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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Neujustierung des Vetobodens<br />

ihr Mitgliedsland erstreiten können, ließe sich der zunehmend kumulative Vetoeinsatz<br />

<strong>im</strong> Ministerrat als legit<strong>im</strong>er Umsetzung des demokratischen Wählerwillens<br />

rechtfertigen. 1190<br />

3. Die deutsche Vetorealität nach dem Lissabon-Urteil<br />

des BVerfG<br />

Aus europapolitischer Perspektive mag eine solche tendenziöse Sicht der Dinge<br />

ihre Existenzberechtigung gehabt haben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 30.06.2009 1191 kann dieser Ansatz für das Vetopotential deutscher<br />

Ratsmitglieder allerdings zunehmend keine Geltung mehr verlangen.<br />

Durch den nun mehr als deutlich gewählten Ansatz, die demokratische Legit<strong>im</strong>ation<br />

der Europäischen Union nicht mehr allein dem dafür nie absolut tauglichen<br />

Europäischen Parlament zu überantworten, sondern dem <strong>deutschen</strong> Gesetzgeber<br />

eine profunde Integrationsverantwortung „aufzubürden“, hat das Bundesverfassungsgericht<br />

damit begonnen, die wenigen Einfallstore exekutiver Vetoeinsätze<br />

auf europäischer Ebene zu schließen. Konnte man die soeben dargestellte europäische<br />

Vetothese mit einigem Pragmatismus bisher auch noch für Deutschland<br />

vertreten, so verbietet sich dies nach der Lissabon-Entscheidung und der diesbezüglichen<br />

Änderung des <strong>deutschen</strong> Begleitgesetzes nunmehr.<br />

1190 Auch Roman Herzog beschreibt zusammen mit Frits Boltkestein und Lüder Gerken noch <strong>im</strong> Jahr 2010 die Möglichkeiten<br />

der Bundesregierung, <strong>im</strong> Rat gegen EU-Kompetenzüberschreitungen vorzugehen, als Vetorecht.<br />

Letztlich fordert er die deutsche <strong>Exekutive</strong> sogar dazu auf von einem solchen Veto Gebrach zu machen. – Vgl.<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, v. 15. Januar 2010: „…Hier läuft vieles falsch. Das jüngste Beispiel ist eine EU-<br />

Richtlinie, die selbständigen (!) Frauen einen Anspruch auf staatliche Sozialleistungen gewährt. In der entscheidenden Ministerratssitzung<br />

insistiert die Bundesregierung nachdrücklich, dass die EU gar nicht die erforderliche Gesetzgebungskompetenz besitze und<br />

dass dieses Vorhaben einen rechtwidrigen Eingriff in die nationalen Sozialleistungssysteme darstelle. In der anschließenden Abst<strong>im</strong>mung<br />

enthielt sie sich jedoch der St<strong>im</strong>me, um die Richtlinie dennoch nicht zu blockieren. Das geschah beileibe nicht zum ersten Mal:<br />

In Brüssel heißt dieses Abst<strong>im</strong>mungsverhalten "German vote". Ähnliches droht bei dem auf dem Tisch liegenden Richtlinienentwurf<br />

zur massiven Ausdehnung der europäischen Antidiskr<strong>im</strong>inierungsgesetzgebung. Nach den Vorstellungen der Kommission, maßgeblich<br />

unterstützt vom Europäischen Parlament, sollen nicht behindertengerechte Geschäfte und Restaurants bedarfsunabhängig<br />

umgebaut werden müssen und auch Mieter den behindertengerechten Umbau von Wohnungen verlangen können. Die Bundesregierung<br />

hat <strong>im</strong> Ministerrat die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips geltend gemacht und sich klar gegen dieses Vorhaben ausgesprochen. In<br />

der Tat liegt eine national nicht lösbare, grenzüberschreitende Problemlage nicht vor; Gebäude können nun einmal nicht von einem in<br />

den anderen Staat wandern. Die Bundesregierung könnte den Entwurf mit einem Veto zu Fall bringen. Dazu wird es aber voraussichtlich<br />

nicht kommen. …“.<br />

1191 BVerfG, Urt. v. 30.06.2009, 2 BvE 2/08 = BVerfGE 123, 267-437 = NJW 2009, 2267 = EuZW 2009, 552.<br />

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