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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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F. Exkurs: Europäische <strong>Vetorechte</strong> und ihre Zukunft<br />

Mehrheitsentscheidung in der Agrarpolitik nicht einverstanden und verweigerte<br />

über sieben Monate hinweg die Teilnahme am Agrar-Rat. 1174 Da dieser aber nur<br />

bei Anwesenheit oder ordnungsgemäßer Vertretung aller Mitglieder beschlussfähig<br />

war, führte die „Politik des leeren Stuhls“ zum vollständigen Veto seitens der<br />

französischen <strong>Exekutive</strong> gegen die gesamte Agrargesetzgebung der Gemeinschaft.<br />

Eine noch deutlichere Vorführung des nationalen Vetos auf europäischer Ebene<br />

konnte 1996 beobachtet werden, als die britische Regierung den gesamten Rat<br />

systematisch bei allen Entscheidungen der Einst<strong>im</strong>migkeit blockierte, da sie mit<br />

den aufgrund der BSE-Seuche gegen Großbritannien verhängten Handelsbeschränkungen<br />

für Rindfleisch nicht konform ging. 1175 Als Veto-Beispiel aus der<br />

jüngeren Vergangenheit kann die Blockade Polens bezüglich der Neuaushandlung<br />

eines Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Russland angeführt werden.<br />

Aufgrund des russischen Importverbotes für polnisches Fleisch legte die<br />

Warschauer Regierung nach dem Beitritt Polens in die EU über einen längeren<br />

Zeitraum ihr Veto gegen ein Nachfolgeabkommen ein und blockierte hierdurch<br />

die bilateralen Beziehungen zwischen der Union und Russland nachhaltig. 1176 Über<br />

diese der medialen Öffentlichkeit bekannt gewordenen Vetoereignisse hinaus lässt<br />

sich ohne große Phantasie vorstellen, wie häufig kleine und große Mitgliedsstaaten<br />

der Europäischen Union und ihrer Gemeinschaften mit ihrem Veto gedroht haben<br />

mögen, um mittels seiner Destruktionsenergie einzelne Entscheidungen <strong>im</strong><br />

Ministerrat oder Europäischen Rat zu ihren Gunsten zu ändern. Allein die Vielzahl<br />

an teilweise fragwürdigen europäischen Subventionen spricht hier eine beredete<br />

Sprache…<br />

Diese Betrachtungen des Vertragsstandes der Europäischen Union in seiner<br />

Gestalt bis zum 30. November 2009, also der Geltung des Vertrages von Nizza,<br />

verdeutlichen mithin, dass der Verlust nationaler Gesetzgebung die Parlamente<br />

der Mitgliedsstaaten geschwächt haben mag. Den nationalen Regierungen wurde<br />

hierdurch gleichsam eine manifeste Vetoposition eröffnet, die nicht nur theoretischer<br />

und ausnahmsweiser Natur war, so wie es bisher für den nationalen Vetohorizont<br />

zu konstatieren galt; Sondern dieses exekutive Vetopotential wurde durch<br />

nationale Regierungen in fast makaberer und der europäischen Idee zuwiderlaufender<br />

Weise zur Interessendurchsetzung genutzt.<br />

1174 Zu den Überlagerungen des Mehrheitsprinzips durch die Luxemburger Vereinbarung vom 29.01.1966 –<br />

Streinz, Europarecht (5. Auflage 2001), Rn 264.<br />

1175 Vgl. Streinz, Europarecht (5. Auflage 2001), Rn 264 & Fn 25.<br />

1176 Vgl. DIE ZEIT Nr. 21, v. 16. Mai 2007, S. 8.

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