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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

chen Gesetzgebungsarbeit aber einen nicht zu leugnenden fulminant hohen<br />

Machtanteil zu rekonstruieren, geht jedoch bei weitem an den politischen Realitäten<br />

des Kaiserreichs vorbei.<br />

Natürlich stechen eine unübersehbare Fülle von Reichskodifikationen 301 aus<br />

der Anfangszeit des Kaiserreichs ins Auge, welche auch unter maßgeblicher Beteiligung<br />

parlamentarischer Gesetzgebung des Reichstags erzeugt wurden. Ohne<br />

deren gesellschaftspolitische D<strong>im</strong>ension zu übersehen, stellt dieses Konvolut an<br />

Gesetzen dennoch nur die Nachholarbeiten dar, mittels derer nun erstmals für das<br />

gesamte Territorium des Deutschen Reichs, essentielle Lebenssachverhalte unitarisch<br />

und isomorph in Gesetzesform geregelt werden konnten. Aus der Harmonisierungsnotwendigkeit<br />

weiter Rechtsgebiete einen tatsächlichen Machtfaktor der<br />

Nationalrepräsentation zu kreieren, ist zumindest fragwürdig, weil lediglich mit<br />

dem faktischen Ergebnis begründet. Der Ansatz E. R. Hubers, die Effektivität der<br />

Gesetzgebungsmacht des Reichtages außer Zweifel zu stellen, nur weil sie tatsächlich<br />

zu legislativen Ergebnissen führte, ist vielleicht geeignet, um eine gewünschte<br />

politische Seelenverwandtschaft zwischen Reichstag und heutigem Bundestag<br />

herzustellen, die politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit beschönigt sie<br />

dabei aber über Gebühr. Es wird in diesem Zusammenhang nämlich überhaupt<br />

nicht überdacht, ob diese verfassungsrechtlichen Konstruktionen auch ohne die<br />

Harmonisierungsbedürftigkeit jener Gesetzesmaterien funktioniert hätten.<br />

Auch wenn E. R. Huber in apodiktischer Weise den Anteil des Reichstags an<br />

der Staatsleitung <strong>im</strong> Kaiserreich für derartig feststehend hält, dass ein „ernsthafter<br />

Zweifel daran nicht möglich sein kann“, so muss doch die Frage nach dem gesellschaftlich-historischen<br />

Kontext gestellt werden, in dessen Rahmen diese Verfassungsentwicklungen<br />

vonstattengingen. Insbesondere E. R. Hubers Anschauungen zur<br />

Gewaltentrias <strong>im</strong> Reichskonstitutionalismus erscheinen nicht <strong>im</strong>mer von den damaligen<br />

Realitäten gespeist. Offensichtliches Ziel E. R. Hubers ist es, den Reichstag<br />

in einer geschichtsillusionistischen Überhöhung mit heutigen Legislativorganen<br />

in eine Reihe zu stellen. Er geht davon aus, dass die Reichsverfassung eine<br />

dreigeteilte Herrschaftsordnung darstellte, welche in Form „…des Zusammenwirkens<br />

der kaiserlichen <strong>Exekutive</strong>, der <strong>im</strong> Bundesrat zusammengefassten Föderativgewalt und der dem<br />

Reichstag durch Wahl delegierten Volksgewalt nicht nur den politischen Realitäten der Zeit<br />

adäquat war, sondern auch den Ideen der Zeit, nämlich dem Bekenntnis zu nationaler Einheit,<br />

persönlicher Freiheit und staatsbürgerlichem Mitentscheidungsrechts nach den vorherrschenden<br />

Überzeugungen am besten entsprach. …“ 302 In vollkommen nachvollziehbarer Weise<br />

muss E. R. Huber dann zu dem Ergebnis 303 kommen, dass das Legit<strong>im</strong>itätsprinzip<br />

301 Von den zahlreichen relevanten Reichskodifikationen seien in Anlehnung an Hubers Aufzählung folgende<br />

genannt: (schon <strong>im</strong> Nord<strong>deutschen</strong> Bund beginnend) – Gewerbeordnung (1869); Aktiengesetz (1870); Reichsstrafgesetzbuch<br />

(1870); Reichspressegesetz (1874); Sozialversicherungsgesetze (1883-1889); Patentgesetz (1891);<br />

Bürgerliche Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch, Börsengesetz (1896); Arbeitsschutznovellen (1878, 1891, 1900,<br />

1908); Urheberrechtsgesetz (1901); Gesetz über unlauteren Wettbewerb (1909); etc.<br />

302 Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung (§2), in: Isensee/Kirchhof HStR I, Rn<br />

64.<br />

303 A.a.O., Rn 66.

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