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Oxytocin und Methylergometrin nach der Geburt ... - Frauenarzt

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DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />

498<br />

PLAZENTARPERIODE UND NACHGEBURTLICHE BLUTUNGEN<br />

<strong>Oxytocin</strong> <strong>und</strong> <strong>Methylergometrin</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Geburt</strong> – Vorsicht bei <strong>der</strong> Anwendung!<br />

Werner Rath 1 , Wiebke Gogarten 2<br />

Die prophylaktische <strong>und</strong> therapeutische Applikation von <strong>Oxytocin</strong><br />

(z.B. Syntocinon) <strong>und</strong> <strong>Methylergometrin</strong> (Methergin) gehört zu<br />

den traditionellen Routinemaßnahmen in <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong>shilfe. Sie<br />

hat in den letzten 60 Jahren zu einer signifikanten Vermin<strong>der</strong>ung<br />

postpartaler Blutungskomplikationen <strong>und</strong> mütterlicher<br />

Todesfälle beigetragen. Allerdings ist die Anwendung aufgr<strong>und</strong><br />

schwerer maternaler Nebenwirkungen <strong>und</strong> Komplikationen zunehmend<br />

in die Diskussion gekommen.<br />

Die prophylaktische Applikation von<br />

<strong>Oxytocin</strong> verkürzt signifikant die Dauer<br />

<strong>der</strong> Plazentarperiode (35) <strong>und</strong> vermin<strong>der</strong>t<br />

die Rate postpartaler Blutungen<br />

um bis zu 40% (21, 23), ohne<br />

– entgegen früherer Auffassung –<br />

die Häufigkeit manueller Plazentalösungen<br />

zu erhöhen (21). Durch eine<br />

aktive Leitung <strong>der</strong> Nachgeburts periode<br />

(intravenöse Injektion von 5–10 I.U.<br />

<strong>Oxytocin</strong> innerhalb von 1 Minute <strong>nach</strong><br />

Durchtritt <strong>der</strong> kindlichen Schulter, rasches<br />

Abklemmen <strong>und</strong> kontrollierter<br />

Zug an <strong>der</strong> Nabelschur bei gleichzeitigem<br />

Zurückhalten des tonisierten<br />

F<strong>und</strong>us uteri) konnte im Vergleich zu<br />

einem expektativen Management eine<br />

Vermin<strong>der</strong>ung postpartaler Blutungen<br />

um 40–60% bei gleichzeitiger<br />

Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Häufigkeit postpartaler<br />

Anämien <strong>und</strong> des Bedarfs an<br />

Blutkonserven erreicht werden (10,<br />

18: Grad-A-Empfehlung), allerdings<br />

unter Inkaufnahme einer deutlichen<br />

Erhöhung mütterlicher Nebenwirkungen<br />

(u.a. Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen,<br />

Blutdruckerhöhung), insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>nach</strong> Applikation von Ergoalkaloiden.<br />

1 Frauenklinik für Gynäkologie <strong>und</strong><br />

<strong>Geburt</strong>shilfe, Universitätsklinikum<br />

Aachen<br />

2 Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für Anästhesiologie,<br />

Universitätsklinikum<br />

Münster<br />

FRAUENARZT � 49 (2008) � Nr. 6<br />

Ungeachtet <strong>der</strong> Diskussion um eine<br />

unnötige Medikalisierung geburtshilflicher<br />

Abläufe sollte zumindest bei<br />

Risikokonstellationen (z.B. belastete<br />

Anamnese, Überdehnungszustände des<br />

Uterus) <strong>der</strong> aktiven Leitung <strong>der</strong> Nachgeburtsperiode<br />

<strong>der</strong> Vorzug gegeben<br />

werden. Die Notwendigkeit zur Gabe<br />

von Uterotonika in <strong>der</strong> Therapie postpartaler<br />

Blutungskomplikationen ist<br />

unbestritten (Übersicht bei 24).<br />

Ausgelöst durch Berichte über schwere<br />

maternale Komplikationen <strong>und</strong> Todesfälle<br />

(37) <strong>und</strong> stimuliert durch kritische<br />

Analysen aus <strong>der</strong> Anästhesie über<br />

die hämodynamischen Wirkungen sind<br />

<strong>Oxytocin</strong> <strong>und</strong> <strong>Methylergometrin</strong> in den<br />

Fokus des aktuellen Interesses geraten;<br />

dies betrifft neben den zugelassenen<br />

Indikationen vor allem die Dosierung,<br />

die Art <strong>der</strong> Applikation <strong>und</strong><br />

die Auswirkungen <strong>der</strong> Uterotonika auf<br />

kreislaufinstabile o<strong>der</strong> kardiovaskulär<br />

vorbelastete Schwangere.<br />

<strong>Oxytocin</strong> – zu oft eingesetzt<br />

<strong>und</strong> zu hoch dosiert?<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Anwendung<br />

von <strong>Oxytocin</strong> wurde vor kurzem<br />

die Frage aufgeworfen: „Geben <strong>Geburt</strong>shelfer<br />

zu hohe Dosen zu schnell,<br />

ohne die seit mehr als 30 Jahren bekannten<br />

hämodynamischen Wirkungen<br />

von <strong>Oxytocin</strong> zu berücksichtigen?“<br />

(30).<br />

Die Indikationen für <strong>Oxytocin</strong> sind<br />

laut Produktinformationen u.a. die<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Beschleunigung <strong>der</strong><br />

