Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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34 B. Systematische und strukturelle Einordnung der Vetorechte gesetz und den Verfassungsstrukturen unserer Tage stellt sie sich als essentiell dar. Auch wenn die meisten der hier im Folgenden dargestellten rechtsstaatlichen und tendenziell demokratischen Entwicklungen letztlich nicht nur für Deutschland Gültigkeit haben, sondern auch für die übrigen Staaten Europas und sogar, wie soeben aufgezeigt, dort oftmals im Wesentlichen ihren Ausgangspunkt nahmen, macht der Schwerpunkt dieser Arbeit nun eine Zuspitzung auf das deutsche Verfassungsrecht notwendig. Für die historische Einordnung muss hier dennoch nochmals klar gestellt werden, dass die konstitutionellen Entfaltungen weder eine singulär deutsche, noch eine explizit nichtdeutsche Entwicklung darstellten. Das, was das Deutschland des 18./19. Jahrhunderts 118 von den übrigen europäischen Nationalstaaten maßgeblich unterschied, war seine föderale Grundstruktur, an deren Bundesspitze zwar ein Quasistaatsoberhaupt stand, dieses jedoch eben gerade nicht die starke Stellung inne hatte, welche der der Monarchen der übrigen Staaten Kontinentaleuropas entsprechend gewesen wäre. Vergleichbar war deren Stellung jedoch mit der der Fürsten, die die deutschen Kleinstaaten regierten. 119 Aus diesen sollte sich nach dem Wiener Kongress das Staatsgebilde „Deutscher Bund“ 120 zusammensetzen. Die Verfassungsfrage war also zunächst Angelegenheit der deutschen Einzelstaaten, die, wie oben dargestellt, das monarchisch-absolutistische Prinzip mit ungeteilter Staatsgewalt beim Fürsten, ähnlich vieler sonstiger europäischer Staaten, wählten. Nicht erst die tendenziell revolutionären Ereignisse 121 von 1848/49, sondern schon die ab 1818 in den süddeutschen Ländern beginnenden Entwicklungen des Vormärzes, führten in den deutschen Fürstentümern dazu, dass eine Entwicklung in Gang gesetzt wurde, die auch für das zersplitterte deutsche Staatsgebiet den Prozess startete, der in einen anfänglichen Verfassungsstaat münden sollte. Dieser rudimentäre Verfassungsstaat konnte sich in Deutschland systembedingt 122 zunächst nur auf Landesebene herausbilden und ist erst von dort aus in die später erlassenen Reichsverfassungen eingegangen. Dabei war jener Verfassungsstaat kein deutsches Eigengewächs, denn die hiesigen revolutionären Geschehnisse wurden maßgeblich verursacht und determiniert durch die oftmals wesentlich 118 Den geschichtlichen und politischen Rahmen für das Deutschland des 18./19. Jahrhunderts aus historisch bewertender Sicht nachbildend: Weber-Fas, Deutschlands Verfassung, S. 18 ff. 119 Eingehende Analysen zum „Zeitalter der Constitutionen“ mit besonderem Augenmerk auf die deutschen Fürstengliederungen sind zu finden bei: Menzel, Landesverfassungsrecht, S. 16-21. 120 Hierzu ausführlich: Kroeschell, in: Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 3, S. 134 ff. 121 Ausführlich zu den hier zugrunde liegenden revolutionären geschichtlichen Ereignissen des Vormärzes und der eigentlichen Märzrevolution: Weber-Fas, Deutschlands Verfassung, S. 35-57. 122 Mangels Vorhandenseins echter Verfassungsstrukturen, die für alle deutschen Fürstentümer Vorbild und Vorgabe hätten sein können, spielte sich der wesentliche Teil der deutschen Verfassungsentwicklung im 19. Jahrhundert in den Ländern ab. Hier vollzog sich der Übergang von der absoluten Monarchie zum Konstitutionalismus. – Vgl. Peters, in: Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, S. 101.

