Mythos Marilyn - Ubi Bene
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eiseFREUDE<br />
Buenos Aires posiert nicht, lockt nicht,<br />
macht sich nicht dem touristischen<br />
Blick gefällig. Die Stadt fasziniert:<br />
mit welcher Selbstverständlichkeit sie Rationalität,<br />
Hektik, Brutalität mit südlich inspirierter<br />
Lebensart und Erotik mischt, wie sie<br />
nach Kunst giert und gleichzeitig im banalen,<br />
schmutzigen Alltag erstickt.<br />
In der Stadt triumphieren die Kontraste: Auf<br />
noble Villen des französischen Klassizismus<br />
schauen kühle Bürotürme oder einfallslose<br />
Wohnnadeln, um einen riesigen Park mit uralten<br />
Ficusbäumen führen sechs- und mehrspurige<br />
Straßen und die Abgaswolken verblauen<br />
Blick und Luft. Die Stadt stellt ihre Schönheit<br />
dauernd in Frage, scheint sie zerstören zu<br />
wollen, um sie im nächsten Augenblick neu<br />
zu schaffen. Hoch und niedrig, Dekor und<br />
Schmucklosigkeit, Prunk und Armut, Grau und<br />
Farbenfreude mischen sich zu einem ständig<br />
sich ändernden Kaleidoskop. Auge und Hirn<br />
haben keine Zeit, fixe Bilder oder Vorstellungen<br />
festzumachen. Die Menschen rennen, schwellen<br />
zu rollenden Wogen an, verharren kurz an<br />
Kreuzungen, stehen geduldig Schlange vor Bus-<br />
haltestellen und Bankschaltern, wirken ungeschützt<br />
wie Ameisen. Die Stadt dehnt sich weit<br />
in die Pampa hinaus, die Ränder fransen aus.<br />
Zwölf Millionen Menschen nennen sich „Portenos“,<br />
Bewohner von Buenos Aires.<br />
La Caminada – das Gehen<br />
Buenos Aires kommt nie zur Ruhe, auch nicht<br />
in der Nacht. Der Puls der Stadt rast vierundzwanzig<br />
Stunden auf Hochtouren. In keinem<br />
Lokal wird vor 21 Uhr serviert, man sitzt bis<br />
Mitternacht und isst, dann gehen die Tanz-<br />
lustigen in eine Milonga, wie sie die Tangolokale<br />
nennen, tanzen bis drei Uhr morgens, nehmen<br />
ein frühes Frühstück im Café Las Violetas<br />
oder Dorrego, ein kurzer Schlaf, und schon<br />
stürzt man sich in den nächsten Tag.<br />
Eduardo Saucedo zählt zu den besten Tangotänzern<br />
von Buenos Aires. Zugleich ist er<br />
auch ein einfühlsamer und geduldiger Lehrer.<br />
Mit ihm den Tango tanzen heißt, vieles über<br />
Bord zu werfen, was man sich landläufig un-<br />
ter Tango vorstellt. Keine ruckartigen Bewegungen,<br />
ruhiger werden, die Pausen spüren,<br />
mit fließenden, langen Schritten gehen, seinem<br />
Körper folgen. Er spricht vom Gleichgewicht,<br />
dem inneren und äußeren, der Balance.<br />
„Tango ist wie miteinander schwimmen, miteinander<br />
im Gehen verschmelzen. In der Caminada<br />
erobern wir uns den Raum, gestalten<br />
uns die Welt“, interpretiert er seine Tango- und<br />
Weltsicht, die eng miteinander verknüpft sind:<br />
„Wer Buenos Aires kennen lernen will, der<br />
muss die endlosen Straßen abgehen. Mit weit<br />
ausholenden Schritten, aus der Hüfte heraus,<br />
den Oberkörper gerade.“<br />
Gehen durch die Avenida 9 de Julio. Durch die<br />
breiteste Straße der Welt. Immer beherrschen<br />
Reklameschilder den Blick. Zwischen Hotelhochbauten,<br />
Cafés und Schnellimbiss hie und<br />
da eine Villa im französischen Stil. Mitten in den<br />
sechzehn Fahrspuren der Obelisk, das Symbol<br />
der Freiheit. Von der Terrasse des Hotels „Panamericano“<br />
im 23. Stock hat man einen grandiosen<br />
Überblick und beginnt etwas von den ungeheuren<br />
Dimensionen und der Dynamik dieser<br />
lA bOcA, EinST DAS ARMEnviERTEl DER<br />
EMiGRAnTEn AUS EUROpA, HAT SicH ZUM TOURiS-<br />
MUSHiGHliGHT EnTwickElT. pAlERMO (REcHTE<br />
SEiTE) iST EinES DER älTESTEn STADTviERTEl<br />
vOn bUEnOS AiRES.<br />
Stadt zu ahnen. Ein strahlendes Abendlicht legt<br />
sich über die Monsterstadt und verwandelt die<br />