Ablösung <strong>und</strong> Ausstoßung <strong>der</strong> Plazenta<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en die Prophylaxe<br />

<strong>der</strong> verstärkten Nachgeburtsblutung<br />

sowie die Therapie atonischer<br />

Blutungen in <strong>der</strong> Nachgeburtsperiode.<br />

Bei dieser Indikation gilt laut Produktinformation<br />

<strong>Oxytocin</strong> als Mittel<br />

<strong>der</strong> zweiten Wahl <strong>und</strong> sollte nur eingesetzt<br />

werden, wenn an<strong>der</strong>e uteruskontrahierende<br />

Substanzen wie <strong>Methylergometrin</strong>,<br />

Prostaglandine o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>en Derivate kontraindiziert sind (s.<br />

auch Rote Liste). Diese Darstellung in<br />

den Produktinformationen wi<strong>der</strong>spricht<br />

gängigen nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Leitlinien (z.B. AWMF 015 / 031,<br />

September 2007, 24), dies bedarf <strong>der</strong><br />

weiteren Klärung.<br />

Laut Produktinformationen für <strong>Oxytocin</strong><br />

ist bei intravenöser Bolusgabe<br />

„mehrerer internationaler Einheiten<br />

<strong>Oxytocin</strong>“ ein ausgeprägter Blutdruckabfall<br />

verb<strong>und</strong>en mit Flush <strong>und</strong><br />

einer Steigerung <strong>der</strong> Herzfrequenz zu<br />

beachten.<br />

„<strong>Oxytocin</strong> is a<br />

cardiovascular hormone“<br />

Die kreislaufrelevanten Wirkungen von<br />

<strong>Oxytocin</strong> sind gr<strong>und</strong>sätzlich dosisabhängig;<br />

sie beruhen vor allem auf einer<br />

passageren Relaxation <strong>der</strong> glatten<br />

Gefäßmuskulatur mit Vasodilatation<br />

<strong>und</strong> konsekutiver endothelrezeptorvermittelter<br />

Aktivierung des<br />

NO-Stoffwechsels (34). Die Folge ist<br />

eine mütterliche Hypotension, die<br />

durch Reflextachykardie <strong>und</strong> Erhöhung<br />

des Herzminutenvolumens bei<br />

ges<strong>und</strong>en Schwangeren im Allgemeinen<br />

effektiv kompensiert wird. Nicht<br />

zu Unrecht wurde daher in einer Publikation<br />

von Gutkowska et al. (11)


mit dem Titel „<strong>Oxytocin</strong> is a cardiovascular<br />

hormone“ auf diese Zusammenhänge<br />

hingewiesen.<br />

Cave kardiale<br />

Dekompensation<br />

Problematisch wird diese Situation allerdings<br />

bei durch Blutverlust bedingter<br />

Hypovolämie, die ihrerseits zu<br />

einer Erhöhung <strong>der</strong> Herzfrequenz <strong>und</strong><br />

Abnahme des Blutdrucks führt, o<strong>der</strong><br />

bei einer Herzerkrankung <strong>der</strong> Mutter<br />

(u.a. fixiertes Herzminutenvolumen,<br />

eingeschränkte myokardiale Reserve,<br />

negativ chronotrope Wirkung von Betablockern),<br />

bei denen eine adäquate<br />

Kompensation <strong>der</strong> hämodynamischen<br />

Wirkungen von hoch dosiertem <strong>und</strong> als<br />

Bolus appliziertem <strong>Oxytocin</strong> ausbleibt<br />

(22, 37). Darüber hinaus kann die mütterliche<br />

Hypotension zusätzlich durch<br />

eine Spinalanästhesie (z.B. bei Sectio<br />

caesarea) verstärkt werden. Todesfälle<br />

in Verbindung mit <strong>der</strong> Bolusapplikation<br />

von <strong>Oxytocin</strong> aus den „Confidential<br />

Enquiries into Maternal Deaths<br />

in the United Kingdom“ belegen eindrucksvoll<br />

diese Pathophysiologie <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong>en Komplexität (5).<br />

Darüber hinaus wurde über Myokard -<br />

ischämien in Verbindung mit <strong>der</strong> Gabe<br />

von <strong>Oxytocin</strong> sowie über ST-Strecken-Senkung<br />

im EKG berichtet (Übersicht<br />

bei 5, kasuistisch bei 20, 29),<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei Schwangeren mit<br />

