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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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58<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

Der gesamte, sich mit dieser Problemstellung beschäftigende Prozess wurde zum<br />

einen geprägt durch nationalstaatliche Erwägungen und zum anderen durch die<br />

Ausklammerung der Entscheidung zugunsten eines parlamentarischen Regierungssystems.<br />

Da die Klärung der Vetofrage vermeintlich erfolgsträchtiger war,<br />

entschieden sich die beteiligten Interessenfraktionen der Verfassungsversammlung<br />

dafür, zunächst die Vetofrage zu beantworten, anstatt sich mit der eigentlich<br />

erstrangigeren Frage des Regierungssystems auseinander zu setzen.<br />

Bezüglich des damit bewusst hervorgekehrten Hauptstreitpunktes, ob dem<br />

Monarchen ein allumfängliches Vetorecht in der Gesetzgebung zugestanden werden<br />

sollte, herrschte ein unübersichtliches Durcheinander der Erwägungen und<br />

Standpunkte 228 , die maßgeblich durch die politischen Einstellungen der „Linken“,<br />

„Rechten“ und der „Mitte“ determiniert waren. Diese zentrale Kontroverse lässt<br />

sich wie folgt zusammenfassen: Nur die politischen Flügel von rechts und links<br />

hatten annähernd abschließende Auffassungen zum Vetoproblem. Die Ersteren,<br />

als Anhänger eines starken monarchischen Prinzips, machten sich für ein unbedingtes<br />

Vetorecht des Staatsoberhauptes <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren stark. Letztere<br />

lehnten das Vetorecht schon aus grundsätzlichen Erwägungen ab, da sie einer<br />

starken volksgewählten Repräsentation das Wort redeten und die <strong>Exekutive</strong> rein<br />

auf die Ausführung des legislativen Willens beschränken wollten. Insbesondere die<br />

politische Mitte, maßgeblich vertreten durch die Liberalen, war in jener Frage<br />

uneins. Die Grundtendenz zur Bejahung des Vetos in allumfänglicher Form, war<br />

dabei geleitet von dem Ziel, die bürgerliche Freiheit am ehesten durch ein System<br />

der Gewaltenteilung zu schützen, in welchem dem Reichsoberhaupt ein Einspruchsrecht<br />

gegenüber den Parlamentsbeschlüssen zukommen sollte.<br />

Eine Dynamik gänzlich außerhalb staatsorganisationsrechtlicher Erwägungen<br />

gewann die Vetofrage jedoch erst durch die Fragestellung des Umfangs der Deutschen<br />

Nation. 229 Es stand diesbezüglich eine „großdeutsche Lösung“ inklusive der<br />

österreichisch-habsburgischen Monarchie und Ungarns oder eine „kleindeutsche<br />

Lösung“ <strong>im</strong> Raum. 230 Auch wenn sich die Vetofrage auf den ersten Blick mit der<br />

des Nationenumfangs thematisch nicht wirklich zu überschneiden scheint, so<br />

wurde sie doch aus taktischen Erwägungen zum Zwecke der Mehrheitsfindung<br />

damit verbunden. Insbesondere die ablehnende Haltung Österreichs zur sog.<br />

„groß<strong>deutschen</strong> Lösung“ katalysierte die Entwicklungen in der Nationalversammlung.<br />

Es fanden sich nunmehr Mehrheiten zugunsten der „klein<strong>deutschen</strong> Lösung“,<br />

was wiederum gleichsam die Abkehr vom umfassenden monarchischen<br />

Prinzip bedeutete und somit die Tür zur Einführung eines lediglich hemmenden<br />

228 Die unterschiedlichen Sichtweisen auch durch entsprechende authentische Redebeiträge der politischen<br />

Fraktionen in der Paulskirchenversammlung umfassend darstellend: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd.<br />

2, S. 786 ff.<br />

229 Jener sog. ‚Kampf um die Einheit der <strong>deutschen</strong> Nation‛ inkl. des „S<strong>im</strong>on-Gagern-Pakts“ findet sich all<br />

umfassend dargestellt bei: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 791-816 – Die Inkludierung der<br />

Vetofrage in die Debatten zur Einheit der Nation lässt sich wieder finden in: Wigard, Verhandlungen der <strong>deutschen</strong><br />

Nationalversammlung Bd. 8 S. 6033.<br />

230 Vgl. Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 49.

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