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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Ursprünge und Entwicklungslinien 61<br />

Vielerlei Gründe werden für das Scheitern der Paulskirchenverfassung angeführt.<br />

Allen voran muss wohl die sich überschätzende Selbstsicht des Frankfurter Vorparlaments<br />

genannt werden, welches sich mit der Zielsetzung, eine Verfassung für<br />

Deutschland und für das gesamte Reich zu erschaffen 235 , wohl maßlos überhob.<br />

Das kaiserliche Vetorecht gehörte trotz der vorherigen massiven Umstrittenheit<br />

seines Ausmaßes, basierend auf der schwierigen Reichsoberhauptfrage, wohl nicht<br />

zu den Ursachen des Scheiterns. In der verfassungsrechtlichen Nachschau wurde<br />

dieses suspensiv ausgestaltete Vetorecht des Kaisers, dennoch des Öfteren als ein<br />

nicht systemkonformer Ansatz dargestellt. So führt Ellwein diesbezüglich aus:<br />

„…Das suspensive Veto – auf das man den Kaiser beschränken wollte – spielte eine unglückliche<br />

Rolle, weil es in diese Verfassung gar nicht paßt. Denn auf der anderen Seite hat der Kaiser<br />

eine starke Position. Das Recht, das Volkshaus aufzulösen, gibt ihm Möglichkeiten, deren<br />

Auswirkungen man aus den verschiedenen vormärzlichen Verfassungskämpfen schon kennen<br />

musste. Man wusste doch längst, wie schnell das Volk <strong>im</strong> politischen Streit ermüdet, jede Landtagsauflösung<br />

hatte mit einem Sieg der Regierungsanhänger geendet. So hat gerade in einem<br />

entscheidenden Punkt die Paulskirche das monarchisch – konstitutionelle System unangetastet<br />

gelassen…“. 236<br />

Es kann dahinstehen, inwieweit der damit einhergehende Vorwurf tatsächlich<br />

zutraf, dass die Paulskirchenversammlung sich zu sehr in der Sicherheit wog, dem<br />

Repräsentativorgan zu genügender Partizipation verholfen zu haben und es sich<br />

daher leisten konnte, starke exekutive Gegenrechte zuzulassen. Die Paulskirchenverfassung<br />

musste den Funktionsbeweis niemals antreten.<br />

Für die Vetobetrachtungen ist daher vielmehr der nach deren Scheitern sich<br />

anschließende Prozess 237 deutscher Verfassunggebung von weitaus größerer Bedeutung.<br />

Insbesondere das Ergebnis dieses historischen Verlaufs, der über den<br />

Nord<strong>deutschen</strong> Bund 238 in die erste wirksame Reichsverfassung, nämlich die Bismarcksche<br />

Reichsverfassung 239 von 1871, mündete. 240 Auch an dieser Stelle soll<br />

235 Vgl. Heinrich von Gagern, Rede als Präsident zur Eröffnung des Vorparlaments am 18. Mai 1848 „Wir sollen<br />

schaffen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich“.<br />

236 Ellwein, Das Erbe der Monarchie in der <strong>deutschen</strong> Staatskrise, S. 94.<br />

237 Den Weg zur Reichsverfassung von 1871 über den Nord<strong>deutschen</strong> Bund, den Deutsch-Französischen Krieg<br />

bis zum Beitritt der süd<strong>deutschen</strong> Staaten zielführend nachzeichnend: Hübner, Parlament und Regierung in der<br />

Bundesrepublik Deutschland, S. 43-47; Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer<br />

Bearbeitung IV. Band; S. 50-63; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 278/279, S. 288-292.<br />

238 Da die Reichsverfassung von 1871 letztlich nur eine durch einfaches Reichsgesetz (Gesetz betreffend die<br />

Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 [Reichsgesetzblatt 1871, S. 63 ff]) geänderte Version der<br />

Verfassung des Nord<strong>deutschen</strong> Bundes anlässlich des Beitritts der süd<strong>deutschen</strong> Länder darstellte, sei hier insbesondere<br />

auf die historischen Entwicklungen verwiesen, welche zur Gründung des Nord<strong>deutschen</strong> Bundes und<br />

seiner Verfassung führten – hierzu ausführlich: Maurer, Entstehung und Grundlagen der Reichsverfassung von<br />

1871, in FS Stern, Verfassungsstaatlichkeit, S. 30-38.<br />

239 Verfassung des Deutschen Reiches v. 4. Mai 1871, in: Reichsgesetzblatt 1871, S. 63 ff; zu den historischen<br />

Abläufen die den Übergang von der Verfassung des Nord<strong>deutschen</strong> Bundes hin zur Reichsverfassung flankierten<br />

– Maurer, Entstehung und Grundlagen der Reichsverfassung von 1871, in FS Stern, Verfassungsstaatlichkeit, S.<br />

41-44.

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