Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...

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23.01.2013 Aufrufe

Alles Theater? Mediengesellschaft als Inszenierungsgesellschaft nerseits möglich, über große räumliche Distanzen hinweg mit Menschen zu sprechen. Seit es das Telefon gibt, können wir uns mit unseren Freunden und Verwandten live, in Echtzeit unterhalten, auch wenn sich diese in weit entfernten Gegenden aufhalten. Das ist unbestreitbar eine beachtliche Vermittlungsleistung, die wohl niemand heute missen möchte. Andererseits wissen wir aus dem Alltag nur zu gut, dass das Telefon auch Barrieren schafft. Wenn wir zum Beispiel einem Freund eine schwierige, persönliche Nachricht zu überbringen haben, pflegen wir zu sagen: „Lass uns das lieber nicht am Telefon besprechen.“ Wer einem Arbeitnehmer kündigen oder eine private Beziehung beenden möchte, würde das, wenn er ein gewisses Anstandsgefühl hat, eher nicht am Telefon erledigen. Am Telefon hören wir zwar die Stimme des anderen, aber wir sehen dem anderen nicht in die Augen, wir erhalten keinen Eindruck von seiner Körperlichkeit und können sein Mienenspiel nur erahnen. Das ist aber nicht die einzige Differenz zur direkten Kommunikation vis-à-vis. Die vielleicht sogar wichtigere Differenz besteht in der geringeren Verbindlichkeit. Es fällt uns vergleichsweise leicht, ein Telefongespräch abrupt zu beenden: Wir brauchen nur den Hörer auf die Gabel zu knallen (um es etwas antiquiert auszudrücken). Weil das Telefon so vieles vom anderen, aber auch von uns selbst, in der Kommunikation ausblendet das Antlitz, den Blick, den Körper, die Bewegungen können wir uns vom anderen umso leichter abwenden, und wir können vielleicht auch leichter lügen, täuschen und manipulieren. Möglicherweise können wir uns am Telefon besser verstecken. 3 Ein Medium ist etwas, das, indem es eine Vermittlung schafft, immer auch eine Barriere, ein Hindernis errichtet. Mit Medien zu arbeiten, heißt deshalb auch, Barrieren zu errichten, Dinge zu verstecken, Aspekte der Wirklichkeit auszublenden. Der Gedanke der Manipulation, der Verstellung und der Heimlichkeit gehört zur Mediengesellschaft von Anfang an, er ist dem Medium selbst inhärent. Dass die Medien die Kommunikation formen und uns dabei bestimmte Erfahrungen vorenthalten, ist an sich nichts Neues und nichts Besonderes. 3 Siehe dazu Dieter Mersch, 2002: Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer Ästhetik des Performativen, Frankfurt/M., S. 100103. 83

84 Matthias Warstat II. Mediengesellschaft in historischer Perspektive Der gerade erläuterte Medienbegriff von Dieter Mersch ist nicht auf technische Medien beschränkt. Wenn wir über Medien als Vermittlung und über Medien als Barrieren sprechen, können wir genauso gut über die menschliche Stimme, über die Schrift, über gezeichnete Bilder oder über körperliche Gesten sprechen. Diese Erweiterung des Medienbegriffs über die technischen Medien (wie Radio, Fernsehen oder Internet) hinaus ist erforderlich, um sich die lange Geschichte der Mediengesellschaft vor Augen zu führen. Wenn wir für einen Moment einmal nicht an das Fernsehen und vielleicht auch nicht an die moderne Massenpresse denken, erkennen wir sofort, dass Politiker zu allen Zeiten auf Medien zurückgegriffen haben, um ihre Macht auszuüben und ihre Herrschaft zu repräsentieren. Ein gut erforschtes Beispiel für die Mediengebundenheit barocker Herrschaftsformen sind die Inszenierungen Ludwigs des XIV., des Sonnenkönigs. Wir sehen ihn auf einem Porträt der französischen Schule aus den Jahren 1715 20; es ist heute in der Wallace Collection in London zu sehen (Abb. 1). Solche Porträtbilder waren fester Bestandteil barocker Machtdemonstrationen, die Bilder wurden bei Hofe an repräsentativen Orten ausgestellt und auch auf andere Weise bekannt gemacht. Mit solchen Bildern ließ sich politisch Bedeutsames transportieren. Das hier abgebildete Porträt soll vermutlich zeigen, wie stabil die dynastische Erbfolge der Bourbonen gesichert ist. De facto war sie das mitnichten, weil der später zum Thronfolger auserkorene Urenkel Ludwig XV. noch ein Kleinkind war, aber das Bild erweckt den Anschein größter familiär fundierter Kontinuität. Nun richteten sich solche politischen Gemälde, wie sie in Versailles hingen, vor allem an die höfische Gesellschaft, also an jenes exklusive Publikum, das Zugang zur Machtzentrale hatte. Ähnliches gilt für das aufwendige höfische Zeremoniell. Für die breite Bevölkerung spielten sich Zeremonien (wie etwa der hier abgebildete Empfang des Dogen von Genua in Versailles im Jahr 1685, Abb. 2) im Verborgenen ab; lediglich die empfangene Delegation selbst sowie hohe Adlige mit Zugang zum Hof wurden Zeugen des aussagekräftigen Geschehens. Der Historiker Peter Burke hat aber schon 1992 in seiner Studie „The Fabrication of Louis XIV“ nachgewiesen, dass sich die Herrschaftspraxis des Sonnenkönigs auch vieler anderer, zum Teil sehr viel weiter verbreiteter Medien bediente, um das Image des höchsten Machthabers auf Erden zu erschaffen und zu befestigen. Burke analysiert Gemälde und Gobelins, Holzschnitte, Radierungen und Kupferstiche, Reiterbildnisse und -sta-

