Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...

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23.01.2013 Aufrufe

Soziale Bedingungen umweltgefährdenden Verhaltens diese Hoffnung möglicherweise trügt Verdrängung wird aber nicht weiterhelfen. Zweite Voraussetzung: Wir müssen die komplexe Verflechtung der Umweltkrise mit anderen Problemen analysieren und in unserer Lösungsstrategie berücksichtigen. Die Umweltkrise steht nicht isoliert da, und sie wird nicht isoliert zu lösen sein. Es würde den Rahmen dieses Vortrags weit übersteigen, wollte ich auf diese komplexen Verflechtungen und Zusammenhänge im Detail eingehen, doch seien sie hier kurz erwähnt, um eine Fixierung auf einen wenn auch sehr wichtigen Einzelaspekt: nämlich den Klimawandel, zu vermeiden. Zum einen umfasst die Umweltgefährdung mehr als nur den Klimawandel: Genannt seien nur die Endlichkeit der Ressourcen, die vielerorts bereits bestehende Wasserknappheit, die Luftverschmutzung, die Bodenerosion, die Überfischung der Weltmeere und das Artensterben. Darüber hinaus ist die Umweltkrise aber auch untrennbar mit anderen gesellschaftlichen Prozessen verbunden und kann nicht unabhängig von ihnen betrachtet werden. So hatte ich eingangs bereits erwähnt, dass das stetige Ansteigen der Weltbevölkerung wesentlich zur Umweltgefährdung beiträgt eine Bewältigung der Umweltkrise setzt damit notwendig voraus, dass auch dieses Problem bewältigt wird. Seltener als diese Verbindung werden dagegen Gefahren thematisiert, die im Gefolge politischer Maßnahmen zur Bewältigung der Umweltkrise im Zusammenleben unserer Gesellschaft ausgelöst werden können. • Dazu gehört z. B. die Gefahr einer Rückkehr der in den letzten Jahrzehnten scheinbar entschärften „sozialen Frage“ (d. h. der Frage nach der gerechten oder zumindest gesellschaftlich akzeptablen Verteilung der Güter und Lebenschancen innerhalb einer Gesellschaft). In den Industriegesellschaften war die soziale Frage nicht zuletzt dadurch entschärft worden, dass ein „Mehr“ an Gütern und Sicherheiten neu verteilt werden konnte und dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung auf breiter Basis neue Handlungsoptionen eröffneten der Fortbestand der Ungleichheiten zwischen den gesellschaftlichen Schichten konnte auf diese Weise „eingeklammert“ werden. Sollte nun aber im Gefolge einer ökologischen Krise ein „Weniger“ neu verteilt werden müssen und sollten die Handlungsmöglichkeiten im Alltag einschneidende Einschränkungen erfahren, so wird sich die Ungleichheitsfrage neu stellen und politische Brisanz entfalten. Woher werden wir übermorgen die 520 % des Bruttosozialproduktes nehmen, die wir für die Bewältigung der 67

68 Werner Meinefeld Umweltschäden, denen wir gestern und heute nicht vorgebeugt haben, aufwenden müssen, wie es uns der Stern-Report vorgerechnet hat? Welche soziale Gruppe in Deutschland wird dann wie viel von ihrem Besitzstand hergeben müssen? • Zu den möglichen Folgen im politischen Prozess der Auseinandersetzung mit der Umweltkrise gehört auch die Gefährdung demokratischer Grundsätze unserer Gesellschaft. Dabei denke ich nicht an die früher gelegentlich beschworene „Ökodiktatur“, sondern eher an eine schwindende Akzeptanz der demokratischen Regierungsform in der Bevölkerung, wenn es um Einschränkungen bei unseren gewohnten Verhaltensweisen und um die Verteilung des Mangels gehen könnte. Wer wird angesichts ökonomischer Verschlechterungen und zunehmender Verhaltensregulierungen nüchtern die Ursache in den ökologischen Versäumnissen früherer Jahrzehnte suchen und nicht politischen Vereinfachern auf den Leim gehen? Wie wird sich die politische Einstellung verändern, wenn die Industriegesellschaft aufgrund der ökologischen Folgen ihres ökonomischen Erfolges ihr Versprechen einer ständig zunehmenden Befreiung des Menschen von Zwängen nicht mehr halten kann? • Und nicht zuletzt stellt sich auch die Frage nach der unterschiedlichen Verteilung des Zugangs zu Gesundheit, Wohlstand und Sicherheit zwischen den Staaten. Welche Konsequenzen hat die Unterschiedlichkeit der Lebenschancen in verschiedenen Staaten in einer sich zunehmend stärker vernetzenden Welt? Wie wird die Bevölkerung der Industriestaaten reagieren, wenn sich Millionen von „Klimaflüchtlingen“ aufmachen, ihre unwirtlich gewordene Heimat zu verlassen? Werden wir uns dann noch daran erfreuen wollen, dass die Temperaturen in Mitteleuropa etwas wohliger geworden sind (eine Überlegung, mit der sich manche Zeitgenossen mit den Klimaprognosen zu arrangieren versuchen)? Kurz: Die heutige Krise bedroht nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unsere gewohnte Lebensweise. 15 Ich komme zur dritten und letzten Voraussetzung für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit der Umweltkrise: Wir müssen als Bürger Verantwortung in 15 Siehe hierzu auch die umfassenden Überlegungen in dem Buch von Leggewie und Welzer, das nach der Erstfassung dieses Vortrags erschienen ist (siehe Fußnote 13).

