Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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462 H. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen voller Kraft wieder erblühen zu können. Ein dauerhaftes Verfehlen des Wiederholungsquorums kann die Natur des Vetos in die eines Absoluten verwandeln. Devolutive Vetorechte: Die Wirkung der Einlegung eines devolutiven Vetos ist vielschichtig und nicht allein zwischen den Vetoparteien Exekutive und Legislative auflösbar. Während beim suspensiven Veto die Legislative erneut beraten kann und ihren vormaligen Gesetzesbeschluss bestätigen, wird sie bei der Einlegung eines devolutiven Vetos von der Bestimmung des weiteren Gesetzesschicksals ausgeschlossen. Es findet keinerlei Kontakt des Gesetzes mit seinem Beschlussorgan statt. Mit Einlegung des devolutiven Einspruchs obliegt die Entscheidung über die Gesetzeswirksamkeit vielmehr einer anderen Instanz. Als wesentliches Merkmal der devolutiven Vetorechte kann die zunächst eintretende Hemmung des Wirksamwerdens des beschlossenen Gesetzes benannt werden. Inwieweit die vorübergehende Hinderung in eine dauerhafte Destruktion des Gesetzes übergeht, obliegt allein der Entscheidung einer von dem konkreten Recht benannten Instanz, welche jedoch verschieden ist, von der Legislative und der Exekutive. Somit enthält also ebenso wie das suspensive Vetorecht auch das devolutive die mittelbare Drohkulisse in einen absoluten Einspruch umzuschlagen (Kapitel C.II.). 12. Über die Positionierung als Staatsoberhaupt hinaus, hat die Stellung des Bundespräsidenten mit derjenigen der beiden „Vorgängerorgane“ Kaiser und Reichspräsident jeweils gemein, dass der Bundespräsident ebenfalls in größtmöglicher struktureller Entfernung zum eigentlichen Gesetzgebungsprozess gehalten wird. Für das Grundgesetz erfolgt diese Beschlussfassung durch den Bundestag als dafür vorgesehenes demokratisches Legislativorgan. Eine wie auch immer geartete Teilnahme am Gesetzgebungsprozess ist für den Bundespräsidenten genauso wenig vorgesehen, wie sie es für den Kaiser oder Reichspräsidenten war. Vom Vetogesichtspunkt aus kommt ein Weiteres hinzu: Ohne den präsidialen Ausfertigungs- und Verkündungsakt wird die mit jenem Vorgang einhergehende widerlegbare Vermutungsfiktion bezüglich der Richtigkeit des Gesetzes nicht erzeugt. In der Konsequenz wirkt die Nichtausfertigung daher wie ein Einspruch gegen das Gesetz, welcher die Wirksamwerdung des Gesetzgebungsaktes verhindert. Diesen Einspruch soll der Bundespräsident nach Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG erheben können, wenn er davon ausgeht, dass ein formelles Bundesgesetz nicht ‚nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen‛ ist. Die herrschende Auffassung geht davon aus, dass dem Bundespräsidenten daher ein Prüfungsrecht in formeller und materieller Hinsicht zusteht. Unter dem Vorliegen derartiger Zweifel kann der Bundespräsident von seinem Vetorecht Gebrauch machen und die entsprechenden Gesetze nicht ausfertigen und verkünden.

H. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen Das verfassungsrechtlich bedingte präsidentielle Veto aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG ist aber überwindbar. Zwar nicht durch den Bundestag selbst, aber durch eine andere Instanz, nämlich das Bundesverfassungsgericht in einem vom Bundestag angestrengten Organstreitverfahren. Die endgültige Entscheidung über das interzedierte Gesetz läge also bei einer anderen Ebene, die sowohl verschieden zum Gesetzgebungsorgan Bundestag als auch zum vetoeinsetzenden Bundespräsidenten wäre. Daher handelt es sich beim Prüfungsrecht des Bundespräsidenten aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG um ein devolutives Vetorecht gegen formelle Bundesgesetze (Kapitel D.I.1.a-c.). Trotz der festzustellenden Vetoqualität von Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG handelt es sich beim Prüfungsrecht des Bundespräsidenten um inhomogenes Verfassungsrecht, welches keinerlei Mehrwert für das Grundgesetz enthält. Es wäre also ein großartiger Akt staatspolitischer Konsistenz anzuerkennen, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes hier womöglich einfach „unsauber“ gearbeitet haben. Bei der dem Bundespräsidenten zugewiesenen Rolle handelt es sich lediglich um eine integrierende, aber gerade nicht um eine integrale Funktion im Rahmen der Normsetzung. Das vordemokratische Prüfungsveto aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG schadet dem Bundespräsidenten mehr, als es dem Institutionengefüge aufgrund seiner Kontrollkomponente nützt. Eine verfassungsändernde Mehrheit könnte der eigentlichen Funktion des Bundespräsidenten, wie ihn das Grundgesetz konzipiert hat, einen wichtigen Dienst erweisen, indem sie ihn von dem Ballast des Prüfungsvetos dispensieren würde. In einer Neufassung könnte Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG daher lauten: (1) 1Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze sind vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung auszufertigen und im Bundesgesetzblatte zu verkünden. 2Im Falle evidenter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der ausgefertigten Gesetze können die Gesetze vom Bundespräsidenten zum Zwecke der Prüfung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden. 3Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. […] (Kapitel D.I.1.e.). 13. Der Tatbestand von Art. 113 GG eröffnet der Bundesregierung einen Zustimmungsvorbehalt gegenüber finanzwirksamen Gesetzen. Das der Zustimmungsverweigerung vorgeschaltete Vorverfahren nach Art. 113 Abs. 1 S. 3, 4 GG erfüllt jedoch nicht die Kriterien eines suspensiven Vetorechts. Insbesondere der Grundcharakter des Aussetzungsverlangens verdeutlicht, dass es sich um eine dilatorische Verfahrensregelung handelt, wie sie typischer Weise parlamentarischen Geschäftsordnungen zu eigen ist. Ein Vetorecht kann nur vorliegen, wenn das Parlament sich selbst durch seinen Beschluss gebunden hat und die Exekutive im Anschluss daran diesen Beschluss zu unterminieren oder zu sabotieren versucht. Der Integrations- und Informationsansatz, wie er Art. 113 Abs. 1 S. 3, 4 GG zu entnehmen ist, kann damit nicht gleichgesetzt werden. Insofern handelt es sich beim ersten Vorverfahren von Art. 113 GG nicht um ein Vetorecht. 463

H. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen<br />

Das verfassungsrechtlich bedingte präsidentielle Veto aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG<br />

ist aber überwindbar. Zwar nicht durch den Bundestag selbst, aber durch eine<br />

andere Instanz, nämlich das Bundesverfassungsgericht in einem vom Bundestag<br />

angestrengten Organstreitverfahren. Die endgültige Entscheidung über das interzedierte<br />

Gesetz läge also bei einer anderen Ebene, die sowohl verschieden zum<br />

Gesetzgebungsorgan Bundestag als auch zum vetoeinsetzenden Bundespräsidenten<br />

wäre. Daher handelt es sich be<strong>im</strong> Prüfungsrecht des Bundespräsidenten aus<br />

Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG um ein devolutives Vetorecht gegen formelle Bundesgesetze<br />

(Kapitel D.I.1.a-c.).<br />

Trotz der festzustellenden Vetoqualität von Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG handelt es<br />

sich be<strong>im</strong> Prüfungsrecht des Bundespräsidenten um inhomogenes Verfassungsrecht,<br />

welches keinerlei Mehrwert für das Grundgesetz enthält. Es wäre also ein großartiger<br />

Akt staatspolitischer Konsistenz anzuerkennen, dass die Mütter und Väter<br />

des Grundgesetzes hier womöglich einfach „unsauber“ gearbeitet haben. Bei der<br />

dem Bundespräsidenten zugewiesenen Rolle handelt es sich lediglich um eine<br />

integrierende, aber gerade nicht um eine integrale Funktion <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Normsetzung. Das vordemokratische Prüfungsveto aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG<br />

schadet dem Bundespräsidenten mehr, als es dem Institutionengefüge aufgrund<br />

seiner Kontrollkomponente nützt. Eine verfassungsändernde Mehrheit könnte der<br />

eigentlichen Funktion des Bundespräsidenten, wie ihn das Grundgesetz konzipiert<br />

hat, einen wichtigen Dienst erweisen, indem sie ihn von dem Ballast des Prüfungsvetos<br />

dispensieren würde. In einer Neufassung könnte Art. 82 Abs. 1 S. 1<br />

GG daher lauten:<br />

(1) 1Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze sind vom<br />

Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung auszufertigen und <strong>im</strong> Bundesgesetzblatte zu verkünden.<br />

2Im Falle evidenter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der ausgefertigten Gesetze können die<br />

Gesetze vom Bundespräsidenten zum Zwecke der Prüfung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt<br />

werden. 3Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. […]<br />

(Kapitel D.I.1.e.).<br />

13. Der Tatbestand von Art. 113 GG eröffnet der Bundesregierung einen Zust<strong>im</strong>mungsvorbehalt<br />

gegenüber finanzwirksamen Gesetzen. Das der Zust<strong>im</strong>mungsverweigerung<br />

vorgeschaltete Vorverfahren nach Art. 113 Abs. 1 S. 3, 4 GG<br />

erfüllt jedoch nicht die Kriterien eines suspensiven Vetorechts. Insbesondere der<br />

Grundcharakter des Aussetzungsverlangens verdeutlicht, dass es sich um eine<br />

dilatorische Verfahrensregelung handelt, wie sie typischer Weise parlamentarischen<br />

Geschäftsordnungen zu eigen ist. Ein Vetorecht kann nur vorliegen, wenn<br />

das Parlament sich selbst durch seinen Beschluss gebunden hat und die <strong>Exekutive</strong><br />

<strong>im</strong> Anschluss daran diesen Beschluss zu unterminieren oder zu sabotieren versucht.<br />

Der Integrations- und Informationsansatz, wie er Art. 113 Abs. 1 S. 3, 4<br />

GG zu entnehmen ist, kann damit nicht gleichgesetzt werden. Insofern handelt es<br />

sich be<strong>im</strong> ersten Vorverfahren von Art. 113 GG nicht um ein Vetorecht.<br />

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