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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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F. Exkurs: Europäische <strong>Vetorechte</strong> und ihre Zukunft<br />

Es gilt also zunächst den Ursprung des Vetopotentials zu lokalisieren. Als dessen<br />

Ausgangspunkt auf EU-Ebene ist die Vergemeinschaftung nationaler Kompetenzen,<br />

wie sie vor mehr als 50 Jahren mit den ersten europäischen Verträgen ihren<br />

Anfang nahm, zu deklarieren. 1145 Die potentielle europäische Zukunftsd<strong>im</strong>ension<br />

der <strong>Vetorechte</strong> fußt also eigentlich auf einer makaberen Grundlage. Im einschlägigen<br />

europäischen Schrifttum wird diese als ‚Kompetenzverlust der nationalen<br />

Parlamente‛ beschrieben. Nur dadurch, dass die nationalen Parlamente Entscheidungshoheit<br />

an die Europäische Gemeinschaft abgaben, eröffnete sich den <strong>Vetorechte</strong>n<br />

ein weiterer Ausbreitungsort für ihre Einspruchswirkungen. Dieses Szenario<br />

ist derweil kein singulär deutsches Phänomen mehr, sondern galt für alle nationalen<br />

Parlamente der Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union ex aequo.<br />

Die potentielle Zukunft der <strong>Vetorechte</strong> außerhalb deutscher Verfassungen hat<br />

also eigentlich schon begonnen und so viel Vorgriff sei gestattet, sie ist gleichsam<br />

auch schon wieder progredientem Verfall ausgeliefert.<br />

1145 Gemeint sind damit die drei Gründungsverträge zu den Europäischen Gemeinschaften: Beginnend mit dem<br />

Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag) vom 23.07.1952 sowie den<br />

Römischen Verträgen über die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen<br />

Atomgemeinschaft (EAG/Euratom) vom 01.01.1958.<br />

Diese Verträge wurde fortentwickelt in der „Einheitlichen Europäischen Akte“ vom 01.07.1987 und noch wesentlicher<br />

und qualitativ umfänglicher durch den „Maastrichter Vertrag“ vom 01.11.1993 (ABl. 1992 Nr. C 191 v.<br />

29.07.1992, S. 1 ff.) sowie den „Amsterdamer Vertrag“ vom 01.05.1999 (ABl. 1997 Nr. C 340 v. 10.11.1997, S.<br />

1ff). Diese wiederum wurden erweitert um den „Vertrag von Nizza“ v. 26.02.2001, der den bis zum 30.11.2009<br />

gültigen Vertragszustand wiedergab.<br />

Seit dem 01.12.2009 stellt nach langem Hin und Her, begleitet von dem gescheiterten Versuch einen Europäischen<br />

Verfassungsvertrag zu platzieren, der Vertrag von Lissabon, den aktuellen Status europarechtlicher Einigung<br />

und kompetenzieller Vergemeinschaftung dar. (Ausführliche Darstellungen zur angedachten Systematik des<br />

Verfassungsvertrages sind zu finden bei: Streinz/Ohler/Herrmann, Die neue Verfassung für Europa, 2005.<br />

Analysen und Erklärungsansätze zum Scheitern des Verfassungsvertrages, Entwicklungen der Verfassungsidee<br />

sowie Anmerkungen zum Verfassungsbedarf und der Verfassungsfähigkeit der EU sind zu finden bei Heinig, JZ<br />

2007, 905 ff)<br />

Der Vertrag von Lissabon vom 17.12.2007 (ABl.-EU Nr. C 306/1 - BGBl. II 2008 S. 1038) basiert auf einem<br />

Mandat der Europäischen Regierungskonferenz (Vgl. Berliner Erklärung vom 25.03.2007 - Bulletin-EU 3-2007,<br />

II 1). Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages aufgrund negativer Referenden in den Niederlanden und<br />

Frankreich erteilte der Europäische Rat von Brüssel der Regierungskonferenz am 22.06.2007 das Mandat, einen<br />

sog. Reformvertrag zur Änderung der bestehenden Verträge auszuarbeiten (Bulletin-EU 6-2007) I 37). Dieser<br />

sog. Reformvertrag nahm auf das gescheiterte Verfassungskonzept keinen Bezug, versuchte jedoch die wichtigsten,<br />

insbesondere institutionellen und kompetentiellen Reformen des Verfassungsvertrags in neuer Gestalt<br />

aufzunehmen und vertraglich festzulegen. Insbesondere beinhaltet der Vertrag von Lissabon zur vorangegangen<br />

Vertragsstufe von Nizza eine Auflösung des bisherigen „Drei-Säulen-Konzepts“ der Europäischen Union (Art. 1<br />

Abs. 3 S. 1 EUV). Der EUV behält seine Bezeichnung (jetzt: EUV-Lissabon), der EGV wird in Vertrag über die<br />

Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt. – Details zur Transformation des Verfassungsvertrages<br />

in den Vertrag von Lissabon sind u.a. zu finden bei: A. Weber, Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von<br />

Lissabon, in: EuZW 2008, 7 ff; Th. Richter, Die EU-Verfassung ist tot es lebe der Reformvertrag! – Übersicht<br />

über Zeitplan, Streichungen, Ergänzungen und Übernahmen aus dem Verfassungsentwurf, in: EuZW 2007, 631<br />

(632); H.-J. Rabe, Zur Metamorphose des Europäischen Verfassungsvertrages, in: NJW 2007, 3153 (3157).<br />

Weitere detailreichere und umfänglichere Darstellungen zur historischen Entwicklung der Europäischen Union<br />

hin zu einer supranationalen Organisation sind u.a. zu finden bei: Hakenberg, Europarecht, S. 1-24;<br />

Bogdandy/Bast, Principles of European Constitution Law; Streinz, Europarecht, §2, Rn 14 ff.

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