Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...

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23.01.2013 Aufrufe

Alles Theater? Mediengesellschaft als Inszenierungsgesellschaft in allen Bereichen der Gesellschaft nicht nur toleriert wird, sondern zum guten Ton gehört. 7 Und was wird dann aus Tugenden wie Echtheit, Haftbarkeit, Authentizität? Sie müssen der neuen Inszenierungskultur nicht unbe dingt ent gegenstehen, denn Authentizität und Inszenierung sind durchaus miteinander vereinbar. In seinem griechischen Ursprung geht der Authentizitätsbegriff auf die Idee der Urheberschaft zurück, und tatsächlich transportiert diese Idee treffend die verschiedenen Konnotationen, die mitschwingen, wenn heute von Authentizität die Rede ist. Die Frage nach der Authentizität eines Auftritts entscheidet sich daran, ob man den Akteur tatsächlich als Urheber hinter seinen Worten und Handlungen sieht. Obwohl Gerhard Schröder von einer breiten Öffentlichkeit als raffinierter und trickreicher Selbstdarsteller wahrgenommen wurde, konnte man ihn in seinem Auftreten zugleich für „authentisch“ halten. Dieser Eindruck ergab sich dadurch, dass er stets Regisseur seiner Inszenierungen zu sein schien. Schröder wahrte ironische Distanz, zeigte sich über die Erwartungen seines Publikums im Bilde und wirkte so, als hätte er Spaß daran, für öffentliche Auftritte eine unterhaltsame Form zu finden. Man wusste durchaus, dass Schröder sich publikumswirksam in Szene setzte, aber so lange man ihm zutraute, diese Inszenierungen selbst unter Kontrolle zu haben, taten sie seiner Authentizität keinen Abbruch. Dieselbe Abgeklärtheit gegenüber politischer Selbstdarstellung ist auch in Bezug auf Barack Obama beobachtbar. Natürlich weiß jeder um die „Show“, die seine öffentlichen Auftritte umgibt. Niemand, der die US-amerikanischen Wahlkämpfe verfolgt, käme auf die Idee, den Inszenierungscharakter von Obamas Veranstaltungen zu unterschätzen. Schon als Kandidat wurde Obama nicht dafür geliebt, dass man ihn für direkt und offenherzig gehalten hätte. Eher verhielt es sich umgekehrt: Die Inszeniertheit seines Auftretens wurde wahrgenommen, aber man schätzte an Obama gerade die Perfektion und Lässigkeit eben dieser Inszenierungen. 8 Tatsächlich können Politiker heute aus der Qualität ihrer Inszenierungen Kompetenzzuschreibungen 7 Diese Überlegungen finden sich in seinem Keynote-Vortrag auf dem 10. Kongress der Gesellschaft für Theaterwissenschaft in Mainz am 29. Oktober 2010 unter dem Titel „Selbst und Selbstwiderspruch“, noch unveröffentlicht. 8 Vgl. dazu Matthias Warstat, 2010: Obamas Körper. Performative Aspekte politischer Rhetorik, in: Jürgen Weibler (Hg.), Barack Obama und die Macht der Worte, Wiesbaden, S. 173189. 95

96 Matthias Warstat gewinnen: Jemand, der sich gut zu inszenieren weiß, kann, so die landläufige Meinung, kein ungeschickter Politiker sein. Damit diese Zuschreibung greift, muss die Performance elegant und mühelos wirken. Jeder Anschein von Überforderung oder Verkrampfung ist zu vermeiden. Man muss den Eindruck gewinnen, dass der Politiker nicht nur hinter den Inhalten, sondern auch hinter der Form seines öffentlichen Auftretens steht. Mit dem Begriff Mediengesellschaft wird eine Gesellschaft bezeichnet, in der technische Medien die öffentliche, aber auch die private Kommunikation prägen. Diese Prägung ist heute zweifellos gegeben und hat sich durch die breite Nutzung des Mediums Internet noch weiter verstärkt. Oft wird „Mediengesellschaft“ aber auch wie eine Art Epochenbegriff verwendet und dann meist auf die Zeit seit der flächendeckenden Durchsetzung des Fernsehens bezogen. Wenn man aber den Medienbegriff öffnet und neben Fernsehen, Radio und Internet auch andere, nichttechnische Medien wie etwa das Bild, die Schrift, den Brief oder körperliche Ausdrucksmedien wie die Stimme, die Gestik oder die Mimik eines Menschen in die Betrachtung einbezieht, dann wird klar, dass das gesellschaftliche Zusammenleben und die politische Auseinandersetzung schon seit sehr langer Zeit ja womöglich schon immer durch Medien geprägt worden sind. Es stellt sich dann die Frage, was an unseren heutigen Gepflogenheiten der öffentlichen und privaten Kommunikation eigentlich neu ist. Auf der Suche nach diesen Neuerungen bietet sich der Begriff „Inszenierungsgesellschaft“ an, der in kulturkritischen Debatten ebenfalls häufig auftaucht. Es fällt auf, wie stark wir uns heute in der Öffentlichkeit wie im Privaten selbst darstellen, produzieren und inszenieren müssen. Aber auch dieser Zwang zur Selbstinszenierung ist bei näherem Hinsehen keine Besonderheit der Gegenwart oder der letzten Jahrzehnte, sondern gehört zur anthropologischen Grundausstattung des Menschen. Was ich als mögliche Neuerung zur Diskussion stellen möchte, ist hingegen eine Veränderung in der Haltung, die wir gegenüber den uns umgebenden Inszenierungen einnehmen: Es gibt erstens ein zunehmendes Bewusstsein des Publikums dafür, dass es allenthalben und sogar im privaten Leben mit Inszenierungen konfrontiert wird. Und es gibt zweitens wohl auch ein wachsendes Einverständnis mit diesen Inszenierungen, das bis zur Bewunderung reichen kann. Bewusstsein und Bewunderung für Inszenierungen,