Herzerkrankungen, aber auch bei ges<strong>und</strong>en<br />

Schwangeren ohne kardiale<br />

Vorerkrankungen (39). In diesen Fällen<br />

dürfte den hämodynamischen Effekten<br />

von <strong>Oxytocin</strong> zum Teil eine additive<br />

Wirkung zu kom men, da bei<br />

massivem Blutverlust infolge postpartaler<br />

Blutung per se eine Myo kard -<br />

ischämie entstehen kann so wie eine<br />

ver min<strong>der</strong>te Kontraktilität des Myokards<br />

parallel zum Schweregrad des<br />

hämorrhagischen Schocks, die gerade<br />

bei herzkranken Schwangeren<br />

schwerwiegen<strong>der</strong>e Folgen haben als<br />

die Wirkungen von <strong>Oxytocin</strong> (32). An<strong>der</strong>e<br />

Fallberichte zeigen jedoch, dass<br />

primär nicht <strong>der</strong> ausgeprägte Blutverlust,<br />

son<strong>der</strong>n eine durch Uterotonika<br />

ausgelöste Myokardischämie im<br />

Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> hämodynamischen<br />

Instabilität steht (33).<br />

An<strong>der</strong>erseits wird als Nebenwirkung<br />

für <strong>Oxytocin</strong> häufig eine Blutdruckerhöhung<br />

angegeben. Dies erscheint<br />

auf den ersten Blick wi<strong>der</strong>sprüchlich,<br />

ist aber aus <strong>der</strong> Physiologie <strong>der</strong> Hämodynamik<br />

post partum verständlich.<br />

Die Aufhebung <strong>der</strong> Vena-cava-Kompression<br />

führt in Verbindung mit dem<br />

Rückstrom des Blutes aus <strong>der</strong> unteren<br />

Extremität <strong>und</strong> einem erheblichen<br />

Auspressvolumen des Uterus, verstärkt<br />

durch die Gabe von <strong>Oxytocin</strong>,<br />

� zu einer maternalen Autotrans -<br />

fusion von mindestens 500 ml,<br />

� zu einer Erhöhung des Herz -<br />

minutenvolumens <strong>und</strong> damit<br />

� zu einer hyperdynamen Kreislaufsituation<br />

unmittelbar post par tum.<br />

Dies ist eine Konstellation, die einerseits<br />

vor allem bei Präeklampsie<br />

(laut Produktinformation Kontraindikation<br />

für <strong>Oxytocin</strong>) <strong>und</strong> erhöhter Volumenzufuhr<br />

(z.B. <strong>nach</strong> Sectio caesarea)<br />

das Risiko für ein Lungenödem<br />

erhöht, an<strong>der</strong>erseits sich für herzkranke<br />

Schwangere infolge zusätzlicher<br />

kardiovaskulärer Belastung deletär<br />

auswirken kann.<br />

Diese pathophysiologischen Konsequenzen<br />

sollten im Hinblick auf die<br />

Dosierung <strong>und</strong> den Applikationsmodus<br />

von <strong>Oxytocin</strong> im Einzelfall berücksichtigt<br />

werden (s.u.).<br />

Dosierungsempfehlungen<br />

rein empirisch<br />

Die Empfehlungen zu Dosierungen <strong>und</strong><br />

Applikationsmodi von <strong>Oxytocin</strong> sind<br />

in <strong>der</strong> Literatur uneinheitlich <strong>und</strong><br />

letztlich nicht anhand definitiver Dosisfindungsstudien<br />

geklärt, son<strong>der</strong>n<br />

basieren auf vorwiegend empirischen<br />

Empfehlungen (5, 15).<br />

Laut Produktinformationen <strong>der</strong> Herstellerfirmen<br />

können während einer<br />

Sectio <strong>nach</strong> Entwicklung des Kindes<br />

5 I.E. <strong>Oxytocin</strong> intramural o<strong>der</strong> langsam<br />

intravenös gegeben werden (Prophylaxe),<br />

in <strong>der</strong> Nachgeburtsperiode<br />

(atonische Blutung) 5–10 I.E. intra-<br />

muskulär o<strong>der</strong> 5–6 I.E. langsam intravenös;<br />

auf den akuten Blutdruckabfall<br />

wird in diesem Zusammenhang<br />

hingewiesen. Internationale Produktinformationen<br />

geben bei postpartalen<br />

Blutungen entwe<strong>der</strong> die intramuskuläre<br />

Gabe von 10 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

o<strong>der</strong> die intravenöse Gabe von 10–40<br />

I.E. in 1.000 ml 0,9%iger Kochsalzlösung<br />

an. Die AWMF-Leitlinie (9) empfiehlt<br />

zur Behandlung <strong>der</strong> atonischen<br />

Nachblutung 10 I.E. <strong>Oxytocin</strong> als Bolus<br />

plus mindestens 40 I.E. in 500 ml<br />

Trägerlösung (125 ml pro St<strong>und</strong>e).<br />

In den gängigen Lehr- <strong>und</strong> Facharztbüchern<br />

werden zur Beschleunigung<br />

<strong>der</strong> Plazentageburt 3 I.E. <strong>Oxytocin</strong> intravenös<br />

empfohlen (17), zur aktiven<br />

Leitung <strong>der</strong> Nachgeburtsperiode 5–<br />

10 I.E. <strong>Oxytocin</strong> intravenös innerhalb<br />

einer Minute <strong>nach</strong> Durchtritt <strong>der</strong> kindlichen<br />

