Jahresbericht 2009 (PDF, 2 mb) - Flury Stiftung
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und bin sehr stolz. Nun treten wir ins erste Zimmer<br />
ein. «Guten Morgen Herr P., wie geht es Ihnen?» Er<br />
antwortet: «Guten Morgen Schwester, sehr gut».<br />
«Sie irren sich, ich bin nicht die Schwester, sondern<br />
die Ärztin» entgegne ich. «Oh, tut mir sehr leid».<br />
«Macht nichts, wollte es nur erwähnen, damit Sie<br />
nicht das Gefühl haben, die ganze Woche sei kein<br />
Arzt vorbeigekommen, diese Beschwerde gab‘s<br />
schon mal.» Nach kurzem Dialog und Klärung der<br />
Missverständnisse und erfragen des Zustands und<br />
Verlaufs verlasse ich das Zimmer. «Das ging ja schon<br />
mal gut» sage ich zu mir selbst, bestärkt durch meine<br />
Krankenschwester, ganz gut gemacht, gehen<br />
wir ins nächste Zimmer. «Guten Morgen Frau M.»,<br />
«Guten Morgen Schwester» … So kann das doch<br />
nicht weitergehen. Nach wiederholter Erklärung der<br />
Schwester-Arzt-Sache gehe ich zum nächsten Patienten:<br />
«Guten Morgen Herr F., ich bin Ihre zuständige<br />
Ärztin, wie geht es Ihnen?» «Guten Morgen<br />
Frau Doktor, sehr gut!». Uff, dieses Problem hätten<br />
wir gelöst und wieder etwas dazugelernt.<br />
Ich bekomme ein Telefon, wo ich denn sei, der Röntgenrapport<br />
habe wie immer bereits vor 15 Minuten<br />
angefangen. Herrje, das hatte ich ganz vergessen,<br />
ich renne runter, der Rapport ist im Gange. Einer<br />
meiner Patienten wird aufgerufen. Herr P., mein<br />
Stichwort. Wie alt ist der Patient, was hat er schon<br />
wieder? Ich suche auf meiner Liste, während mein<br />
Chef mich rettet und über den Patienten P. berichtet.<br />
Wie können sich die das alles merken?!<br />
Ich schreibe mir erneut einen Wochenplan, damit<br />
ich nicht wieder einen der vielen Termine verpasse,<br />
welche wir im Verlauf der Woche haben.<br />
Morgenrapport, Abendrapport, Röntgenrapport,<br />
Patientengespräche, Physiotherapierapport. Am<br />
Anfang scheint es, als werde man ständig durch<br />
irgendeinen Rapport gestört, mit der Zeit erkennt<br />
man darin ein durchaus sinnvolles Muster.<br />
Mittlerweile bin ich über zwei Jahre in Schiers angestellt.<br />
Ich habe unter drei verschiedenen Chefs<br />
gearbeitet und habe die Arbeit genossen. Ich lerne<br />
täglich mit jedem Moment, mit jeder Visite, jedem<br />
Gespräch mit Kollegen und Schwestern, mit jedem<br />
Patienten und Fall dazu. Meine Lernkurve ist<br />
steil, der Job wahnsinnig spannend und aufregend,<br />
nicht nur spassig sondern auch stressig und eine<br />
grosse Herausforderung. Man wird unterstützt vom<br />
ganzen Team. Von den Chefs, welche uns lehren und<br />
jederzeit bei noch so simplen Fragen eine Antwort<br />
geben. Von den Pflegenden, welche sich zum Glück,<br />
entgegen meiner anfänglichen Ängste, als nette<br />
Mitarbeiter und Zeitgenossen herausgestellt haben<br />
und am Patientenbett mit Rat und Tat zur Seite<br />
stehen. Sie sind es auch, welche einem auch aus der<br />
Verzweiflung retten, für die ganze Menschheit zuständig<br />
zu sein. Das Problem mit meinem «Gepäck»<br />
während der Visite konnte ich lösen und habe meine<br />
Ausrüstung auf mein Stethoskop dezimiert.<br />
Mein erster Wochenenddienst<br />
Dr. Janine Fornaçon, Assistenzärztin Chirurgie<br />
Es ist 8.00 Uhr morgens an einem Samstag im Winter,<br />
und für mich beginnt mein erster Tagdienst am<br />
Wochenende. In den vergangenen Tagen hat es ununterbrochen<br />
geschneit. Heute verspricht die aufgehende<br />
Sonne einen wolkenlosen Tag – Skispass<br />
vom Feinsten – ich erwarte das schlimmste.<br />
In meinem Kopf gehe ich wieder und wieder die<br />
häufigsten Verletzungsmuster durch. Eine schnelle,<br />
effektive Schmerztherapie und vor allem, was zu<br />
tun ist, wenn die Wirbelsäule oder der Kopf betei ligt<br />
sind. Alle meine Sinne sind in Alar<strong>mb</strong>ereitschaft.<br />
Als das Telefon das erste Mal klingelt, springe ich<br />
beinahe vom Stuhl – ich bin bereit! Aber es ist nur<br />
eine Schwester, die mir einen Kaffee anbietet. Ich<br />
nehme dankend an und hoffe pochenden Herzens,<br />
dass niemand meinen Sprintstart gesehen hat.<br />
Der Morgen verstreicht friedlich, während ich Visite<br />
auf der Station mache. Es ist fast Mittag, als<br />
das nächste Mal das Telefon klingelt. Eine besorgte<br />
Mutter berichtet von ihrem achtjährigen Sohn<br />
– nennen wir ihn Max. Wie so oft hat er Bauchschmerzen,<br />
aber heute sei es irgendwie anders. Ich<br />
atme ein paar Mal tief durch. In den vergangenen<br />
Wochen habe ich jede noch so unmögliche Notfallsituation<br />
studiert, aber Kinder mit Bauchschmerzen<br />
waren nicht dabei! Dabei sind die immer eine besondere<br />
Herausforderung.<br />
Als Max wenig später auf der Notfallstation eintrifft,<br />
wird schnell klar, dass die Mutter ihr Gefühl<br />
nicht getäuscht hat. Sein Blinddarm ist entzündet<br />
und muss sofort operiert werden. Schnell sind die<br />
Kaderärzte im Hintergrund informiert und Max wird<br />
für die Operation vorbereitet.<br />
Er ist kaum in der OP-Schleuse, als wieder das Telefon<br />
klingelt – und jetzt steht es nicht mehr still. Ein<br />
junger Mann hört plötzlich schlecht auf dem linken<br />
Ohr, die Rettung bringt eine ältere Frau mit Lungenentzündung,<br />
ein Familienvater kann sich vor lauter<br />
Rückenschmerzen kaum noch bewegen, eine lokale<br />
Wirtin plagt ein Gallensteinleiden. Jetzt gilt es, die<br />
Patienten gründlich zu befragen und zu untersuchen<br />
und zu einer ersten Einschätzung zu gelangen.<br />
Ich informiere die Kaderärzte und organisiere, wo<br />
es nötig ist, weiterführende Diagnostik.<br />
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