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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Ursprünge und Entwicklungslinien 31<br />

Insbesondere musste der Vorrangkonflikt zwischen Monarch und Staatsvolk 106<br />

ausgeglichen werden. Diese Vorgänge sollten eine Verfassungsrevolution auslösen,<br />

die letztlich zum Schleifen der absoluten Monarchie führten. Die geistigen<br />

Grundlagen für den entstehenden Konstitutionalismus als vermeintlichen Gegentypus<br />

zum Absolutismus, der dann doch eher ein Nachfolgetypus war, legte Immanuel<br />

Kant 107 . Die Befreiung des Individuums ging sowohl einher mit der Entfesselung<br />

von den Grenzen der geburtsständischen Gesellschaftsordnung als auch<br />

mit der Befreiung von der Bevormundung durch weltliche und klerikale Obrigkeiten.<br />

Dadurch war nicht nur soziale Gleichheit, sondern auch persönliche Freiheit<br />

hergestellt. Es wurde obendrein ein Prozess in Gang gesetzt, den Gerhard Anschütz<br />

in anschaulicher Art und Weise beschreibt:<br />

„…Und alsbald greift die Entwicklung weiter aus: die befreite Gesellschaft begnügt sich nicht<br />

mit der bürgerlichen Freiheit, der Freiheit der Person, des Eigentums und Erwerbs, - sie will<br />

mehr: staatsbürgerliche Freiheit, Anteilnahme an der Bildung des Staatswillens, kurz politische<br />

Macht. …“ 108<br />

Wenn man die philosophisch-revolutionäre Mixtur, welche die Verfassungsentwicklung<br />

determinierte, beschreiben will, kann man sagen, dass mit der Auflösung<br />

des Reiches in seiner bisherigen Form, katalysiert durch das französische Revolutionsgeschehen<br />

und seinen Ausläufern in Süd- und Mitteldeutschland, eine neue<br />

Zeit heraufzog, die auch ein neues Staatsrecht erforderlich machte. Jene staatsorganisationsrechtliche<br />

Wende, die auf starken aufklärerischen Füßen stand, führte<br />

dazu, dass der Monarch zwar Oberhaupt des Staates bleiben sollte, er allerdings<br />

nicht mehr unumschränkter Inhaber aller Staatsgewalt war. Er wurde vielmehr<br />

verfassungsrechtlich-konstitutionell beschränkt. Dies geschah sowohl durch die<br />

Gewährung von Grundrechten als auch durch Mitwirkungsrechte der (teilweise<br />

neu gebildeten) Parlamente an der Gesetzgebung und in Fragen der Haushaltsbewilligung.<br />

109 Dieser Konstitutionalismus sollte den Startschuss geben, den die<br />

<strong>Vetorechte</strong> benötigten, um aus ihrem Tiefschlaf zu erwachen und den Treibsatz<br />

zünden, der sie bis in die moderne Verfassungsdemokratie trug.<br />

106 Zu dieser Zeit konnten unter „Staatsvolk“ allerdings nur das zur politischen Partizipation fähige Bürgertum<br />

und die aristokratischen Stände subsumiert werden. Weite Teile der Bevölkerung, die den größten Teil des<br />

Staatsvolkes hätten ausmachen können, die Bauernschaft und Arbeiter, wurden von der Teilhabe ferngehalten<br />

und <strong>im</strong> politischen Prozess erst gar nicht wahrgenommen.<br />

107 Zu den die Konstitutionelle Staatstheorie beeinflussenden Lehren der Kantschen Aufklärungsphilosophie<br />

(„Sapere aude“ – Wage es vernünftig zu handeln), als deren geistige Grundlagen: Weber-Fas, Deutschlands<br />

Verfassung, S. 36-39; des Weiteren Friedrich, in: Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 5-7.<br />

108 Anschütz, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung IV. Band, S. 40.<br />

109 Maurer, Staatsrecht I, S. 57.

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