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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

schen Bundesrat war auch die zentrale Gesetzgebungsposition des Reichstags<br />

nicht dermaßen durchschlagend, wie dies insbesondere durch E. R. Huber suggeriert<br />

wird. Vielmehr muss insbesondere Art. 12 RV 1871 309 ins Feld geführt werden,<br />

der dem Kaiser das Recht zur Berufung und Eröffnung des Bundesrates und<br />

Reichstags in der Manier der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher<br />

Nation zuwies. Das dies mehr als eine Hommage an die großen Kaiser und<br />

Könige des alten Reiches war, wird deutlich, wenn man die faktische staatsrechtliche<br />

Folge näher betrachtet. Es ist zwar richtig, dass die Reichsexekutive aufgrund<br />

des Vorbehaltes des Gesetzes, den auch die Reichsverfassung von 1871 schon<br />

kannte, nicht ohne gesetzliche Ermächtigung handeln konnte, was insbesondere<br />

bei der Feststellung des Haushaltplans in Gesetzesform (Art. 69 RV 1871) 310 deutlich<br />

wurde. Die damit verbundene Partizipation an der Reichsleitung stellte auch<br />

zweifelsohne einen tatsächlichen Machtanteil des Reichstags dar.<br />

Jenes Recht muss aber auch reflektiert werden mit den Möglichkeiten des Kaisers,<br />

als monarchische Spitze das parlamentarische Gebaren einhegen zu können.<br />

So muss <strong>im</strong> Angesicht von Art. 12 RV 1871 eindeutig klar gestellt werden, dass<br />

der Reichstag nur ein periodisch tagendes Kollegium war, das staatsrechtlich erst<br />

durch eine Berufung und Eröffnung durch den Kaiser in Erscheinung trat. Ein<br />

Recht sich selbst zu versammeln, die Tätigkeit ohne Initiative des Kaisers zu beginnen,<br />

stand dem Reichstag nicht zu. Hätte er sich ohne Eröffnung des Kaisers<br />

versammelt, hätte nach dem damaligen staatsrechtlichen Verständnis kein Reichstag<br />

bestanden, sondern nur eine private Versammlung. 311 Nicht nur die Reichsexekutive<br />

war damit abhängig von der Legislative, sondern auch diese selber hätte<br />

ohne exekutive Initialisierung gar nicht stattgefunden. 312<br />

Wie grundsätzlich richtig daher die oben aufgeführte Ansicht Böckenfördes überdies<br />

ist und der Reichstag eben tatsächlich nur der Schatten einer prosperierenden<br />

Nationalrepräsentation <strong>im</strong> Sinne des englischen Parlamentarismus war, wird neben<br />

einer rationalen staatsrechtlichen Einordnung gerade auch <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit dem Vetobefund deutlich. Ein Nachlesen der zentralen Norm des Art. 5 RV<br />

1871 sollte die Augen dafür öffnen, dass die Gesetzgebungsmacht des Reichtages<br />

sehr wohl behindert werden konnte. Und zwar, wie E. R. Huber es sogar selber<br />

erkennt, durch den Bundesrat. Nur wenn man vor dessen manifester Position die<br />

Augen verschließt, kann von einem Durchmarsch des parlamentarischdemokratischen<br />

Reichstags <strong>im</strong> vollen Umfang ausgegangen werden, so wie E. R.<br />

309 Art. 12 Reichsverfassungsgesetz vom 16. April 1871: „Dem Kaiser steht es zu den Bundesrat und des Reichstag<br />

zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.“.<br />

310 Art. 69 Reichsverfassungsgesetz vom 16. April 1871: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches müssen für<br />

jedes Jahr veranschlagt auf den Reichshaushaltsetat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatjahres<br />

nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.“.<br />

311 Vgl. Finger, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, S. 41.<br />

312 Es ist davon auszugehen, dass die exekutive Reichsleitung unter Vorsitz des Kaisers, ihrem althergebrachten<br />

konstitutionellen Verfassungsverständnis gemäß, auch ohne gesetzliche Ermächtigung das Reich per Notverordnung<br />

regiert hätte. Derartige eigenständige Möglichkeiten standen dem auf Einberufung angewiesen Reichstag<br />

nicht zur Verfügung.

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