Schulter bzw. <strong>Geburt</strong> des Kindes<br />

(14, 28), zur Behandlung <strong>der</strong> Uterusatonie<br />

10 I.E. als Bolus verb<strong>und</strong>en<br />

mit einer Kurzinfusion von bis zu<br />

20 I.E. <strong>Oxytocin</strong> in 0,9%iger Kochsalzlösung<br />

(28).<br />

Entsprechende Empfehlungen aus den<br />

USA lauten: Infusion von 10 I.E. in<br />

einer Dosierung von 0,02–0,04 I.E.<br />

pro Minute (2, 3).<br />

Die Empfehlungen aus England geben<br />

an: bei Sectio caesarea 5 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

langsam intravenös <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong><br />

des Kindes, 5–10 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

intravenös zur Behandlung <strong>der</strong> atonischen<br />

Blutung, gefolgt von einer<br />

langsamen <strong>Oxytocin</strong>infusion (6). Keine<br />

dieser Dosierungsempfehlungen<br />

ist aber bisher auf hohem Niveau evidenzbasiert<br />

gesichert.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Vermeidung postpartaler<br />

Blutungskomplikationen zeigte<br />

eine Vergleichsstudie zwischen<br />

5 I.E. <strong>und</strong> 10 I.E. <strong>Oxytocin</strong> eindeutige<br />

Vorteile zugunsten <strong>der</strong> höheren<br />

<strong>Oxytocin</strong>dosierung (19), bei Sectio<br />

caesarea waren demgegenüber die intravenöse<br />

Gabe von 5, 10, 15 <strong>und</strong> 20<br />

I.E. <strong>Oxytocin</strong> hinsichtlich <strong>der</strong> Uterustonisierung<br />

<strong>und</strong> des postpartalen<br />

Blutverlustes äquieffektiv (27).<br />

DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />

FRAUENARZT � 49 (2008) � Nr. 6 499


DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />

500<br />

Interessant in diesem Zusammenhang<br />

sind Dosis-Wirkungs-Studien <strong>und</strong> dosisabhängige<br />

Untersuchungen zur hämodynamischen<br />

Wirkung von <strong>Oxytocin</strong>.<br />

Bei ges<strong>und</strong>en Frauen ohne Wehen<br />

<strong>und</strong> elektiver Sectio unter Spinalanästhesie<br />

war eine Dosis von<br />

≤1 I.E. <strong>Oxytocin</strong> für eine effektive<br />

Uterustonisierung ausreichend (7).<br />

Informationen aus<br />

Dosis-Wirkungs-Studien<br />

Bekannt ist, dass es bei protrahiertem<br />

<strong>Geburt</strong>sverlauf <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> intravenöser<br />

<strong>Oxytocin</strong>infusion zur Wehenverstärkung<br />

zu einer Vermin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>und</strong> Desensibilisierung myo -<br />

metraner <strong>Oxytocin</strong>rezeptoren kommt<br />

(Übersicht bei 25), die die Gabe höherer<br />

<strong>Oxytocin</strong>-Dosen im Hinblick auf<br />

eine effektive Uterustonisierung in<br />

<strong>der</strong> Nachgeburtsperiode erfor<strong>der</strong>n. In<br />

einer randomisierten Doppelblindstudie<br />

bei Schwangeren <strong>nach</strong> <strong>Geburt</strong>sstillstand,<br />

Wehenverstärkung<br />

durch intravenöses <strong>Oxytocin</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>nach</strong>folgen<strong>der</strong> Sectio caesarea unter<br />

Spinalanästhesie konnte festgestellt<br />

werden, dass eine intravenöse „loading<br />

dose“ von 3 I.E. <strong>Oxytocin</strong> für eine<br />

adäquate Uteruskontraktion ausreicht,<br />

gefolgt von einer kontinuierlichen<br />

<strong>Oxytocin</strong>dauerinfusion mit<br />

20 I.E. pro Liter (120 ml/h, 4).<br />

Als Alternative in diesen Fällen wurde<br />

die Einmalinjektion des lang wirksamen<br />

<strong>Oxytocin</strong>agonisten Carbetocin<br />

(Pabal, Ferring Arzneimittel) – Indikation:<br />

Prävention <strong>der</strong> Uterusatonie<br />

<strong>nach</strong> Sectio unter Spinalanästhesie –<br />

empfohlen mit bisher viel versprechenden<br />

klinischen Ergebnissen<br />

(Übersicht bei 31).<br />

In einer weiteren Studie wurden die<br />

hämodynamischen Wirkungen einer<br />

5-I.E.- versus einer 10-I.E.-Bolusgabe<br />

von <strong>Oxytocin</strong> bei Sectio caesarea<br />

unter Spinalanästhesie bei ges<strong>und</strong>en<br />

Schwangeren verglichen. Dabei kam<br />

es <strong>nach</strong> Applikation von 10 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

