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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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F. Exkurs: Europäische <strong>Vetorechte</strong> und ihre<br />

Zukunft<br />

Auch außerhalb deutscher Staatskonstitutionen müssten <strong>Vetorechte</strong>, um sich <strong>im</strong><br />

definitorischen Rahmen halten zu können, zuvorderst auf den für ihr Wirken<br />

maßgeblichen Angriffspunkt ausgerichtet sein, der als Vetoeinfallstor in allen hier<br />

herausgearbeiteten Konstellationen den zentralen Dreh-und Angelpunkt darstellt<br />

– Die Gesetzgebung. Daher erweist es sich für die <strong>Vetorechte</strong> als probater carrier,<br />

dass sich das Zeitalter autonomer nationalstaatlicher Gesetzgebung auf dem europäischen<br />

Kontinent dem Ende neigt und Normsetzung zunehmend <strong>im</strong> Lichte der<br />

Supranationalität erstrahlt. 1143 Nicht mehr originär deutsche Gesetze best<strong>im</strong>men<br />

unseren Alltag, sondern mehr und mehr unmittelbar oder mittelbar europarechtliche<br />

Regelungen nehmen den Platz nationaler Gesetzgebung ein. 1144 Es kann eigentlich<br />

nicht erstaunen, dass auch gegenüber diesem europäischen Gesetzgebungsgebaren<br />

der Wunsch nach Verhinderung, Einwirkung oder Steuerung bestand<br />

und besteht. Ein wesentlicher Unterschied lässt sich jedoch schon darin<br />

erkennen, dass der Bedürfnisträger nicht so klar und deutlich hervortritt und somit<br />

für eine Vetobetrachtung nicht sofort offensichtlich auszumachen ist.<br />

1143 Diese Tendenz lässt sich an konkreten Zahlen ablesen. Für das Jahr 2007 ließ sich konstatieren, dass 84<br />

Prozent aller Gesetze von der Europäischen Ebene ausgingen oder zumindest von dieser determiniert waren.<br />

(Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, v. 24. April 2007, S. 19). Vgl. dazu auch: Herzog/Gerken, in: Welt am<br />

Sonntag v. 14.01.2007: „…Das Bundesjustizministerium hat für die Jahre 1998 bis 2004 die Zahl der Rechtsakte der Bundesrepublik<br />

Deutschland und die Zahl der Rechtsakte der Europäischen Union einander gegenübergestellt. Ergebnis: 84 Prozent<br />

stammten aus Brüssel, nur 16 Prozent originär aus Berlin. Diesen Zahlen darf man nicht entgegenhalten, dass die „wichtigeren“<br />

Gesetze in Berlin gemacht würden. Die Binnenmarktgesetzgebung, die Umweltrichtlinie „Fauna-Flora-Habitat“ und das Diskr<strong>im</strong>inierungsrecht,<br />

um nur einige Beispiele zu nennen, sind europäische Rechtsakte, welche die deutsche Rechts- und Gesellschaftsordnung<br />

grundlegend verändert haben und sie nachhaltig prägen. …“<br />

Dieser Weg der kompetenzrechtlichen Zuständigkeitserweiterung auf EU-Ebene wird durch den Vertrag von<br />

Lissabon zwar maßvoll aber dennoch konsequent fortgegangen. Grundlegende Darstellungen hierzu finden sich<br />

u.a. bei: F. Mayer, JuS 2010, 189 (192 ff); Hatje/Kindt, NJW 2008, 1761(1762 ff); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG,<br />

Art. 23, Rn 16; Ruffert, EuR 2009, Beiheft 1, 31 (32 ff).<br />

1144 Über die ohnehin schon nicht als restriktiv wahrzunehmende Kompetenznutzung seitens der EU-Organe<br />

kommt hierzu mittlerweile noch ein weiteres hinzu. Mittlerweile wird die EU-Gesetzgebungsschiene durch die<br />

nationalen Regierunen in den Mitgliedsstaaten schon für ein u.a. von Roman Herzog herausgearbeitetes sachwidriges<br />

sog. „Spiel über die Bande“ genutzt, um Vorhaben, die aufgrund innerstaatlicher Friktionen oder Mehrheitsverhältnisse<br />

nicht innerhalb der Regierung selber oder gegenüber dem Parlament bzw. einer seinen Kammern<br />

durchsetzbar wären, über die EU-Normsetzungsebene anzuschieben oder zumindest nicht zu verhindern. Vgl.<br />

Szenariodarstellung durch Herzog/Gerken, in: Welt am Sonntag v. 14.01.2007: „…Ein nationales Ministerium, etwa<br />

das deutsche Bundesumweltministerium, das ein Regulierungsvorhaben auf nationaler Ebene nicht durchsetzen kann – weil zum<br />

Beispiel der deutsche Arbeitsminister Widerstand leistet oder es <strong>im</strong> Bundestag nicht mehrheitsfähig wäre –, „ermutigt“ die zuständige<br />

Generaldirektion in der Europäischen Kommission diskret, dieses Vorhaben EU-weit zu verwirklichen. In Brüssel trifft dies […]<br />

meist auf ausgeprägte Bereitwilligkeit. Das EU-Vorhaben durchläuft dann den üblichen Gesetzgebungsprozess. Am Ende entscheidet<br />

der Ministerrat darüber. In dem sitzt aber <strong>im</strong> Regelfall genau dasjenige Ministerium, das den Vorschlag überhaupt erst angestoßen<br />

hat, und die entsprechenden Fachministerien der anderen Mitgliedstaaten, <strong>im</strong> Beispiel also 27 Umweltministerien. Die erforderliche<br />

Abwägung auf nationaler Ebene, oft genug auch auf EU-Ebene, etwa mit arbeitsmarktpolitischen Belangen kommt als Folge<br />

dieses Spiels über Bande regelmäßig zu kurz, denn andere Ministerien und vor allem die Parlamente in den Mitgliedstaaten werden<br />

nicht einmal näherungsweise in den Entscheidungsprozess eingebunden, wie es für Rechtsakte auf nationaler Ebene selbstverständlich<br />

ist und wie es die Verfassungen der Mitgliedstaaten eigentlich vorschreiben. Vieles, das auf nationaler Ebene nicht durchsetzbar ist,<br />

wird so über den Umweg nach Brüssel umgesetzt – jetzt sogar europaweit. …“

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