I. Ursprünge und Entwicklungslinien 35 blutigeren Umwälzungen in Frankreich und die Entstehung der Vereinigten Staaten von Nordamerika. 123 aaa. Die Ausgestaltung der konstitutionellen deutschen Landesverfassungen Die Frage der Einführung konstitutioneller Monarchien war nicht nur eine, die ihre Energie aus revolutionären Geschehnissen zog, sondern auch eine, die den kriegerischen Geschehnissen geschuldet war, mit denen Napoleon Europa und damit auch Deutschland überzog. Noch bevor überhaupt gesellschaftliche Gruppierungen in den Fürstentümern den Monarchen dazu drängten politische Partizipation zu gestatten, wurden in der Zeit nach den Befreiungskriegen gegen Frankreich zunächst die „großen“ politischen Linien für die kommende Verfassungsstruktur auf deutschem Boden gelegt. Folgende Beschreibung bringt die Geschehnisse auf den Punkt: „…In bewusstem Gegensatz zu der von vielen damals ersehnten Wiederherstellung des alten Reiches und überhaupt zu jeder staatlichen Einigung Deutschlands […], sprach sich der zwischen der europäischen Koalition und Frankreich geschlossene erste Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 über die Zukunft Deutschlands dahingehend aus: ‚les Ètats de l‛Allemagne seront indépendants et réunis par un lien fédératif‛. Hiermit war von vornherein die Gedankenbasis festgelegt, auf welcher die politische Neugestaltung Deutschlands errichtet werden sollte […] Die Ordnung der deutschen Dinge im Sinne der Bestimmung des Pariser Friedens wurde mit auf die Tagesordnung des im Herbst 1814 eröffneten Wiener Kongresses gesetzt. …“ 124 Französische Ereignisse waren für die deutsche Staatsstruktur ganz offensichtlich nicht nur wegen deren revolutionärer Dynamik befruchtend, sondern auch aufgrund der Realitäten, die dessen kriegerische Akte auf den Schlachtfeldern Europas geschaffen hatten. Der den diesbezüglichen Schlusspunkt setzende Wiener Kongress entschied maßgeblich über die Zukunft Deutschlands im folgenden Jahrhundert. Auf dem „Wiener Kongress“ wurde auch die Frage nach der Einführung konstitutioneller Verfassungen in den neu gegliederten deutschen Monarchien eingehend erörtert. Ursprünglich war in Erwägung gezogen worden, den Regierungen diese Änderung des Staatsrechts ihrer Länder zur Bundespflicht zu machen. Im Endeffekt kam es aber im letztgültigen Text der Bundesakte in Art. 13 lediglich zu der farblosen Verheißung, ‚in allen Bundesstaaten wird eine landständische (d.h. repräsentative, konstitutionelle) Verfassung stattfinden‛. 125 123 Ausführlich dazu: Maurer, Staatsrecht I, S. 45-52. 124 Vgl. Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 35 ff mit weitergehenden historischen Einordnungen des „Wiener Kongresses“ und der Gründung des „Deutschen Bundes“. 125 Vgl. A.a.O., S. 42.

I. Ursprünge und Entwicklungslinien 35<br />

blutigeren Umwälzungen in Frankreich und die Entstehung der Vereinigten Staaten<br />

von Nordamerika. 123<br />

aaa. Die Ausgestaltung der konstitutionellen <strong>deutschen</strong><br />

Landesverfassungen<br />

Die Frage der Einführung konstitutioneller Monarchien war nicht nur eine, die<br />

ihre Energie aus revolutionären Geschehnissen zog, sondern auch eine, die den<br />

kriegerischen Geschehnissen geschuldet war, mit denen Napoleon Europa und<br />

damit auch Deutschland überzog. Noch bevor überhaupt gesellschaftliche Gruppierungen<br />

in den Fürstentümern den Monarchen dazu drängten politische Partizipation<br />

zu gestatten, wurden in der Zeit nach den Befreiungskriegen gegen Frankreich<br />

zunächst die „großen“ politischen Linien für die kommende Verfassungsstruktur<br />

auf deutschem Boden gelegt. Folgende Beschreibung bringt die Geschehnisse<br />

auf den Punkt:<br />

„…In bewusstem Gegensatz zu der von vielen damals ersehnten Wiederherstellung des alten<br />

Reiches und überhaupt zu jeder staatlichen Einigung Deutschlands […], sprach sich der zwischen<br />

der europäischen Koalition und Frankreich geschlossene erste Pariser Frieden vom 30. Mai<br />

1814 über die Zukunft Deutschlands dahingehend aus: ‚les Ètats de l‛Allemagne seront<br />

indépendants et réunis par un lien fédératif‛. Hiermit war von vornherein die Gedankenbasis<br />

festgelegt, auf welcher die politische Neugestaltung Deutschlands errichtet werden sollte […] Die<br />

Ordnung der <strong>deutschen</strong> Dinge <strong>im</strong> Sinne der Best<strong>im</strong>mung des Pariser Friedens wurde mit auf die<br />

Tagesordnung des <strong>im</strong> Herbst 1814 eröffneten Wiener Kongresses gesetzt. …“ 124<br />

Französische Ereignisse waren für die deutsche Staatsstruktur ganz offensichtlich<br />

nicht nur wegen deren revolutionärer Dynamik befruchtend, sondern auch aufgrund<br />

der Realitäten, die dessen kriegerische Akte auf den Schlachtfeldern Europas<br />

geschaffen hatten. Der den diesbezüglichen Schlusspunkt setzende Wiener<br />

Kongress entschied maßgeblich über die Zukunft Deutschlands <strong>im</strong> folgenden<br />

Jahrhundert. Auf dem „Wiener Kongress“ wurde auch die Frage nach der Einführung<br />

konstitutioneller Verfassungen in den neu gegliederten <strong>deutschen</strong> Monarchien<br />

eingehend erörtert. Ursprünglich war in Erwägung gezogen worden, den<br />

Regierungen diese Änderung des Staatsrechts ihrer Länder zur Bundespflicht zu<br />

machen. Im Endeffekt kam es aber <strong>im</strong> letztgültigen Text der Bundesakte in Art.<br />

13 lediglich zu der farblosen Verheißung, ‚in allen Bundesstaaten wird eine<br />

landständische (d.h. repräsentative, konstitutionelle) Verfassung stattfinden‛. 125<br />

123 Ausführlich dazu: Maurer, Staatsrecht I, S. 45-52.<br />

124 Vgl. Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 35 ff mit<br />

weitergehenden historischen Einordnungen des „Wiener Kongresses“ und der Gründung des „Deutschen<br />

Bundes“.<br />

125 Vgl. A.a.O., S. 42.

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