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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

bb. Europäische D<strong>im</strong>ensionen des Konstitutionalismus<br />

Die <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Herausbildung des Konstitutionalismus relevanten<br />

Geschehnisse, sind, vom Ergebnis her betrachtet, als der Entwicklungsbeginn<br />

des modernen Verfassungsstaates zu bezeichnen. Die geschichtlichen Weichen für<br />

dessen Entstehen wurden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in England 110<br />

gestellt und dessen parlamentarische Entfaltungen und rechtsstaatliche Ideen,<br />

beeinflusst von den amerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen, bis in die<br />

Französischen Revolutionen getragen. 111 Dabei wirkten diese Geschehnisse weder<br />

singulär noch chronologisch, sondern beeinflussten sich gegenseitig. Für die Betrachtungen<br />

der Vetorechtsentwicklung soll an dieser Stelle eine zielgerichtete<br />

Reduzierung auf die Fragestellung genügen, welche Auswirkungen diese vielschichtigen<br />

Ereignisse auf deren Inkarnation gehabt haben.<br />

Diesbezüglich lässt sich für England und Frankreich, als vermeintliche Protagonisten<br />

des Konstitutionalismus, eine wesentliche Erkenntnis herausstellen: In<br />

beiden Staaten tat sich die Kontroverse auf, entweder die Strukturen absolutistischer<br />

Herrschaft des Monarchen mit aller Gewalt gegen die sonstigen gesellschaftlichen<br />

Gruppierungen weiter zu manifestieren oder eine verfassungsrechtliche<br />

Aufweichung seiner Macht zugunsten demokratischer Strukturveränderungen<br />

zuzulassen. Dies war sowohl für die englische Verfassungsentwicklung als auch<br />

die französische die zentrale Fragestellung. Eine Antwort, die in England zugegebenermaßen<br />

früher gegeben wurde als in Frankreich, sollte, das war beiden Staaten<br />

letztlich gleich, zunächst in die Revolution führen. Auf deren Schlachtfeldern<br />

ging es vorderhand vor allem um das Austragen des Streits, wem <strong>im</strong> Reich der<br />

Status des Souveräns zuzuordnen wäre. Jene Souveränitätsstreitfrage sollte für das<br />

gesamte europäische Verfassungswesen zum springenden Punkt werden.<br />

Auch wenn die Antwort in England 112 nicht die Gleiche war wie in Frankreich,<br />

wo dem Volk die Rechte als Souverän 113 (pouvoir constituant) zugestanden wur-<br />

110 Im Rahmen der Betrachtungen zur Entwicklung des Konstitutionalismus sind <strong>im</strong>mer wieder Darstellungen zu<br />

finden, welche dem englischen <strong>Verfassungssystem</strong> die alleinige Mutterschaft für den konstitutionellen Gedanken<br />

zuweisen (so z.B. Friedrich, in: Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 29 ff.) Eine vollinhaltliche Erfassung und<br />

Einordnung des konstitutionellen Verfassungsverständnisses, wie es für die Vetountersuchungen zwingend<br />

erforderlich erscheint, muss aber auch auf die diesbezüglichen Zerrbilder aufmerksam machen, die bei jener<br />

Zuweisung an England auffallen. So sieht Anschütz, für den europäischen Konstitutionalismus eigentlich Frankreich<br />

in jener Rolle, die häufig England zu erkannt wird. (Vgl. Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft<br />

in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 41 ff.) Seiner Auffassung nach, entspringt der englischen Parlamentstradition<br />

nur die Theorie. Erst Frankreich soll mit seiner Revolution das Meisterstück vollbracht haben, aus den<br />

theoretischen Versatzstücken tatsächlich eine wirkliche konstitutionelle Theorie zu schmieden. – Für die Vetofrage<br />

wird jene dezidierte Zuweisung der Urheberschaft pr<strong>im</strong>är eine Rolle <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Gewaltenteilungssystematik<br />

spielen und soll daher auch dort in Kapitel D.I.2.&3. abschließend beleuchtet werden.<br />

111 Die historischen Entwicklungen hin zum konstitutionellen Verfassungsstaat werden umfassend beschrieben<br />

bei: Kriele, Einführung in die Staatslehre, II. Teil, §§24 -78.<br />

112 Die englische Verfassungstradition vollbrachte nur eine mittelbare Beteiligungslösung des Volkes an der<br />

Souveränität, in dem sie diese in die Hände dreier Organe legte; die des Königs, der Lords und der Commons.<br />

Nur diese drei Organe zusammen konnten einen souveränen Akt erlassen. Der König war „King in Parliament“,<br />

dazu: Fleiner-Gerster, Allgemeine Staatslehre, S. 228/229.

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