als Bolus innerhalb von 30 Sek<strong>und</strong>en<br />

zu einem signifikanten Blutdruckabfall<br />

<strong>und</strong> <strong>nach</strong> 2 Minuten zu<br />

FRAUENARZT � 49 (2008) � Nr. 6<br />

einer signifikanten Erhöhung <strong>der</strong><br />

Herzfrequenz <strong>und</strong> des Herzminutenvolumens<br />

– hämodynamische Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

die <strong>nach</strong> einem 5-I.E.-<strong>Oxytocin</strong>-Bolus<br />

weniger ausgeprägt waren<br />

(22). Unter Hinweis auf einen<br />

mütterlichen Todesfall <strong>nach</strong> einer 10-<br />

I.E.-Bolusgabe von <strong>Oxytocin</strong> in England<br />

wurde bei ges<strong>und</strong>en Schwangeren<br />

daher die langsame intravenöse<br />

Applikation von 5 I.E. <strong>Oxytocin</strong> empfohlen,<br />

bei Schwangeren mit Hypovolämie<br />

o<strong>der</strong> kardiovaskulären Erkrankungen<br />

sollte eine rasche Bolus -<br />

applikation in jedem Fall vermieden<br />

werden (22, 32).<br />

Kurzinfusion ist eine<br />

viel versprechende Variante<br />

Eine viel versprechende Alternative<br />

zur Bolusgabe ist die Kurzinfusion<br />

von 5 I.E. <strong>Oxytocin</strong> über 5 Minuten,<br />

die hinsichtlich ihrer hämodynamischen<br />

Auswirkungen mit <strong>der</strong> 5-I.E.-<br />

Bolusapplikation bei ges<strong>und</strong>en<br />

Schwangeren <strong>und</strong> Sectio caesarea verglichen<br />

wurde (36). Ohne Unterschiede<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> resultierenden<br />

Uterus kon trak tionen <strong>und</strong> des<br />

Blutverlusts zeigte sich <strong>nach</strong> Bolusanwendung<br />

eine signifikante Steigerung<br />

<strong>der</strong> Herzfrequenz (im Mittel 17<br />

Schläge pro Minute vs. 10 Schläge pro<br />

Minute) <strong>und</strong> ein signifikant stärkerer<br />

Abfall des mittleren arteriellen Blutdrucks<br />

(im Mittel 27 vs. 8 mmHg),<br />

<strong>der</strong> erst <strong>nach</strong> 90 Sek<strong>und</strong>en wie<strong>der</strong> zu<br />

den Ausgangswerten zurückkehrte.<br />

Ungeachtet des Fehlens größerer Studien<br />

wurde daher die Kurzinfusion von<br />

5 I.E. <strong>Oxytocin</strong> vor allem bei kardiovaskulär<br />

instabilen Schwangeren empfohlen.<br />

Tägliche Praxis aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> neuen Erkenntnisse<br />

überprüfen<br />

Es ist daher nötig, unsere bisherigen<br />

Empfehlungen aus Lehrbüchern <strong>und</strong><br />

Leitlinien <strong>und</strong> unsere tägliche Praxis<br />

im Hinblick auf diese neuen Erkenntnisse<br />

zu überprüfen. Eine Umfrage<br />

aus England zeigte (5), dass unter<br />

dem Einfluss <strong>der</strong> „Confidential En-<br />

quiries into Maternal Deaths“ ein Umdenken<br />

<strong>der</strong> <strong>Geburt</strong>shelfer erreichbar<br />

war; vor <strong>der</strong> Publikation des mütterlichen<br />

Todesfalles im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> raschen Bolusgabe von 10 I.E.<br />

<strong>Oxytocin</strong> bei Sectio caesarea wendeten<br />

87% <strong>der</strong> befragten <strong>Geburt</strong>shelfer<br />

10 I.E. <strong>Oxytocin</strong> vorzugsweise als i.v.-<br />

Bolus beim Kaiserschnitt an, da<strong>nach</strong><br />

nur noch 15%; auch auf die rasche<br />

Bolusapplikation wurde deutlich häufiger<br />

verzichtet. Insgesamt än<strong>der</strong>ten<br />

84% <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong>shelfer ihr Verhalten<br />

im Umgang mit <strong>Oxytocin</strong>. In diesem<br />

Zusammenhang ist daher dringend zu<br />

for<strong>der</strong>n, auch in Deutschland ein <strong>der</strong>artiges<br />

anonymes Register mütterlicher<br />

Todesfälle zu etablieren.<br />

Klinische Konsequenzen<br />

Die hämodynamischen Wirkungen von<br />

<strong>Oxytocin</strong>, insbeson<strong>der</strong>e als intravenö -<br />

ser Bolus von mehr als 3–5 I.E., müssen<br />

immer im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Physiologie <strong>der</strong> Nachgeburtsperiode<br />

<strong>und</strong> unterschiedlicher pathophysiologischer<br />

Konstellationen (z.B. Prä -<br />

eklampsie, hämodynamische Folgen<br />

eines starken <strong>und</strong> raschen Blutverlustes,<br />

Hypovolämie) sowie einer vorbestehenden<br />

kardiovaskulären Erkrankung<br />

<strong>der</strong> Mutter berücksichtigt werden.<br />

Darüber hinaus ist in Abhängigkeit<br />

von <strong>der</strong> Indikation zur Gabe von<br />

<strong>Oxytocin</strong> zwischen den Risiken einer<br />

potenziell zu niedrigen <strong>und</strong> möglicherweise<br />

min<strong>der</strong>effektiven Dosierung,<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Behandlung atonischer<br />

