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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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F. Exkurs: Europäische <strong>Vetorechte</strong> und ihre Zukunft<br />

sprechung des Europäischen Gerichtshofs beruhte. Die zunehmende Bedeutung<br />

der supranationalen Politikebene hatte zur Folge, dass sich innenpolitische Entscheidungsmaterien<br />

in außenpolitische verwandeln, die zugleich ihren nationalen<br />

Charakter verloren. 1150 In der Konsequenz war es gemäß Art. 59 Abs. 2 GG die<br />

<strong>Exekutive</strong>, also die Mitglieder der Bundesregierung, die auf europäischer Ebene<br />

die Gesetze aushandelten, bevor sie national umgesetzt oder prozeduralisiert wurden.<br />

Die deutsche Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff kennzeichnete<br />

diesen Prozess zutreffend, wenn sie ausführte: „Die <strong>Exekutive</strong>n werden <strong>im</strong>mer<br />

mächtiger, die Parlamente <strong>im</strong>mer machtloser.“ Sie stellte damit die weitreichende<br />

Frage, „ob die auswärtige Politik als eine Art natürliches Hausgut der <strong>Exekutive</strong>“<br />

gelten dürfe. 1151<br />

Die mit der fortschreitenden europäischen Integration einhergehende Vergemeinschaftung<br />

nationaler Kompetenzen führte bei den inner<strong>deutschen</strong> Parlamenten<br />

somit zu einem Verlust legislativer Aufgaben. Diese Kompetenzen wuchsen<br />

über die Teilhabe am Ministerrat letztlich der Bundesregierung 1152 zu. Der Bundesregierung<br />

fielen faktisch mehr und mehr die gesetzgeberischen Aufgaben zu,<br />

die bisher <strong>im</strong> inner<strong>deutschen</strong> Rahmen maßgeblich dem Bundestag oblagen 1153 .<br />

Dies führte zu der bedenklichen Verfassungslage, dass die Bundesregierung als ein<br />

Organ der <strong>Exekutive</strong> in erheblichem Umfang legislative Aufgaben wahrnahm. Die<br />

Entscheidungsgewalt des Ministerrates machte die Bundesregierung für das in<br />

Deutschland unmittelbar geltende europäische Recht faktisch zur gesetzgebenden<br />

und vollziehenden Gewalt in einem 1154 .<br />

Insbesondere <strong>im</strong> horizontalen Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung<br />

wurde hierdurch das in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG niedergelegte Gewaltenteilungsprinzip<br />

tangiert 1155 . Hintergrund dieser Bestandsaufnahme war, dass der Sinn<br />

der Gewaltenteilung aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts „nicht darin lag,<br />

dass die Funktionen der Staatsgewalt getrennt werden sollten, sondern dass die<br />

Organe der Legislative, <strong>Exekutive</strong> und Justiz sich gegenseitig kontrollieren und<br />

begrenzen, damit die Staatsmacht gemäßigt und die Freiheit des einzelnen geschützt<br />

wird.“ 1156 Keine Gewalt dürfe ein von der Verfassung nicht vorgesehenes<br />

1150 R. Lamprecht weist in NJW 1997, 505 (505) auf eine bemerkenswerte Bestandsaufnahme des Bundesverfassungsgerichts<br />

<strong>im</strong> „Maastricht-Urteil“ hin. Es wurde dort festgestellt, dass mittlerweile weite Teile des <strong>deutschen</strong><br />

Rechts von der europäischen Ebene okkupiert wurden. Das Bundesverfassungsgericht machte damit schon 1993<br />

deutlich, dass 80 Prozent aller Regelungen <strong>im</strong> Bereich der Wirtschaft und 50 Prozent der übrigen Gesetze vom<br />

europäischen Gesetzgeber stammen. Dieser Trend wurde durch die Nachfolgevertragsstufen noch einmal verstärkt<br />

– Vgl. Delors, BullEG Nr. 7/8-1988, S. 124, EA 1988, D 454 – zitiert in BVerfGE 89,155 (173).<br />

1151 Lübbe-Wolff, Die Internationalisierung der Politik und der Machtverlust der Parlamente, 2004 – Vortrag für<br />

den Deutschen Juristinnenbund – Vgl. http://www.djb.de/publikationen/zeitschrift/ai_2004-4/ai_2004-4f1/<br />

.<br />

1152 Zur Ausgestaltung des Organs „Ministerrat“ (kurz: Rat) <strong>im</strong> Rahmen der Europäischen Gemeinschaften:<br />

Streinz, Europarecht, §4, Rn 243 ff; Hakenberg, Europarecht, S. 32-37.<br />

1153 Möller/L<strong>im</strong>pert, ZParl 1/93, 21(23).<br />

1154 Hänsch, EA 1986, 191(195).<br />

1155 Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 9 (40).<br />

1156 Vgl. BVerfGE 3, 225 (247).

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