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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Ursprünge und Entwicklungslinien 71<br />

des Gesetzes wurde nicht nur als die authentische Beurkundung seines Wortlauts<br />

angesehen, sondern mit ihr ging zugleich eine formelle Konstatierung dahingehend<br />

einher, dass die verfassungsmäßigen Vorbedingungen des Gesetzes erfüllt<br />

seien. 281<br />

Die Formulierung des Art. 17 RV 1871 verpflichtete also den Kaiser (genauso<br />

wie die Vorgängernorm das Bundespräsidium) die vom Reichstag und Bundesrat<br />

beschlossenen Gesetze auszufertigen und zu verkünden. Er sollte dabei sowohl<br />

das Recht als auch die Pflicht haben, zu untersuchen, ob das Gesetz in verfassungsgemäßer<br />

Weise zustande gekommen war. Diese Entschließung des Kaisers<br />

war nicht nachprüfbar. Jene, von keiner Instanz kontrollierbare Entscheidung,<br />

sollte in absoluter Form gelten und ihm mithin ein aus rechtlichen Gründen erwachsenes<br />

und daher faktisches Vetorecht einräumen, da ihn theoretisch niemand<br />

zur Ausfertigung zwingen konnte. Ein generelles, nicht verfassungsrechtlich begründetes<br />

Veto sollte dem Kaiser aus Art. 17 RV 1871, anders als in § 101 des<br />

Paulskirchenentwurfes vorgesehen, somit nicht erwachsen.<br />

Die damals herrschende vermittelnde Anschauung basierte auf folgendem Gedankenkonstrukt:<br />

Im Grundsatz bezog sich die Argumentation weniger auf das<br />

vermeintliche Vetorecht, sondern vielmehr auf die kaiserliche Ausfertigungs- und<br />

Verkündungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 RV 1871 282 . Im Gegensatz zu Art. 62 der<br />

Preußischen Verfassung 283 manifestierte erstgenannte Norm nach allgemeiner<br />

Lesart, dass der Monarch auf Reichsebene, anders als der König von Preußen als<br />

Landesherr, kein Faktor der Gesetzgebung sein sollte, sondern diese allein den<br />

Parlamentskammern oblag. Anders als <strong>im</strong> Paulskirchenverfassungsentwurf war<br />

keine dem dortigen § 101 284 vergleichbare Regelung zu finden, was zu der allgemeinen<br />

Erkenntnis führte, dass ein Veto des Kaisers nicht angedacht war. 285<br />

Neben diesen grundsätzlichen Rahmenbedingungen wurde zur weitergehenden<br />

Begründung dieser Vetoablehnung als quasi sprichwörtliches Königsargument<br />

zudem noch Art. 5 Abs. 2 RV 1871 286 herangezogen, welcher dem König von<br />

diese Ansicht jedoch als die Mindermeinung in der Staatslehre für das Reichsstaatsrecht (inkl. Nachweise der<br />

vermeintlich herrschenden Gegenansicht) – Den entsprechenden Meinungsstand zusammenfassend, A.a.O. S.<br />

293 ff.<br />

281 Vgl. Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 321; Laband, Das Staatsrecht des <strong>deutschen</strong> Reiches Bd. II, S. 17.<br />

282 Art. 5 Abs. 1 Verfassung des Deutschen Reiches von 1871: „Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den<br />

Bundesrath und den Reichstag. Die Übereinst<strong>im</strong>mung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu<br />

einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend.“.<br />

283 Art. 62 Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat (v. 31. Januar 1850): „Die gesetzgebende Gewalt wird<br />

gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinst<strong>im</strong>mung des Königs und<br />

beider Kammern ist zu jedem Gesetz erforderlich…“.<br />

284 § 101 Verfassungsentwurf der Nationalversammlung für das Deutsche Reich v. 28.03.1849: „Ein Reichstagsbeschluß,<br />

welcher die Zust<strong>im</strong>mung der Reichsregierung nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzungsperiode nicht<br />

wiederholt werden. Ist von dem Reichstage in drei sich unmittelbar folgenden ordentlichen Sitzungsperioden<br />

derselbe Beschluß unverändert gefasst worden, so wird derselbe, auch wenn die Zust<strong>im</strong>mung der Reichsregierung<br />

nicht erfolgt, mit dem Schlusse des dritten Reichtages zum Gesetz. …“.<br />

285 Vgl. v. Mohl, Das deutsche Reichsstaatsrecht, S. 290.<br />

286 Art. 5 Abs. 2 Verfassung des Deutschen Reiches von 1871: „Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen,<br />

die Kriegsmarine und die <strong>im</strong> Art. 35 bezeichneten Abgaben giebt, wenn <strong>im</strong> Bundesrath eine Meinungsverschie-

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