22.01.2013 Aufrufe

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

I. Ursprünge und Entwicklungslinien 47<br />

verblieb und mithin dieser zentral am Gesetzgebungsverfahren teilnahm, was für<br />

ihn in der Konsequenz ein externes Veto ausschloss, ist nur ein Aspekt des zu<br />

eruierenden Befundes. Der zweite Teil einer derartigen Erörterung muss sich indessen<br />

der Frage stellen, warum <strong>im</strong> Konstitutionalismus keine andersartigen<br />

staatsorganisationsrechtlichen Strukturen geschaffen wurden, welche einen Vetoeinsatz<br />

exekutiver Instanzen ermöglicht hätten. Damit steht die Frage nach den<br />

diesbezüglichen Gründen hierfür <strong>im</strong> Raum. Es bietet sich an, diese Frage vor einer<br />

Veto-Untersuchung der zukünftigen Reichsverfassungsstrukturen zu beantworten,<br />

da hierdurch die Verschiedenartigkeiten des <strong>deutschen</strong> Kleinstaaten-<br />

Konstitutionalismus zu dem der Reichsebene evidenter zutage treten werden.<br />

Für eine Beantwortung dieser Fragestellung wird man nicht umhinkommen,<br />

die Feststellung hervor zu streichen, dass zur gleichen Zeit Frankreich 191 bereits<br />

eine konstitutionelle Verfassung besaß, in der das Volk den „pouvoir constituant“<br />

darstellte. Wie schon angedeutet, verliert sich nach der Julirevolution auch in den<br />

französischen Verfassungen dieses zentrale Moment der Volkssouveränität. Alle<br />

folgenden Verfassungen hatten, wie diejenigen in den <strong>deutschen</strong> Kleinstaaten, bis<br />

zur Revolution von 1918, eine scharfe Ausprägung des monarchischen Elements.<br />

Vom Gedanken an Volkssouveränität sollte in keiner mehr die Rede sein, was<br />

dazu führte, dass auch die verfassunggebende Gewalt stetig be<strong>im</strong> Monarchen<br />

lag. 192 Es war dieser fehlende Aspekt der Volkssouveränität, der systembedingt zu<br />

fehlender Parlamentssouveränität führte. Die Standesversammlungen gründeten<br />

weder in der verfassunggebenden Gewalt des Volkes noch kannte die Verfassung<br />

selber überhaupt die politische Gleichheit aller Staatsbürger. Das gesamte Staatswesen<br />

beruhte auf dem fortdauernden monarchischen Prinzip 193 . Es verwundert<br />

Staates blieb in Deutschland gewahrt. Das Ergebnis der Verfassungsentwicklung unter diesen Voraussetzungen läßt sich etwa so<br />

umreißen: Nach Aufbau und Anlage hält sich die Verfassung an die französischen Vorbilder, sie behandelt also nach dem Grundsatz<br />

der Gewaltenteilung nacheinander die Stellung des Monarchen und die Gesetzgebende Körperschaft, teilweisen wird auch die<br />

richterliche Gewalt besonders aufgeführt. Durch das monarchische Prinzip werden aber alle aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung<br />

fließenden Beeinträchtigungen der fürstlichen Gewalt wieder beseitigt. Dem Fürsten wird stets das alleinige Recht auf die Verwaltung<br />

und die Führung des Heeres zugesprochen. Er allein ernennt die Minister. Außerdem ist er an der Gesetzgebung so beteiligt, daß<br />

man von einem Übergewicht sprechen kann. Kein Gesetz kommt ohne seine Zust<strong>im</strong>mung zustande. […] Im Ganzen war von der<br />

Gesetzgebung her der Fürst sehr frei gestellt, jedenfalls konnte <strong>im</strong> Vormärz regiert werden, ohne daß man die Zust<strong>im</strong>mung des<br />

Landtages brauchte…“.<br />

191 So enthielt die erste französische konstitutionelle Nachrevolutionsverfassung von 1791 eine ausdrückliche<br />

Festlegung auf das Prinzip der Volkssouveränität: „…le principe de toute souveraineté réside dans la Nation“.<br />

192 Vgl. Ellwein, Das Erbe der Monarchie in der <strong>deutschen</strong> Staatskrise, S. 48/49: „…Ausgangspunkt aller Gewalt <strong>im</strong><br />

Staate sollte nicht das Volk, sondern allein der Fürst sein, in dessen Person auch die Einheit des Staates verkörpert wird. Der<br />

Anteil der Volksvertretung bei der Gesetzgebung beruht demnach auf einer freiwilligen Selbstbeschränkung des Monarchen. […]<br />

Nach 1831 hatten schon die meisten <strong>deutschen</strong> Länder Verfassungen […] Sie alle waren Verfassungen des monarchischen<br />

Prinzipes, das als Interpretationsgrundlage so der Gegenpol zur Volkssouveränität und zur Gewaltenteilung wurde. …“ .<br />

193 Zur näheren Deutung des „Monarchischen Prinzips“ in den Reichsfürstentümern sei hier exemplarisch auf die<br />

entsprechende Staatslehre Preußens verwiesen, wie sie einer deren renommiertesten Lehrer Schulze, in: Das<br />

Preussische Staatsrecht I. Band, S.152/153 darstellte: „...Der Monarch ist somit nicht Staatsdiener […], nicht höchster<br />

Beamter, wie der Präsident einer Republik, nicht bloss Chef der <strong>Exekutive</strong>, wozu ihn die französische Revolution stempeln wollte<br />

(»la nation veut, le roi fai«), sondern Inhaber der Staatsgewalt aus selbständigem Recht, eigenem Rechte. […] Das monarchische<br />

Prinzip nach seinem richtigen Verständnisse, nicht in seiner tendenziösen Verdrehung, wie es zu Zeiten des Bundes <strong>im</strong> Sinne des<br />

Absolutismus ausgebeutet wurde, verlangt nur, dass die gesammte Staatsgewalt, dem Rechte der Innehabung nach, in der Person des<br />

Staatsoberhauptes vereinigt bleibe, dass keine Funktion der Staatsgewalt von dem monarchischen Mittelpunkt losgelöst werde, dass in

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!