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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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I. Der bisherige europäische Vetohorizont<br />

I. Der bisherige europäische Vetohorizont<br />

Bis zum 30. November 2009 und der Geltung des Vertrages von Nizza hätte an<br />

dieser Stelle eine profunde Analyse breiter exekutiver Vetomöglichkeiten nationaler<br />

Regierungen auf europäischer Ebene Platz gegriffen. Zwei eng miteinander<br />

zusammenhängende Ereignisse und ihre Hintergründe machen es jedoch erforderlich,<br />

zu konstatieren, dass auch diese <strong>Vetorechte</strong> mehr und mehr einem Exodus<br />

ausgeliefert sind. Schon der am 01. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von<br />

Lissabon als solcher hätte es erforderlich gemacht, Wasser in den Wein europäischer<br />

Vetorechtsblüten zu schütten. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 30. Juni 2009 1146 kann jedoch insbesondere für den hier maßgeblich<br />

interessierenden <strong>deutschen</strong> Vetohorizont mit Fug und Recht behauptet werden,<br />

vetotechnisch ist nichts mehr so, wie es bis dahin war.<br />

1. Verfassungs- und europarechtlicher Kontext<br />

Es macht daher Sinn, zunächst eine Bestandsaufnahme des bisherigen Vetoumfeldes<br />

vorzunehmen. Anhand dessen wird deutlich, wie signifikant sich das Umfeld<br />

der <strong>Vetorechte</strong> durch den Wandel europäischen Pr<strong>im</strong>ärrechts tatsächlich verändert<br />

hat: Der innerstaatliche deutsche Gesetzgeber verlor in dem Maße an Macht,<br />

wie er basierend auf Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG Gesetzgebungskompetenzen auf die<br />

Europäische Gemeinschaften übertrug. Diesem Kompetenzverlust stand auf<br />

vormaliger EG-Ebene jedoch keine legislative Kompensation gegenüber, sondern<br />

die transferierten Kompetenzen wurden letztlich durch die nationalen <strong>Exekutive</strong>n<br />

in den zuständigen EG-Ministerräten mittelbar ausgeübt. Die Übertragung von<br />

Hoheitsbefugnissen führte folglich zu einer „Entparlamentarisierung“ der Entscheidungsprozesse<br />

1147 . Diese Verschiebung der innerstaatlichen horizontalen<br />

Gewaltenteilung galt für alle Mitgliedsstaaten der EG in gleichem Maße 1148 . Dieses<br />

Phänomen stellte den Kern des fortwährend beklagten Demokratiedefizits 1149 der<br />

Europäischen Gemeinschaft bis hin zur Vertragsstufe von Nizza dar.<br />

Zu diesem Verlustprozess kam erschwerend noch ein weiterer Umstand hinzu:<br />

Ein Großteil nationaler Parlamentsgesetzgebung diente nur noch der Umsetzung<br />

des supranationalen EU bzw. EG-Rechts, welches auf der Rechtssetzung der<br />

Kommission, des Ministerrats, des Europäischen Parlaments sowie der Recht-<br />

1146 Mit seinem sog. Lissabon-Urteil (BVerfG, Urt. v. 30.06.2009, 2 BvE 2/08 = BVerfGE 123, 267-437 = NJW<br />

2009, 2267 = EuZW 2009, 552) bestätigte das BVerfG zwar das deutsche Zust<strong>im</strong>mungsgesetz zum Lissabon<br />

Vertrag, erklärte jedoch das Begleitgesetz für verfassungswidrig. In der Konsequenz dieses unter E.II.2. näher zu<br />

begutachtenden Urteils, läutete das BVerfG das ‚Sterbeglöckchen‛ für die Existenz deutscher Vetomöglichkeiten<br />

auf Europäischer Ebene.<br />

1147 Ossenbühl, DVBl 1993, 629 (636).<br />

1148 Classen, ZRP 1993, 57 (59).<br />

1149 Gr<strong>im</strong>m, JZ 1995, 581(582).<br />

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