentatoren sorgten mit<br />
Gegenpositionen für eine Ausgewogenheit, die einige Zuschauer besänftigte<br />
und andere aufbrachte.<br />
Schon nach einem Tag, schrieb ein Kolumnist, hätten die zu Tausenden<br />
angereisten Korrespondenten der runden Piazza San Pietro den Namen<br />
"Peace-Bowl" gegeben. Aufmerksame Beobachter führten diese kindische Anspielungauf<br />
die Super-Bowl, das Spiel um die Meisterschaft im amerikanischen<br />
Football, auf den Streß zurück, unter dem Reporter stehen, wenn sie berichten<br />
müssen und nichts zu berichten haben. Die Konferenz war hermetisch abgesichert.<br />
Teilnehmer reisten mit Militärmaschinen an und landeten auf Militärflugplätzen.<br />
Man hielt die Reporter und die mit Teleobjektiven bewaffneten<br />
Kameraleute so weit wie möglich vom Geschehen fern und ließ die Konferenzteilnehmer<br />
vorwiegend bei Nacht anreisen. Die Schweizergarde in ihren<br />
Renaissance-Kostümen ließ keine Maus durch, und wenn sich zur Abwechslung<br />
einmal etwas Wichtiges ereignete - der Verteidigungsminister der<br />
Schweiz betrat den Vatikan durch einen Nebeneingang -, merkte niemand<br />
etwas.<br />
Die Ergebnisse von Meinungsumfragen in zahlreichen Ländern zeigten, daß<br />
die Welt Frieden wollte und nach dem Ausgleich mit dem Osten besonders<br />
euphorisch den Durchbruch erwartete. Zwar warnten Kommentatoren, es<br />
habe in der jüngeren Geschichte keine heiklere politische Frage gegeben, aber<br />
auf der ganzen Welt beteten die Menschen in mehr als hundert Sprachen und in<br />
mehr als einer Million Kirchen für die Beilegung dieses letzten und gefährlichsten<br />
Streites auf dem Planeten. Es sprach für die Fernsehanstalten, daß sie auch<br />
darüber berichteten.<br />
Berufsdiplomaten, darunter abgebrühte Zyniker, die seit ihrer Kindheit kein<br />
Gotteshaus mehr von innen gesehen hatten, bekamen den Druck dieser Erwartungshaltung<br />
zu spüren. Vereinzelte Berichte aus der Verwaltung des Vatikans<br />
sprachen von nächtlichen Spaziergängen im Schiff des Petersdoms, von Beratungen<br />
auf Baikonen unter sternklarem Himmel und von langen Gesprächen<br />
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