Soziale Bedingungen umweltgefährdenden Verhaltens<br />

diese Hoffnung möglicherweise trügt <strong>–</strong> Verdrängung wird aber nicht weiterhelfen.<br />

Zweite Voraussetzung: Wir müssen die komplexe Verflechtung der Umweltkrise<br />

mit anderen Problemen analysieren und in unserer Lösungsstrategie berücksichtigen.<br />

Die Umweltkrise steht nicht isoliert da, und sie wird nicht isoliert zu lösen<br />

sein. Es würde den Rahmen dieses Vortrags weit übersteigen, wollte ich<br />

auf diese komplexen Verflechtungen und Zusammenhänge im Detail eingehen,<br />

doch seien sie hier kurz erwähnt, um eine Fixierung auf einen <strong>–</strong> wenn<br />

auch sehr wichtigen <strong>–</strong> Einzelaspekt: nämlich den <strong>Klimawandel</strong>, zu vermeiden.<br />

Zum einen umfasst die Umweltgefährdung mehr als nur den <strong>Klimawandel</strong>:<br />

Genannt seien nur die Endlichkeit der Ressourcen, die vielerorts bereits bestehende<br />

Wasserknappheit, die Luftverschmutzung, die Bodenerosion, die<br />

Überfischung der Weltmeere und das Artensterben.<br />

Darüber hinaus ist die Umweltkrise aber auch untrennbar mit anderen gesellschaftlichen<br />

Prozessen verbunden und kann nicht unabhängig von ihnen betrachtet<br />

werden. So hatte ich eingangs bereits erwähnt, dass das stetige Ansteigen<br />

der Weltbevölkerung wesentlich zur Umweltgefährdung beiträgt <strong>–</strong><br />

eine Bewältigung der Umweltkrise setzt damit notwendig voraus, dass auch<br />

dieses Problem bewältigt wird. Seltener als diese Verbindung werden dagegen<br />

Gefahren thematisiert, die im Gefolge politischer Maßnahmen zur Bewältigung<br />

der Umweltkrise im Zusammenleben unserer Gesellschaft ausgelöst<br />

werden können.<br />

• Dazu gehört z. B. die Gefahr einer Rückkehr der in den letzten Jahrzehnten<br />

scheinbar entschärften „sozialen Frage“ (d. h. der Frage nach der<br />

gerechten <strong>oder</strong> zumindest gesellschaftlich akzeptablen Verteilung der<br />

Güter und Lebenschancen innerhalb einer Gesellschaft). In den Industriegesellschaften<br />

war die soziale Frage nicht zuletzt dadurch entschärft<br />

worden, dass ein „Mehr“ an Gütern und Sicherheiten neu verteilt werden<br />

konnte und dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung auf breiter<br />

Basis neue Handlungsoptionen eröffneten <strong>–</strong> der Fortbestand der Ungleichheiten<br />

zwischen den gesellschaftlichen Schichten konnte auf diese<br />

Weise „eingeklammert“ werden. Sollte nun aber im Gefolge einer ökologischen<br />

Krise ein „Weniger“ neu verteilt werden müssen und sollten<br />

die Handlungsmöglichkeiten im Alltag einschneidende Einschränkungen<br />

erfahren, so wird sich die Ungleichheitsfrage neu stellen und politische<br />

Brisanz entfalten. Woher werden wir übermorgen die 5<strong>–</strong>20 %<br />

des Bruttosozialproduktes nehmen, die wir für die Bewältigung der<br />

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