Blutungen, <strong>und</strong> den hämodynamischen<br />

Folgen einer hoch dosierten<br />

Bolusapplikation abzuwägen <strong>und</strong><br />

dies im intensivmedizinischen Manage -<br />

ment gemeinsam mit dem Anästhesisten<br />

zu beachten.<br />

Dabei liegt es auf <strong>der</strong> Hand, dass sich<br />

die Situation <strong>der</strong> <strong>Oxytocin</strong>anwendung<br />

zur Beschleunigung <strong>der</strong> Plazentageburt<br />

<strong>und</strong> zur Prophylaxe postpartaler<br />

Blutungen, auch bei Sectio caesarea,<br />

gravierend von <strong>der</strong> einer massiven atonischen<br />

Nachblutung unterscheidet.<br />

Im ersten Fall dürfte die langsame intravenöse<br />

Applikation von 3 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

i.a. ausreichend sein, bei Sectio


caesarea entwe<strong>der</strong> die Applikation von<br />

3 I.E. Oxcytocin gefolgt von einer kontinuierlichen<br />

Dauerinfusion (s.o.) o<strong>der</strong><br />

bei elektivem Kaiserschnitt die intravenöse<br />

Gabe von 3 I.E. <strong>Oxytocin</strong> in<br />

500 ml Trägerlösung mit 80 Tropfen<br />

pro Minuten (0,024 I.E./Minute, 40).<br />

Im zweiten Fall gehen aktuelle Empfehlungen<br />

dahin, maximal 6 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

langsam intravenös zu verabreichen<br />

plus 10–40 I.E. in 500–1.000 ml<br />

Ringerlaktatlösung o<strong>der</strong> physiologischer<br />

Kochsalzlösung als Dauertropfinfusion<br />

(2, 24). Die Wirkung intravenös<br />

applizierten <strong>Oxytocin</strong>s tritt <strong>nach</strong><br />

1 Minute ein, <strong>nach</strong> intramuskulärer Injektion<br />

erst <strong>nach</strong> 3–5 Minuten, auch<br />

dies sollte in <strong>der</strong> aktuellen Situation<br />

bedacht werden.<br />

Bei kreislaufinstabilen o<strong>der</strong> kardiovaskulär<br />

vorbelasteten Schwangeren<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Notwendigkeit zur Gabe von<br />

Uterotonika sollten – ungeachtet <strong>der</strong><br />

spärlichen Datenlage – 5 I.E. <strong>Oxytocin</strong><br />

über 5 Minuten als Kurzinfusion<br />

gegeben werden (30, 36) <strong>und</strong> keinesfalls<br />

<strong>Oxytocin</strong> als Bolus (32).<br />

<strong>Methylergometrin</strong><br />

richtig indizieren<br />

Die persistierende uteruskontrahierende<br />

Wirkung von <strong>Methylergometrin</strong><br />

(Methergin) beträgt bei intravenöser<br />

Gabe mindestens 30 Minuten <strong>und</strong> hält<br />

für 60–90 Minuten an (Halbwertzeit:<br />

0,2–2 St<strong>und</strong>en, 16).<br />

Laut Produktinformationen ist Meth -<br />

ergin zugelassen bei Blutungen <strong>nach</strong><br />

Abort, verstärkter postpartaler Blutung<br />

<strong>und</strong> Subinvolutio uteri im Wochenbett<br />

bei nicht stillenden Frauen.<br />

Die Dosierung ist bei intravenöser Gabe<br />

mit 1–2mal täglich bis zu einer<br />

halben Ampulle langsam i.v. o<strong>der</strong><br />

1–3 mal täglich bis zu einer Ampulle<br />

intramuskulär angegeben. In einer<br />

Cochrane-Analyse (16) wurde die Wirksamkeit<br />

dieser Substanz in <strong>der</strong> Leitung<br />

<strong>der</strong> Nachgeburtsperiode <strong>und</strong> zur<br />

Prophylaxe postpartaler Blutungen<br />

evaluiert: Sie führte zu einer signifikanten<br />

Senkung des Blutverlustes, <strong>der</strong><br />

Rate postoperativer Blutungen <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Häufigkeit von Endometritis, war<br />

allerdings auch mit einer erheblichen<br />

maternalen Nebenwirkungsrate <strong>und</strong><br />

dem erhöhten Risiko für eine Plazentaretention<br />

belastet. Nach Prendi ville<br />

et al. (23) <strong>und</strong> entsprechend <strong>der</strong> Zulassung<br />