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Matthias Warstat<br />

II. Mediengesellschaft in historischer Perspektive<br />

Der gerade erläuterte Medienbegriff von Dieter Mersch ist nicht auf technische<br />

Medien beschränkt. Wenn wir über Medien als Vermittlung und über<br />

Medien als Barrieren sprechen, können wir genauso gut über die menschliche<br />

Stimme, über die Schrift, über gezeichnete Bilder <strong>oder</strong> über körperliche<br />

Gesten sprechen. Diese Erweiterung des Medienbegriffs über die technischen<br />

Medien (wie Radio, Fernsehen <strong>oder</strong> Internet) hinaus ist erforderlich, um sich<br />

die lange Geschichte der Mediengesellschaft vor Augen zu führen. Wenn wir<br />

für einen Moment einmal nicht an das Fernsehen und vielleicht auch nicht an<br />

die m<strong>oder</strong>ne Massenpresse denken, erkennen wir sofort, dass Politiker zu allen<br />

Zeiten auf Medien zurückgegriffen haben, um ihre Macht auszuüben und<br />

ihre Herrschaft zu repräsentieren.<br />

Ein gut erforschtes Beispiel für die Mediengebundenheit barocker Herrschaftsformen<br />

sind die Inszenierungen Ludwigs des XIV., des Sonnenkönigs.<br />

Wir sehen ihn auf einem Porträt der französischen Schule aus den Jahren<br />

1715 <strong>–</strong> 20; es ist heute in der Wallace Collection in London zu sehen (Abb. 1).<br />

Solche Porträtbilder waren fester Bestandteil barocker Machtdemonstrationen,<br />

die Bilder wurden bei Hofe an repräsentativen Orten ausgestellt und<br />

auch auf andere Weise bekannt gemacht. Mit solchen Bildern ließ sich politisch<br />

Bedeutsames transportieren. Das hier abgebildete Porträt soll vermutlich<br />

zeigen, wie stabil die dynastische Erbfolge der Bourbonen gesichert ist.<br />

De facto war sie das mitnichten, weil der später zum Thronfolger auserkorene<br />

Urenkel Ludwig XV. noch ein Kleinkind war, aber das Bild erweckt den Anschein<br />

größter familiär fundierter Kontinuität.<br />

Nun richteten sich solche politischen Gemälde, wie sie in Versailles hingen,<br />

vor allem an die höfische Gesellschaft, also an jenes exklusive Publikum,<br />

das Zugang zur Machtzentrale hatte. Ähnliches gilt für das aufwendige höfische<br />

Zeremoniell. Für die breite Bevölkerung spielten sich Zeremonien (wie<br />

etwa der hier abgebildete Empfang des Dogen von Genua in Versailles im<br />

Jahr 1685, Abb. 2) im Verborgenen ab; lediglich die empfangene Delegation<br />

selbst sowie hohe Adlige mit Zugang zum Hof wurden Zeugen des aussagekräftigen<br />

Geschehens. Der Historiker Peter Burke hat aber schon 1992 in seiner<br />

Studie „The Fabrication of Louis XIV“ nachgewiesen, dass sich die Herrschaftspraxis<br />

des Sonnenkönigs auch vieler anderer, zum Teil sehr viel weiter<br />

verbreiteter Medien bediente, um das Image des höchsten Machthabers auf<br />

Erden zu erschaffen und zu befestigen. Burke analysiert Gemälde und Gobelins,<br />

Holzschnitte, Radierungen und Kupferstiche, Reiterbildnisse und -sta-

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