Konturen der Hochhäuser zu scharfen, in den<br />
Himmel stechenden Skulpturen, Riesennadeln,<br />
zwischen denen sich die kleineren Häuser<br />
zu behaupten versuchen. Und im Süden der<br />
braunsilbrige Rio de la Plata, ohne Horizont.<br />
Ein Fluss breit wie ein Meer. Wenn die Sonne<br />
untergeht, werden die Reklameschilder in der<br />
schwarzen Silhouette der Stadt zu leuchtenden<br />
Dekors. Darüber tiefrote Wolkenfetzen.<br />
Die Stadt der Heimatlosen<br />
„Tango ist Mystik, in ihm vermischt sich die<br />
Vergangenheit mit der Gegenwart. Er ist die<br />
Heimat für uns, die wir alle aus verschiedenen<br />
Heimaten kommen. Im Tango spielen die Gauchos<br />
ihre Melodien aus der Pampa, die Einwanderer<br />
ihre Erinnerungen an Europa. Tango<br />
ist die Sehnsucht nach unseren Wurzeln und<br />
Inspiration für Neues“, beschreibt Eduardo den<br />
Tango und die Stadt.<br />
Wer den Tango begreift, begreift das zentrale<br />
Thema aller Portenos. Es ist die Frage nach der<br />
Herkunft. Sie stellt sich im Tango, in der bildenden<br />
Kunst und in der Architektur. Die Antworten<br />
sind so verschieden wie die einzelnen Viertel<br />
der Stadt: Da gibt es Palermo, das heimelige<br />
Quartier der Italiener, Jungdesigner und Revoluzzerjuppies.<br />
Oder Retiro mit seinen kühnen,<br />
in die Höhe strebenden Bürotürmen, Zeichen<br />
eines sehr schwankenden wirtschaftlichen<br />
Aufstieges. Ricoleta, faszinierend wegen seiner<br />
Mischung aus Billigtrödel, ausgebreitet auf den<br />
Holztischen im großen Park vor dem Friedhof,<br />
und Edeltrödel mit Prada-, Gucci- oder Armani-<br />
Emblem. La Boca, das zur Tourismusattraktion<br />
aufgestylte Viertel der Armen. San Telmo, wo<br />
die passionierten Tangueros auf der Plaza Dorrego<br />
tanzen.<br />
Ein Spiegelbild der in sich so disparaten Stadt<br />
ist La Boca. In diesem Viertel hatten die ersten<br />
Auswanderer aus Italien gelebt, ihr Leben als<br />
Hafenarbeiter gefristet, aus Wellblech ihre<br />
Hütten gebaut und mit buntem Schiffslack bestrichen.<br />
Ihr mieses Leben malten sie auf die<br />
Wände und tanzten ihre Sehnsucht und Traurigkeit<br />
im Tango aus. An Straßenecken, in Cafés<br />
und Wirtshäusern.<br />
Aus dieser Vergangenheit hatten tüchtige Geschäftemacher<br />
eine bunte, geisterbahnähnliche<br />
Touristenattraktion gemacht. Im „Caminito“, der<br />
vielleicht berühmtesten Tangobar der Stadt, posieren<br />
Tangueros für Geld. Der von allen verehrte<br />
Tangosänger Carlos Gardel winkt von einem<br />
Balkon, neben ihm Evita Peron und Maradona,<br />
alle aus Gips. Maler produzieren gefällige Tangobilder,<br />
aus den Cafés klingen flehende Tangos.<br />
Hinter den von Polizisten gut bewachten Straßen<br />
beginnt das andere La Boca. Da ist das Leben,<br />
wie es immer war und ist: quirlig, prall, laut, mit<br />
Kinderlachen und Frauentratschen, und Männern,<br />
die schweigen, Männern, die auf Arbeit<br />
warten, Jugendlichen, die nach fremden Geldbörsen<br />
schielen. Tango und Gardel? – Nein, hier<br />
nicht, sie haben andere Sorgen.<br />
Buenos Aires lebt in einer kulturellen Diskontinuität<br />
und hat noch keine eigene Richtung<br />
gefunden. Diesen Stilmix kann man als �<br />
„<br />
Wenn Sie uns<br />
fragen, ist bei<br />
Kunst eigentlich<br />
alles erlaubt.<br />
Nur keine<br />
Langeweile.<br />
“<br />
arthea<br />
Karl Schwarzenberg<br />
Numerische Reihen<br />
1998 (Detail), Öl auf Leinwand<br />
200 x 200 cm<br />
arthea<br />
galerie am rosengarten<br />
Dorothea Gänzler<br />
Stresemannstraße 4<br />
68165 Mannheim<br />
fon 0621 | 1679292<br />
fax 0621 | 1679293<br />
mail@arthea.de<br />
www.arthea.de<br />
Di, Do, Fr 14 bis 18.30 Uhr<br />
Sa 12 bis 16 Uhr<br />
108 UBI BENE<br />
UBI BENE 109