sollte Methergin allerdings nur<br />

in <strong>der</strong> Therapie postpartaler Blutungen<br />

Anwendung finden.<br />

In den gängigen Fachbüchern wird in<br />

dieser Indikation die Gabe von 1 Ampulle<br />

(1 ml entspricht 0,2 mg) langsam<br />

intravenös – über 60 Sek<strong>und</strong>en<br />

– empfohlen (14, 28), gegebenenfalls<br />

die intramuskuläre Applikation in gleicher<br />

Dosierung. Die AWMF-Leitlinie<br />

(015/031, 9) empfiehlt die langsame<br />

intravenöse Gabe von 0,2–0,5 mg<br />

Meth ergin (Wirkungseintritt <strong>nach</strong> 45<br />

Sek<strong>und</strong>en). Bisher gibt es allerdings<br />

keine international verbindlichen Angaben<br />

zur Dosierung <strong>und</strong> zum Applikationsmodus<br />

von <strong>Methylergometrin</strong><br />

(16).<br />

Unabhängig davon wird deutlich, dass<br />

in aktuellen Empfehlungen die zugelassene<br />

Dosis bei <strong>der</strong> intravenösen<br />

Gabe von einer halben Ampulle (0,1<br />

mg) überschritten wird, darüber hinaus<br />

dürfte es technisch schwierig<br />

sein, 0,5 ml Methergin langsam intravenös<br />

zu applizieren, was nur durch<br />

eine Verdünnung <strong>der</strong> Substanz möglich<br />

ist, die aber in <strong>der</strong> Literatur nicht<br />

geprüft ist <strong>und</strong> über die keine klinischen<br />

Empfehlungen vorliegen.<br />

Entscheidend für die Wirkung von<br />

Meth ergin in <strong>der</strong> klinischen Anwendung<br />

ist eine Vielzahl auf unterschiedlicher<br />

Affinität zu den α-Adrenorezeptoren<br />

<strong>und</strong> Dopaminrezeptoren<br />

beruhen<strong>der</strong> Nebenwirkungen dieser<br />

Sekale-Alkaloide, wobei <strong>der</strong> starke<br />

vasokonstriktorische Effekt bis hin<br />

zum Gefäßspasmus im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong><br />

steht.<br />

Auch hier: cave kardiale <strong>und</strong><br />

zerebrale Dekompensation<br />

Aus Herzkatheteruntersuchungen ist<br />

bekannt, dass die Gabe von Ergoalkaloiden<br />

zu einer Vermin<strong>der</strong>ung des<br />

Durchmessers <strong>der</strong> Koronararterien um<br />

15–20% führt <strong>und</strong> schwere Myokard -<br />

ischämien auslösen kann (38).<br />

Dementsprechend gehören u.a. Bluthochdruck,<br />

die postpartale Gabe <strong>nach</strong><br />

Präeklampsie <strong>und</strong> Eklampsie, ischämische<br />

Gefäßerkrankungen einschließlich<br />

ischämischer Herzerkrankungen<br />

<strong>und</strong> Sepsis zu den wichtigsten<br />

Kontraindikationen, die in <strong>der</strong> geburtshilflichen<br />

Praxis – vor allem in<br />

<strong>der</strong> Notsituation einer starken postpartalen<br />

Blutung – häufig nicht berücksichtigt<br />

werden.<br />

Bei Präeklampsie kommt die blutdrucksteigernde<br />

Wirkung <strong>der</strong> Substanz<br />

mit u.a. <strong>der</strong> kontraktionsinduzierten<br />

Erhöhung des Rückflussvolumens aus<br />

dem Plazentabett <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erhöhung<br />

des Herzminutenvolumens zusammen<br />

– eine Konstellation, die in Verbindung<br />

mit hoher Volumengabe (z.B.<br />

bei Sectio caesarea) <strong>und</strong> Tachykardie<br />

zu einer akuten Myokardbelastung mit<br />

erhöhtem Sauerstoffbedarf führen <strong>und</strong><br />

gerade bei kardial vorbelasteten<br />

Schwangeren deletäre Folgen haben<br />

kann. Gefährdet sind auch ältere<br />

Schwangere, insbeson<strong>der</strong>e mit Nikotin-<br />

<strong>und</strong> Alkoholabusus, Migräne in<br />

<strong>der</strong> Vorgeschichte <strong>und</strong> familiärer Belastung<br />

für eine koronare Herzerkrankung<br />

(38). Im hämorrhagischen<br />

Schock/bei Hypovolämie (z.B. bei atonischer<br />

Blutung) kann die medikamenteninduzierte<br />

Vasokonstriktion<br />

die periphere Vasokonstriktion <strong>und</strong><br />

die Tachykardie verstärken, die sich<br />

aus <strong>der</strong> Pathophysiologie des hypovolämischen<br />

Schocks ergeben.<br />

Es ist daher im Hinblick auf die pharmakologischen<br />

Wirkungen von Meth -<br />

ergin nicht erstaunlich, dass seit Beginn<br />

<strong>der</strong> 90er Jahre zahlreiche Berichte<br />

über schwere mütterliche Komplikationen<br />

<strong>nach</strong> Methergin publiziert<br />

wurden, wobei eine detaillierte Analyse<br />

dieser Falldarstellungen den Rahmen<br />

dieser Arbeit überschreitet. Ohne<br />

Anspruch auf Vollständigkeit handelt<br />

es sich dabei um mindestens 20<br />

Veröffentlichungen, in denen Koronarspasmen<br />

<strong>und</strong> Myokardinfarkte z.T.<br />

DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />

FRAUENARZT � 49 (2008) � Nr. 6 501


DIAGNOSTIK + THERAPIE<br />

502<br />

mit Todesfolge im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Gabe von Methergin beschrieben<br />

wurden (u.a. 12, 38), vorwiegend bei<br />

offenbar ges<strong>und</strong>en Frauen ohne erkennbare<br />

kardiovaskuläre Vorerkrankung,<br />

darüber hinaus mindestens drei<br />

Fälle schwerer zerebrovaskulärer Angiospasmen/Angiopathien<br />

(u.a. 26)<br />

<strong>und</strong> eine weitere Kasuistik über postpartal<br />

aufgetretene akute Ischämien<br />

<strong>der</strong> unteren Extremität (8), abgesehen<br />

von zahlreichen Berichten über<br />

Nebenwirkungen beim Neugeborenen<br />

(Übersicht bei 1).<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Erkenntnisse wird<br />

