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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

zwar nicht allumfänglich ausgestaltet sein, sondern von den Parlamentskammern<br />

überwunden werden können, dennoch aber faktisch die Möglichkeit enthalten,<br />

den Gesetzgebungsprozess an- oder gar aufzuhalten. Die kommenden Betrachtungen<br />

werden sich maßgeblich mit den Fragen der allgemeinen Gesetzgebung<br />

beschäftigen, da letztlich nur hierfür eine weiterführende Vetodebatte verifizierbar<br />

ist.<br />

b. Versandende Strukturen in der Reichsverfassung von 1871<br />

aa. Das Scheitern der Paulskirchenverfassung<br />

Der Entwurf zur Frankfurter Paulskirchenverfassung stellte nicht nur einen unitarisch-föderativen<br />

Kompromiss dar, sondern kann für die hier aufgeworfene Fragestellung<br />

der <strong>Vetorechte</strong> auch als erste Verfassung gewertet werden, in welcher<br />

dem Staatsüberhaupt als exekutiver Instanz 233 <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren ein<br />

Recht des Dazwischentretens eingeräumt wurde, obwohl daran kein aktiver Teilnahmepart<br />

mehr für die Regierung vorgesehen war. Diese Frankfurter Verfassungskonstruktion<br />

kann für die deutsche Reichsebene mithin zu Recht als Wiege<br />

bezeichnet werden, in der die tribunizische Vetoidee tatsächlich ihre Inkarnation<br />

erlebte. Dennoch war diesem Vetospross der frühe Kindstod beschieden. Mit der<br />

Ablehnung der Kaiserwürde 234 durch den König von Preußen Friedrich Wilhelm<br />

IV. am 03. April 1849 war der Traum eines <strong>deutschen</strong> Nationalstaates zunächst<br />

ausgeträumt und mit ihm auch die Wiedergeburt eines real existierenden Vetos<br />

des Staatsoberhauptes fürs Erste vom Tisch der Geschichte gewischt.<br />

233 Dem Kaiser und der durch ihn zu ernennenden Reichsregierung war die Funktion der <strong>Exekutive</strong> zugewiesen,<br />

so auch: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 826.<br />

234 Zu den Motiven der Ablehnung der Kaiserwürde, die sich maßgeblich in dem Umstand finden lassen, dass es<br />

für den avisierten Kaiser unannehmbar war, ein „Kaisertum von Volkes Gnaden“ anzunehmen und den sich<br />

anschließenden Friktionen und Konflikten in den <strong>deutschen</strong> Ländern, die dem Versuch der Rettung der Paulskirchenverfassung<br />

folgten: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 842 ff;<br />

Des Weiteren beschreibt Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV.<br />

Band, S. 49, die aus heutiger demokratischer Sicht schwer verständliche Reaktion des Preußischen Königs als<br />

proklamiertem „Kaiser der Deutschen“ mit dem Duktus der kaiserlichen Zeit äußerst anschaulich: „…Ein doppeltes<br />

war ihm damit zugemutet. Einmal die Anerkenntnis, daß die Paulskirche in der Tat die Konstituante sei, als welche sie sich gab,<br />

daß ihr Wille Gesetz sei, ohne Zust<strong>im</strong>mung der <strong>deutschen</strong> Staatsgewalten noch zu bedürfen. Sodann die Aufgabe, sich und die<br />

Kräfte seines Staates einzusetzen für die demokratischen und unitarischen (die <strong>deutschen</strong> Monarchen mediatisierenden, sie zu Untertanen<br />

von Kaiser und Reichsparlament herabdrückenden) Gedanken der Frankfurter Reichsverfassung, letztere in Geltung zu setzen<br />

ohne und wider den Willen der <strong>deutschen</strong> Regierungen […]. Wer es darf, mag mit dem König rechten, daß er sich nicht hineinfand in<br />

diese Rolle eines Fronvogts der Volkssouveränität, eines Vollstreckers von Verfassungsidealen, die ihm und der historischen Eigenart<br />

seines Staates von Grund auf fremd waren. …“.<br />

Ellwein stellt zum Scheitern des Paulskirchenentwurfs fest: „…Die Paulskirche ist an den realen Kräften ihrer Zeit<br />

gescheitert und hat damit deutlich gemacht, wo die Fehler und Schwächen des <strong>deutschen</strong> Liberalismus <strong>im</strong> Vormärz lagen. […] Die<br />

Reichverfassung von 1849 – ein <strong>im</strong> einzelnen höchst widersprüchliches Gebäude – litt darunter, daß sie lediglich auf eine Schwächung<br />

und Begrenzung der Staatsgewalt zugeschnitten war. …“ – Vgl. Ellwein, Das Erbe der Monarchie in der <strong>deutschen</strong><br />

Staatskrise, S. 93/94.

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