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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

Was anhand dieser Grundparameter der Paulskirchenverfassung konstatiert werden<br />

muss, ist, dass anders als in den Kleinstaatenverfassungen nicht mehr der<br />

Monarch mit Zust<strong>im</strong>mung der Parlamente die allgemeinen Gesetze erlassen können<br />

sollte, sondern vielmehr der Gesetzesbeschluss allein den beiden Häusern des<br />

Parlaments zugewiesen wurde. Auf diesen Normsetzungsbeschluss konnte der<br />

Kaiser als exekutives Staatsoberhaupt nur noch in den durch die Reichsverfassungen<br />

vorgegeben Bahnen Einfluss nehmen, also in Form der Initiative und einer<br />

dre<strong>im</strong>aligen Zurückweisung. Der Monarch auf Reichsebene sollte somit <strong>im</strong> Entwurf<br />

der Paulskirchenverfassung nicht nur keine zentrale Stellung <strong>im</strong> Gesetzgebungsprozess<br />

zugesprochen bekommen, sondern gleichsam ohne Gesetzgebungsgewalt<br />

an sich auskommen müssen. Für die Reichsebene war also vorgesehen,<br />

nicht mehr den Kaiser als Dreh- und Angelpunkt der Gesetzgebung auszugestalten,<br />

sondern, anders als in den Fürstenländern, die beiden Häuser des Parlaments<br />

in diese Position zu bringen. Über diese fundamentalen Kompetenzverschiebungen<br />

konnte auch nicht die Formulierung in § 80 der Paulskirchenverfassung hinwegtäuschen,<br />

nach der eine gemeinsame Wahrnehmung der Gesetzgebung zwischen<br />

Kaiser und Reichstag vorgesehen war.<br />

Dem Reichsstaatsoberhaupt wurde zwar die Ausübung der gesetzgebenden<br />

Gewalt in Gemeinschaft mit den beiden Parlamentshäusern zugestanden. Der<br />

fundamentale Unterschied zu den sonstigen monarchischen Möglichkeiten auf<br />

föderaler Ebene wird besonders <strong>im</strong> Vergleich zum § 62 225 , der zur gleichen Zeit<br />

entstehenden preußischen Verfassungsurkunde, deutlich. In dieser wird ausdrücklich<br />

festgelegt, dass zum Beschluss eines Gesetzes die Übereinst<strong>im</strong>mung des Monarchen<br />

mit den Landständen erforderlich sein sollte. Es bedarf keiner tiefenscharfen<br />

Analyse der beiden Formulierungen, um feststellen zu können, dass mit<br />

der gemeinschaftlichen Ausübung der Gesetzgebungsgewalt dem Staatsoberhaupt<br />

auf Reichsebene nicht dieselbe Position eingeräumt wurde, wie den Landesmonarchen.<br />

Zwischen der Erforderlichkeit der Zust<strong>im</strong>mung und einer überwindbaren<br />

Zust<strong>im</strong>mungshürde besteht ein gravierender qualitativer Unterschied. Jene damit<br />

verbriefte Mitwirkung für den „Kaiser der Deutschen“ in Gesetzgebungsfragen<br />

wäre letztlich beschränkt gewesen auf die Gesetzesinitiative und die Möglichkeiten<br />

nach § 101 den Reichstagsbeschluss vorübergehende zu suspendieren.<br />

Jenes letztgenannte Recht ist für die hier anzustellenden Betrachtungen jedoch<br />

von höchstem Interesse. Der Kaiser hätte mit diesem Verfassungswerk die Möglichkeit<br />

bekommen, zumindest aufschiebend einem Gesetz entgegentreten zu<br />

können. Diese Konstellation wurde möglich, da er die Prärogative <strong>im</strong> Gesetzgebungsprozess<br />

verlor. Die historischen Motive, aufgrund derer das Staatsoberhaupt<br />

auf Reichsebene das substantielle Gesetzgebungsrecht erst gar nicht zugewiesen<br />

bekam, <strong>im</strong>merhin ein Recht, das sich die Monarchen der konstitutionellen Fürs-<br />

225 Art. 62 Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat (v. 31. Januar 1850): „Die gesetzgebende Gewalt wird<br />

gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinst<strong>im</strong>mung des Königs und<br />

beider Kammern ist zu jedem Gesetz erforderlich…“.

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