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Matthias Warstat<br />

gewinnen: Jemand, der sich gut zu inszenieren weiß, kann, so die landläufige<br />

Meinung, kein ungeschickter Politiker sein. Damit diese Zuschreibung<br />

greift, muss die Performance elegant und mühelos wirken. Jeder Anschein<br />

von Überforderung <strong>oder</strong> Verkrampfung ist zu vermeiden. Man muss den<br />

Eindruck gewinnen, dass der Politiker nicht nur hinter den Inhalten, sondern<br />

auch hinter der Form seines öffentlichen Auftretens steht.<br />

Mit dem Begriff Mediengesellschaft wird eine Gesellschaft bezeichnet, in<br />

der technische Medien die öffentliche, aber auch die private Kommunikation<br />

prägen. Diese Prägung ist heute zweifellos gegeben und hat sich durch die<br />

breite Nutzung des Mediums Internet noch weiter verstärkt. Oft wird „Mediengesellschaft“<br />

aber auch wie eine Art Epochenbegriff verwendet und dann<br />

meist auf die Zeit seit der flächendeckenden Durchsetzung des Fernsehens<br />

bezogen.<br />

Wenn man aber den Medienbegriff öffnet und neben Fernsehen, Radio<br />

und Internet auch andere, nichttechnische Medien wie etwa das Bild, die<br />

Schrift, den Brief <strong>oder</strong> körperliche Ausdrucksmedien wie die Stimme, die<br />

Gestik <strong>oder</strong> die Mimik eines Menschen in die Betrachtung einbezieht, dann<br />

wird klar, dass das gesellschaftliche Zusammenleben und die politische Auseinandersetzung<br />

schon seit sehr langer Zeit <strong>–</strong> ja womöglich schon immer <strong>–</strong><br />

durch Medien geprägt worden sind.<br />

Es stellt sich dann die Frage, was an unseren heutigen Gepflogenheiten<br />

der öffentlichen und privaten Kommunikation eigentlich neu ist. Auf der Suche<br />

nach diesen Neuerungen bietet sich der Begriff „Inszenierungsgesellschaft“<br />

an, der in kulturkritischen Debatten ebenfalls häufig auftaucht. Es fällt<br />

auf, wie stark wir uns heute <strong>–</strong> in der Öffentlichkeit wie im Privaten <strong>–</strong> selbst<br />

darstellen, produzieren und inszenieren müssen. Aber auch dieser Zwang<br />

zur Selbstinszenierung ist bei näherem Hinsehen keine Besonderheit der Gegenwart<br />

<strong>oder</strong> der letzten Jahrzehnte, sondern gehört zur anthropologischen<br />

Grundausstattung des Menschen.<br />

Was ich als mögliche Neuerung zur Diskussion stellen möchte, ist hingegen<br />

eine Veränderung in der Haltung, die wir gegenüber den uns umgebenden<br />

Inszenierungen einnehmen: Es gibt erstens ein zunehmendes Bewusstsein<br />

des Publikums dafür, dass es allenthalben und sogar im privaten Leben<br />

mit Inszenierungen konfrontiert wird. Und es gibt zweitens wohl auch ein<br />

wachsendes Einverständnis mit diesen Inszenierungen, das bis zur Bewunderung<br />

reichen kann. Bewusstsein und Bewunderung für Inszenierungen,

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