Meth ergin in deutschen <strong>Geburt</strong>skliniken<br />

zunehmend seltener zur Behandlung<br />

verstärkter postpartaler Blutungen<br />

eingesetzt, aktuelle internationale<br />

Übersichten empfehlen die Gabe<br />

von Methergin nur noch als<br />

intramuskuläre Applikation von<br />

0,2 mg o<strong>der</strong> die direkte Gabe in das<br />

Myometrium (z.B. bei Sectio caesarea),<br />

keinesfalls aber intravenös als<br />

Bolus (13). Probleme <strong>der</strong> intramyometrialen<br />

o<strong>der</strong> intramuskulären Gabe<br />

beinhalten nicht kalkulierbare Plasmaspiegel,<br />

die zu einer verspäteten<br />

hämodynamischen Wirkung vergleichbar<br />

<strong>der</strong> intravenö sen Gabe führen<br />

können. Diese Empfehlungen sind<br />

aber aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> fehlenden Datenlage<br />

nicht auf hohem Niveau evidenzbasiert<br />

(EL III). Das Kombinationspräparat<br />

Syntometrin (0,5 mg Ergometrin<br />

+ 5 I.E. <strong>Oxytocin</strong>) ist in<br />

Deutschland kommerziell nicht mehr<br />

verfügbar.<br />

Blutdruck messen<br />

nicht vergessen<br />

Für die Anwendung von Uterotonika<br />

in <strong>der</strong> Nachgeburtsperiode <strong>und</strong> bei<br />

postpartalen Blutungen ist daher Folgendes<br />

zu berücksichtigen: Sofern<br />

möglich, sollte immer eine sorgfältige<br />

Erhebung <strong>der</strong> Anamnese (Ausschluss<br />

kardiovaskulärer Risikofaktoren)<br />

sowie eine orientierende klinische<br />

Untersuchung <strong>der</strong> Schwangeren<br />

einschließlich <strong>der</strong> Messung des Blutdrucks<br />

erfolgen, die aber in <strong>der</strong> geburtshilflichen<br />

Praxis häufig aus ver-<br />

FRAUENARZT � 49 (2008) � Nr. 6<br />

schiedenen Gründen unterlassen wird.<br />

Bei einer Vielzahl von Schwangeren<br />

mit kardialen Komplikationen war eine<br />

kardiale Vorerkrankung nicht bekannt<br />

<strong>und</strong> anamnestisch nicht zu erheben.<br />

Das Risiko von Myokardinfarkten<br />

in <strong>der</strong> Schwangerschaft steigt<br />

mit zunehmendem mütterlichen Alter,<br />

so haben 35- bis 39-jährige<br />

Schwangere ein 20fach höheres Risiko<br />

für einen Myokardinfarkt als unter<br />

20-jährige, über 40-jährige haben ein<br />

30fach erhöhtes Risiko (41).<br />

Bei <strong>der</strong> Gabe von Uterotonika müssen<br />

die Zulassungsrichtlinien, die Kontraindikationen,<br />

die pathophysiologischen<br />

Konstellationen <strong>der</strong> gegebenen<br />

geburtshilflichen Situation, <strong>der</strong> aktuelle<br />

kardiovaskuläre Status <strong>der</strong> Mutter<br />

<strong>und</strong> die Dringlichkeit zur Anwendung<br />

dieser Substanzen in Abwägung<br />

zu <strong>der</strong>en Risiken berücksichtigt werden.<br />

Rasche Bolusinjektionen sollten<br />

vermieden (besser: Kurzinfusion) <strong>und</strong><br />

die minimaleffektive Dosis des Medikaments<br />

verabreicht werden; im Hinblick<br />

auf die unvorhersehbaren Nebenwirkungen<br />

ist ein engmaschiges<br />

Kreislaufmonitoring – vor allem bei<br />

Risikoschwangeren – indiziert (enge<br />

Kooperation mit <strong>der</strong> Anästhesie).<br />

Um mütterliche Morbidität zu vermeiden,<br />

sollte <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong>shelfer die Gabe<br />

von Uterotonika nicht im Sinne einer<br />

„unreflektierten Routinemaßnahme“<br />

anordnen, son<strong>der</strong>n individuell <strong>und</strong><br />

situationsangepasst indizieren.<br />

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Für die Autoren<br />

Univ.-Prof.<br />

Dr. med. W. Rath<br />

Universitäts-Frauenklinik<br />

<strong>der</strong> RWTH Aachen<br />

Pauwelsstraße 30<br />

52074 Aachen<br />

wrath@ukaachen.de

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