Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...

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23.01.2013 Aufrufe

Alles Theater? Mediengesellschaft als Inszenierungsgesellschaft tigen Mediengesellschaft finden wir in der barocken Herrschaftsinszenierung durchaus wieder, weshalb es auch schon Versuche gab, gegenwärtige Inszenierungsformen als „neobarock“ zu charakterisieren. Selbst wenn man von einem technischen Medienbegriff ausgeht und somit weite Teile der Mediengeschichte ausklammert, muss man einräumen, dass technische Medien die Politik nicht erst seit gestern formen und bestimmen. Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermochten neu aufkommende technische Medien die politische Öffentlichkeit von Grund auf zu verändern. Ein gutes Beispiel dafür ist das gute alte Mikrofon, dessen Bedeutung für die öffentliche, politische Redekultur ganz außer Frage steht. Die ersten Mikrofone entstanden ungefähr zur selben Zeit wie die ersten Telefone, d. h. bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aber in Serie ging das Mikrofon in Europa erst in den späten 1920er-Jahren, nachdem der Berliner Georg Neumann die alten Kohlekörner-Mikrofone technisch verbessert und 1928 eine Firma zur Vermarktung seines Kondensator-Mikrofons gegründet hatte. Der Siegeszug des Mikrofons fiel in Deutschland also zusammen mit einer politisch überaus bewegten Zeit. Es war die Zeit der großen politischen Massenveranstaltungen, auf denen sich das Schicksal der Weimarer Demokratie entschied. Anders als unsere heutigen Fernsehdemokratien war die Weimarer Republik noch in starkem Maße eine Versammlungsdemokratie. Das politische Leben spielte sich zu wesentlichen Teilen auf der Straße ab. Vor allem in den großen Städten und allemal in der Metropole Berlin kam es fast wöchentlich zu Aufmärschen, Demonstrationen, Streiks und Saalveranstaltungen. Seit 1930 mündeten solche Ereignisse nicht selten in politische Gewalt, so dass manche Historiker für die Weimarer Spätjahre von bürgerkriegsähnlichen Zuständen sprechen. Auf einem berühmten Bild aus der späten Weimarer Republik sehen wir eine politische Massenveranstaltung der Kommunistischen Partei im Lustgarten, dem Platz vor dem Berliner Stadtschloss, fotografiert um 1930 (Abb. 3). Auf dem Dach eines Autos steht ein Redner, der sich mit kämpferisch geballter Faust an die ihn umgebende Menge wendet. Es ist der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann, dessen Worte offenbar von einer Stenotypistin, die neben ihm auf dem Wagendach hockt, sorgfältig mitgeschrieben werden. Szenen wie diese waren in den mittleren Jahren der Weimarer Republik häufig anzutreffen. Wenn die Anhänger von Parteien, Gewerkschaften oder Kampfbünden auf zentralen Plätzen zu großen Versammlungen zusammenkamen, reichte ein Redner alleine nicht aus. Über den Platz verteilt standen dann 87

88 Matthias Warstat Abb. 3: Ernst Thälmann als Wahlredner der KPD am Berliner Lustgarten, Foto um 1930 mehrere Redner auf improvisierten Podesten oder Autodächern, um jeweils einen Teil der Menge mit ihrer Stimme zu erreichen. Auf dem Foto kann man das gut erkennen, denn hinter Thälmann steht ein Mann mit einem Schild, auf dem Thälmann als „Redner Nummer 3“ ausgewiesen ist. Die Versammlungen als Ganze waren also dezentral strukturiert. Es gab nicht einen frontal postierten Redner, sondern mehrere Redner über den gesamten Platz verteilt, um die herum sich die Menge jeweils zu Menschentrauben verdichtete. Das Gesamtbild einer solchen Menge wirkt aus heutiger Sicht chaotisch. An die Stelle einer geordneten, einheitlichen Ausrichtung tritt eine multipolare Struktur, die dem Einzelnen viele verschiedene Möglichkeiten eröffnet. Er kann sich auf einen Redner konzentrieren, aber genauso auch zwischen den Rednern wechseln und sich dorthin wenden, wo es gerade am interessantesten zuzugehen scheint. Die Menge ist also ständig in Bewegung, sie pulsiert zwischen den verschiedenen Zentren, und jeder Teilnehmer erlebt je nach Standort und Perspektive eine andere Veranstaltung. Die Massenveranstaltungen, die die Nationalsozialisten in den 1930er- Jahren organisierten, sahen völlig anders aus. Sie waren ganz und gar auf einzelne Redner fokussiert, etwa auf den Redner Hitler, auf den sich bei den Reichsparteitagen oder bei großen Propagandaveranstaltungen alle Augen des anwesenden Publikums richteten. Von Fotos, auf denen man eine einzelne Person einem Publikum von Tausenden von Zuhörern gegenüber sieht, ging schon damals eine hohe Faszination aus. In akustischer Hinsicht ist eine solche Konstellation allerdings voraussetzungsreich: Man kann eine Menge

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Matthias Warstat<br />

Abb. 3: Ernst Thälmann als Wahlredner der KPD am<br />

Berliner Lustgarten, Foto um 1930<br />

mehrere Redner auf improvisierten Podesten <strong>oder</strong> Autodächern, um jeweils<br />

einen Teil der Menge mit ihrer Stimme zu erreichen. Auf dem Foto kann man<br />

das gut erkennen, denn hinter Thälmann steht ein Mann mit einem Schild,<br />

auf dem Thälmann als „Redner Nummer 3“ ausgewiesen ist. Die Versammlungen<br />

als Ganze waren also dezentral strukturiert. Es gab nicht einen frontal<br />

postierten Redner, sondern mehrere Redner über den gesamten Platz verteilt,<br />

um die herum sich die Menge jeweils zu Menschentrauben verdichtete.<br />

Das Gesamtbild einer solchen Menge wirkt aus heutiger Sicht chaotisch. An<br />

die Stelle einer geordneten, einheitlichen Ausrichtung tritt eine multipolare<br />

Struktur, die dem Einzelnen viele verschiedene Möglichkeiten eröffnet. Er<br />

kann sich auf einen Redner konzentrieren, aber genauso auch zwischen den<br />

Rednern wechseln und sich dorthin wenden, wo es gerade am interessantesten<br />

zuzugehen scheint. Die Menge ist also ständig in Bewegung, sie pulsiert<br />

zwischen den verschiedenen Zentren, und jeder Teilnehmer erlebt <strong>–</strong> je nach<br />

Standort und Perspektive <strong>–</strong> eine andere Veranstaltung.<br />

Die Massenveranstaltungen, die die Nationalsozialisten in den 1930er-<br />

Jahren organisierten, sahen völlig anders aus. Sie waren ganz und gar auf<br />

einzelne Redner fokussiert, etwa auf den Redner Hitler, auf den sich bei den<br />

Reichsparteitagen <strong>oder</strong> bei großen Propagandaveranstaltungen alle Augen<br />

des anwesenden Publikums richteten. Von Fotos, auf denen man eine einzelne<br />

Person einem Publikum von Tausenden von Zuhörern gegenüber sieht,<br />

ging schon damals eine hohe Faszination aus. In akustischer Hinsicht ist eine<br />

solche Konstellation allerdings voraussetzungsreich: Man kann eine Menge

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