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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Ursprünge und Entwicklungslinien 67<br />

jure war der König von Preußen unter den anderen Landesmonarchen nur einer<br />

unter Gleichen. Durch die mitgliedschaftliche Vorrangstellung als Reichsorgan in<br />

Personalunion stand er gleichsam über den Landesherrn. De facto machte ihn<br />

diese Doppelrolle, unterstützt durch die Hegemonie Preußens, zu einem echten<br />

Monarchen und hob den Inhaber des Titels sichtlich aus dem Kreis der übrigen<br />

Fürsten heraus und verlieh ihm eine besondere Stellung. 260<br />

Es verwundert daher nicht, dass folgender Verfassungswandel zu konstatieren<br />

war: Die einmal vollendete Reichseinheit, gekoppelt mit stetiger Unitarisierung,<br />

führte zu einer institutionellen Erhöhung und Verstärkung des Kaisertums, wodurch<br />

sich das zentralisierte Kaisertum in der Verfassungswirklichkeit gegenüber<br />

dem normativen Verfassungsrecht durchsetzte. 261 Das konstitutionelle Kaisertum<br />

war keine statische Einrichtung, sondern stand in lebendiger Entwicklung. 262 Der<br />

die <strong>deutschen</strong> Einzelstaaten als Erster <strong>im</strong> Kreis der verbündeten Landesherren<br />

zum Reich vereinende Inhaber der Bundespräsidialgewalt entwickelte sich zum<br />

echten Kaiser. Dieser war eben nicht mehr nur pr<strong>im</strong>us inter pares, sondern die<br />

faktischen Realitäten, die aus der Reichsverfassung erwuchsen, hatten ihn über die<br />

Vielzahl der Bundesfürsten erhoben und ihm den Anschein eines wirklichen<br />

Reichsmonarchen verliehen. 263 Es handelte sich dabei um eine durch Verfassungswandel<br />

geschaffene und gefestigte Rechtswirklichkeit, die alles andere war<br />

als nur ein leerer Schein und die zudem der Nation auch noch als Verkörperung<br />

der Reichseinheit galt. 264<br />

Der Kaiser als in der Verfassungsrealität machtvolle Reichsexekutive nahm <strong>im</strong><br />

ersten Reichsgrundgesetz also faktisch jene Stellung ein, die die Verfassung eigentlich<br />

dem Bundesrat 265 zuwies und war demgemäß diesem gegenüber zwar ein<br />

theoretisches Weniger, dafür aber ein praktisches Mehr. Auch wenn aus dem Um-<br />

260 Maurer, Entstehung und Grundlagen der Reichsverfassung von 1871, in FS Stern, Verfassungsstaatlichkeit, S.<br />

45.<br />

261 Weber-Fas, Deutschlands Verfassung, S. 83; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 812.<br />

262 Dazu ausführlich: Fehrenbach, Wandlungen des <strong>deutschen</strong> Kaisergedankens 1871-1918.<br />

263 Hierzu Anschütz in einer äußerst anschaulichen Darstellung des Kaiseramtes aus staatsrechtlicher Sicht, in:<br />

Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 103-105: „…Die Reichsorganschaft<br />

(des Kaisers) ist eine unmittelbare Organschaft. Das heißt: der Kaiser repräsentiert innerhalb seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit<br />

den Willen des Reiches, die Reichsgewalt, ebenso unmittelbar wie die beiden anderen Hauptorgane, Bundesrat und Reichstag.<br />

Der Kaiser erlässt seine Anordnungen und Verfügungen ‚<strong>im</strong> Namen des Reichs‛ (Art. 17 RV). Dies besagt – ein neuer Sinn der<br />

vielbedeutenden Worte! -: es steht niemand zwischen Kaiser und Reich. Der Kaiser hat kein noch höheres Organ des Reiches über<br />

sich, er ist keines anderen Organs Delegator; er wird von niemand ernannt noch abgesetzt, keiner Stelle <strong>im</strong> Reich ist er verantwortlich.<br />

Allerdings übt er auch kein eigenes und ursprüngliches, sondern abgeleitetes, fremdes Recht aus […] aber dies Recht gehört dem<br />

Reich, d.h. der nationalen korporativen Staatspersönlichkeit, nicht einer von dieser verschiedenen anderweitigen Korporation oder<br />

Organpersönlichkeit, insbesondere nicht der Staatengemeinschaft, repräsentiert durch die verbündeten Regierungen, verkörpert <strong>im</strong><br />

Bundesrat. ‚Im Namen des Reichs‛ heißt nicht <strong>im</strong> Namen verbündeten Regierungen sondern […] <strong>im</strong> Namen des gesamten <strong>deutschen</strong><br />

Vaterlandes. …“.<br />

264 Vgl. Huber, in: Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung (§4), in: Isensee/Kirchhof<br />

HStR Bd. I, Rn 61/62.<br />

265 In der ursprünglichen Bismarckschen Konzeption war der Bundesrat und über ihn mittelbar die verbündeten<br />

Regierungen als Träger der Staatsgewalt auserkoren, „...weder der Kaiser noch das Volk…“. Im Grundsatz sollte also<br />

der Bundesrat das höchste Organ des Reichs sein. – Vgl. Peters, in: Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen<br />

der Verfassung, S. 69/70.

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